Aufrüstung für den Cyber-Wahlkampf
Online-Wettbewerbe, Weblogs, Diskussionsforen, Onlinecommunity, Chats, Videobotschaften: Das Internet mutiert auch in der Schweiz zur multimedialen Wahlkampfplattform.
Heute kann sich keine politische Partei mehr leisten, nicht auf dem Internet präsent zu sein. Die Unterschiede zwischen den politischen Webseiten der Schweiz und dem Ausland sind jedoch noch gross.
Im Vergleich zu den eidgenössischen Wahlen von 2003 hat das Internet an Bedeutung gewonnen. Und diese Tendenz nimmt weiter zu. Trotzdem werden die traditionellen Werbemittel wie Wahlkampfauftritte, Inserate und Plakate nicht überflüssig.
So erklärte Reto Nause, der Generalsekretär der Christlichdemokratischen Volkspartei CVP, kürzlich: «Man kann die Wahlen auf dem Internet verlieren – indem man nicht präsent ist. Man kann sie auf dem Internet jedoch nicht gewinnen.»
Vergleichsweise bescheidener Ausbau
Die Webpräsenzen von Parteien und Kandidaten werden zwar ausgebaut, Ausmasse wie beim US-Präsidentschafts-Wahlkampf oder beim Rennen um das höchste politische Amt in Frankreich sind jedoch nicht zu erwarten. Hillary Clinton hat ihre Präsidentschaftskandidatur denn auch als erstes auf ihrer Website bekannt gemacht.
Die Webauftritte von Hillary Clinton, Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy sind von Profis gestylt und werden von ganzen Teams aktuell und interessant gehalten. Neben Blogs, einer Art virtueller Tagebücher, werden auch Podcasts und Videocasts, also Audios und Videos zum Herunterladen, angeboten. Solch umfassende Services kosten allerdings viel Geld.
Auch Politiker und Parteien in der Schweiz rüsten ihre Webseiten mit interaktiven Angeboten auf. Allerdings können diese mit ihren geldverschlingenden Vorbildern in den USA oder Frankreich nicht mithalten.
Dass es gar nicht so einen Riesenaufwand braucht, zeigt Kommunikationsminister Moritz Leuenberger. Mit seinem Blog, der im Cyberspace und in den Medien für grosses Aufsehen sorgte, spielt er eine Vorreiterrolle.
Grosse Wirkung dank Dialogmöglichkeiten
Gerade in einem Wahlkampf stehe man unter Druck, innerhalb sehr kurzer Zeit sehr viel Aufmerksamkeit zu generieren, sagt Marcel Bernet, Blogger und Buchautor zu diesem Thema.
«Dies erreicht man nur mit einer aktuellen, dialog- und meinungsorientierten Website.» Und dazu gehört ein Blog. «In der Politik ist Bloggen heutzutage zwingend.»
Die Dialogmöglichkeit zwischen dem Blogger und den Lesern sieht Bernet als grossen Vorteil. Ein Nachteil sei jedoch der grosse zeitliche Aufwand, der das Führen eines Bloggs mit sich bringe. «Man muss schreiben, den Blog bewirtschaften, auf Kommentare antworten.»
Verstärkte Präsenz
Allen Schwierigkeiten zum Trotz verstärken Parteien und Politiker ihre Präsenz im Cyberspace. Sie gestalten ihre Webseiten neu und bauen darin interaktive Elemente wie Foren und Blogs oder multimediale Inhalte wie Video- und Audiobotschaften ein. Denn das Internet ist auch ein günstiges Medium, um ungefilterte Botschaften zu transportieren.
Die Christlichdemokraten kündigen zum Beispiel ein Online-Quiz an. Die Sozialdemokraten, welche den Wahlkampf mit dem Anspruch antreten, die «führende Internetpartei» zu sein, setzen auch auf Blogs und so genannte E-Cards, Elektronische Ansichtskarten. Ein Augenschein Anfang Mai förderte jedoch eine ziemliche verspätete Oster-E-Card zutage.
Die Freisinnigen (FDP) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) beliefern ihre Kandidaten auch mit Inhalten für ihre persönlichen Webseiten. Die SVP geht in ihrer Fürsorglichkeit sogar noch einen Schritt weiter und stellt ihren Kandidaten gar ein Content Management System zur Verfügung, mit dem diese ihre Webauftritte selbständig aktualisieren können.
Beschränkte Reichweite
Ein Wahlkampf ohne Einbezug des Internets ist also kaum mehr vorstellbar. Und obwohl sie dort weltweit abgerufen werden können, erreichen die Botschaften nicht das ganze Wählerspektrum. Studien haben aufgezeigt, dass via weltweites Netz vor allem jüngere, gut gebildete und an Politik interessierte Männer erreicht werden.
Der Basler Technologieprofessor Matthias Zehnder sieht das auch als Vorteil und sagte dazu im Grenchner Tagblatt: «Mit diesem modernen Kommunikationsmittel erreicht man genau die erwachsenen Personen, die auch zur Urne gehen. Das ist beim Fernsehen viel weniger der Fall.»
Politiker und Parteien dürfen aber in Zukunft die viele Tausend sich im Internet tummelnden potenziellen Neuwählerinnen und Neuwähler nicht vernachlässigen. 2011 finden wieder eidgenössische Wahlen statt.
swissinfo, Etienne Strebel
Die Möglichkeiten des Internets werden auch von Zeitungen sowie elektronischen Medien genützt. Sie berichten über die Wahlkampagnen und auf viele Artikel kann interaktiv, mit täglichen Chats und/oder Blogs, direkt reagiert werden. Bereitgestellt werden aber auch Pod- und Videocasts.
Grosse Medienunternehmen können es sich nicht leisten, kein Wahlspezial im Internet bereit zu stellen. Dass solche interaktive Möglichkeiten genutzt werden, zeigt das Beispiel der Webausgabe des französischen Figaro. Im Wahlkampf zwischen Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy gab es zu manchen Beiträgen mehrere hundert Spontanreaktionen.
Ein Weblog (engl. Kreuzung aus Web und Log), häufig abgekürzt als Blog, ist ein digitales, interaktives Medium zur Darstellung des eigenen Lebens und von Meinungen zu spezifischen Themen.
Das Logbook, (Schiffstagebuch) leitet sich vom Wort Log ab (urspr. Holzklotz), einem Messgerät, das in der Seefahrt zur Bestimmung der Geschwindigkeit eingesetzt wurde.
Blogs haben sich mit den Jahren weiterentwickelt und können dem Austausch von Informationen, Gedanken, Erfahrung und Kommunikation dienen.
Die ersten Weblogs tauchten Mitte der 1990er-Jahre auf. Seit 2004 wird das Bloggen immer mehr geschäftlich, aber auch politisch eingesetzt.
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