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Aus der Katastrophe lernen

Das Ende 2000 von einer Schlammlawine erfasste Gondo will seine Erfahrungen an andere weiter geben. Keystone

Im Oktober 2000 war das Walliser Grenzdorf Gondo unter einer Schlammlawine begraben worden. Nun will Gondo seine Erfahrungen aus der Bewältigung von Natur-Katastrophen nutzen.

Mit dem österreichischen Galtür und dem deutschen Königstein lanciert Gondo nun ein europäisches Interreg-Projekt.

Die drei Gemeinden planen Kompetenz-Zentren für Naturgefahren. Ende April wollen sie ihre Pläne bei der Europäischen Union einreichen, die solche Projekte im Rahmen ihrer Interreg-Programme (Zusammenarbeit zwischen Regionen, in diesem Fall «Alpenraum») mitfinanziert.

Bei der Katastrophe vom 14. Oktober 2000 in Gondo waren nicht nur grosse Teile des kleinen Dorfes zerstört worden: 13 Menschen kamen damals ums Leben. Fast alle der 165 Überlebenden verliessen ihr Dorf.

Die Schule, die Läden, die Strasse wurden zerstört. Gondo war eine riesige offene Wunde. Der Berg hatte die Identität einer ganzen Landschaft mitgerissen.

Erfahrungsschatz europaweit vernetzen



«Meistens bricht eine Naturkatastrophe völlig unerwartet herein.» Das weiss niemand besser als Roland Squaratti, der Gemeindepräsident von Gondo. «Bei der Bewältigung der Katastrophe konnten wir auf die Unwetter-Erfahrungen von Brig zurückgreifen», erinnert sich Squaratti.

Die Idee, den Erfahrungsschatz bei der Bewältigung von Naturkatastrophen europaweit zu vernetzen, entstand zwei Jahre später bei einem Treffen mit Galtür.

Der Tiroler Ferienort Galtür war im Februar 1999 von einer gewaltigen Schneelawine verschüttet worden. 38 Menschen kamen dabei ums Leben. «Wir stellten fest, dass es viele Parallelen gab und wir beim Krisenmanagement am Anfang die gleichen Probleme hatten», sagt Squaratti.

Authentisches Wissen gefragt



Aus der Not soll nun eine Tugend gemacht werden. Mit dem deutschen Königstein – im Sommer 2002 von Hochwassern heimgesucht – wurde ein dritter Partner gefunden, um die Bedingungen für ein von der Europäischen Union (EU) gefördertes Interreg-Projekt zu erfüllen. Das Projekt soll nun Ende April bei der EU eingereicht werden.

Innovativ am Projekt sei der Ansatz, «authentisches Erfahrungswissen» zu vermitteln, sagt Franz Odermatt, Koordinator des Eingabe-Dossiers und Projektleiter beim Wiederaufbau Gondos. Pro «Bedrohungsform» soll ein Kompetenz- Zentrum entstehen – in Gondo zu Murgängen, in Galtür zu Lawinen, in Königstein zu Hochwassern.

Erdbeben, Feuer und Sturm

«Wir sind mit weiteren Projektpartnern aus Italien und Griechenland im Gespräch», erklärt Odermatt. Ziel sei, auch die Naturgefahren Erdbeben, Feuer und Sturm ins Interreg-Projekt aufzunehmen.

Das Ereignis sollte aber nicht länger als 5-8 Jahre zurückliegen, um auf aktuelle Erfahrungen zählen zu können. Die beteiligten Partner übernehmen je ein Teilprojekt, wobei «alle an allem mitarbeiten», wie Odermatt betont.

Während Galtür für das Management und Königstein für den wissenschaftlichen Teil zuständig ist, will Gondo den Bereich Ausbildung übernehmen. «Wir erhoffen uns damit auch eine Belebung des Dorfes» sagt Roland Squaratti.

Nutzung für Stockalperturm

Das Projekt bietet nicht zuletzt Nutzungsmöglichkeiten für den denkmalgeschützten Stockalperturm. Nur: Der geplante Ausbau zum Seminarzentrum ist blockiert, solange die Eigentumsfrage nicht geklärt ist. Das Walliser Kantonsparlament hat im März den Verkauf des historischen Turms beschlossen.

Squaratti geht davon aus, dass die Stockalper-Stiftung am 27. April den Kauf des Turms beschliessen wird. «Sonst kommt man nie zu einer Lösung».

Erteilt der Stiftungsrat grünes Licht, können die Renovationsarbeiten Anfang Mai starten. «Ende 2005 steht der ausgebaute Turm bereit», ist Squaratti überzeugt.

Gelder von EU und seco

Das dreijährige Interreg-Projekt zur Schaffung von Kompetenz-Zentren für Naturgefahren in Europa ist auf 1,8 Mio. Euro veranschlagt. Projektpartner Gondo muss daran einen Beitrag von 350’000 bis 450’000 Euro aufbringen.

Die definitive Summe hängt davon ab, ob noch weitere Projektpartner einsteigen. Die Partner in EU-Ländern können zur Hälfte auf Interreg-Fördergelder zählen. Im Nicht-EU-Land Schweiz springt das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) in die Lücke.

Die Gemeinde Gondo hat für die dreijährige Projektdauer insgesamt 150’000 Franken bewilligt. Abzüglich der mündlich zugesagten seco-Gelder sind auf Schweizer Seite noch rund 200’000 Franken aufzutreiben. Die Verantwortlichen sind zuversichtlich, die Finanzierung bis zur Projekteingabe am 30. April zu sichern.

Ein Entscheid der EU-Behörden ist im Juli zu erwarten. Wird das Interreg-Projekt akzeptiert, obliegt die Leitung des Projektes den Behörden im österreichischen Galtür. Grund: Für Interreg-Programme muss der so genannte «Lead Partner» aus einem EU-Land kommen.

swissinfo und Theodora Peter (sda)

Zusammen mit dem österreichischen Galtür und dem deutschen Königstein lanciert das Walliser Bergdorf Gondo, das im Oktober 2000 unter einer Schlammlawine begraben und zu einem grossen Teil zerstört worden war, ein europäisches Interreg-Projekt. Geplant sind Kompetenz-Zentren für Naturgefahren.

Die drei Gemeinden wollen ihre Erfahrungen, die sie bei der Bewältigung von unterschiedlichen Natur-Katastrophen machten, nutzen und ihre Erkenntnisse so weitergeben.

Pro «Bedrohungsform» soll je ein Kompetenz-Zentrum entstehen: In Gondo zu Murgängen, in Galtür zu Lawinen und in Königstein zu Hochwassern.

Das Projekt wird auf rund 1,8 Mio. Euro veranschlagt. Gondo muss davon einen Betrag von 350’000 bis 450’000 Euro einbringen.

Die Partner in EU-Ländern können zur Hälfte auf Interreg-Fördergelder zählen. Im Nicht-EU-Land Schweiz springt das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) ein. Eine mündliche Zusage zur Unterstützung liegt vor.

Ende April soll das Projekt bei der EU eingereicht werden.

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