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Auf Erdöl- und Erdgassuche in der Genfersee-Region

Petrosvibri hofft, vor dem Schloss Chillon unter dem See einen Schatz zu finden. AFP

Die steigenden Energiepreise haben nicht nur Folgen fürs Portemonnaie: Am Genfersee und im Jura werden bald Bohrtürme und Pumpen aufgefahren, um nach Erdöl- und Erdgas zu suchen.

Das Schweizer Unternehmen Petrosvibri hofft aus Erdgasvorkommen vor dem Schloss Chillon. Französische Firmen suchen nahe Genf nach Ölvorkommen unter dem Seeboden.

Die Preise für fossile Energien schiessen auf Rekordhöhe: Erdöl und Erdgas kosten heute doppelt so viel wie 2002.

Spezialisierte Firmen machen sich nun daran, diese Energieträger auch in der Schweiz zu suchen.

Im Fokus sind namentlich das Genfer- und Bielersee-Gebiet, der Jura und die Region um Zürich.

«Es herrscht zur Zeit grosse Aktivität», sagt der Geologe Werner Leu gegenüber swissinfo. Bei den aktuell hohen Preisen seien sogar sehr komplexe Such- und Fördertechniken profitabel. «Alle drängen auf diesen Markt», beschreibt Leu die Hektik.

Das Unternehmen Petrosvibri aus Vevey ist daran, die geologischen Daten des Genfersee-Beckens aus den 1980er-Jahren mit modernsten Computer-Modellen neu auszuwerten.

Demnach sollen am oberen Genfersee Milliarden von Kubikmetern Erdgas kilometertief unter dem Grund lagern. Eventuell sogar auch Rohöl.

Auch wenn die Erfolgschance nur 10% bis 15% betrage, seien die Investitionen für die Studienphase von 20 Mio. Franken gerechtfertigt, ist Petrosvibri-Präsident Philippe Petitpierre überzeugt. Im Fall eines Abbaus der Vorkommen schätzt er die Kosten auf 300 bis 400 Mio. Franken.

«Wir rechnen mit bis zu 40 Mrd. Kubikmeter Erdgas, das wäre das Zehnfache des aktuellen Verbrauchs der ganzen Schweiz», so Petitpierre.

«Jackpot» knacken?

Das Unternehmen, das sich im Besitz der Schweizer Gasunternehmen Holdigaz und Gaznat befindet, könnte durchaus den Jackpot unter dem Seegrund knacken, glaubt der Geologe Urs Eichenberger von der Universität Lausanne.

«Der Genfersee liegt unter der geologischen Stirnplatte der Alpen», erklärt er gegenüber swissinfo. «Unter dem oberen Teil des Sees wurden Strukturen entdeckt, die umgekehrten Teetassen ähneln.» Diese deuten laut dem Geologen auf Erdgasvorkommen hin.

Er vergleicht das Vorhaben mit einer Hoch-Risiko-Wette. «Angesichts der hohen Rohölpreise könnte sich dies aber auszahlen», so Eichenberger.

Umkämpfter See

Die Experten von Petrosvibri planen momentan die Bohrphase, welche das Unternehmen noch dieses Jahr in Angriff nehmen will. Eine Umweltverträglichkeits-Prüfung steht kurz vor dem Abschluss. Sie soll mögliche Auswirkungen der Bohrungen auf die unmittelbare Nachbarschaft aufzeigen.

Am unteren Ende des Genfersees vor den Toren der Stadt sind die Franzosen am Drücker: Toreador Energy France, die dem texanischen Ölkonzern Toreador Resources Corporation gehört, will im Seeboden nach Rohöl bohren.

Weitere Bohrungen sind zwischen Nantua im Westen der Stadt und dem Vallée du Joux im Waadtländer Jura geplant.

Wie umweltverträglich?

Die französische Firma ist mit einem Jahresumsatz von 30 Mio. Franken nur ein Branchenzwerg. Zum Vergleich: Riese Total setzt jährlich 250 Mrd. Franken um. Werden aber die Fachleute von Toreador in der Genfersee-Region fündig und die Preise bleiben auf dem aktuellen Niveau, tun sich grosse Perspektiven auf.

Trotz des Enthusiasmus auf Unternehmerseite gibt es Befürchtungen, die makellose alpine Kulisse rund um das Genfer Seebecken könnte durch die Förderung von Erdöl und Erdgas beeinträchtigt werden.

«Diskrete Arbeit»

Petrosvibri-Präsident Petitpierre will von dem nichts wissen. «Unsere Bohrungen werden nahe der Rhone-Einmündung stattfinden, also weit vom Ufer und den Schutzzonen entfernt.» Er versichert, dass die Bohr- und Förderanlagen weder Flora noch Fauna schaden würden. «Die Bohrungen, die zwei bis vier Kilometer tief in die Erde hinein reichen, werden diskret und unsichtbar sein – wie das Gas, das dort liegt», so Petitpierre.

Auch wenn die Zukunft bei den erneuerbaren Energien liege, komme dem Gas eine wichtige Rolle als Übergangs-Energieträger zu, sollten die Erdölvorräte zur Neige gehen.

Kritik von Greenpeace

Bei der Umweltorganisation Greenpeace sieht man das anders. Sprecher Nicolas de Roten bezeichnet Erdgas als «Energie der Vergangenheit» und die Suche danach als «unsinnig».

«Statt mit der Investition grosser Summen in fossile Energieträger kurzfristige Gewinne anzustreben, würde es mehr Sinn machen, auf erneuerbare Energien zu setzen», betont Nicolas de Roten.

swissinfo, Simon Bradley, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

In der Schweiz verbrauchen private Haushalte, Transport und die Industrie rund je einen Drittel der Energie.

Erdöl macht 57% der Energie aus, gefolgt von Wasserkraft (14%) und Atomenergie mit 10%.

2004 führte die Schweiz 12,7 Mio. Tonnen Rohöl ein. Die Zunahme des Rohölbedarfs wird weltweit auf 40% geschätzt.

Die grössten Erdgasreserven liegen in Russland (31,9%), im Mittleren Osten (40,5%), Asien und Ozeanien (8,2%), Afrika (7,8%), Nordamerika (4,4%), Süd- und Zentralamerica (3,8%) und Europa (3,4%). (Quelle: SwissOil)

Experten gehen davon aus, dass die Vorräte von Erdgas noch für 80 bis 130 Jahre reichen, während die Rohöl-Reserven in 50 Jahren aufgebraucht sein könnten.

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