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Ausblick 2011: Franken statt Banken als Hauptsorge

Auch im Wirtschaftsjahr 2010 drehte sich in der Schweiz vieles um den Finanzsektor. Keystone

Die Schweizer Volkswirtschaft hat 2010 eine kontinuierliche, wenn auch unspektakuläre Erholung verzeichnet. Neues Ungemach verspricht das kommende Jahr: Die europäische Schuldenkrise setzt sich fort, und entsprechend schwächelt der Euro.

Noch Anfang 2010 waren Regierung und Behörden der Schweiz eifrig mit dem Wiederherstellen der Stabilität im Finanzsektor beschäftigt. Und schon sorgten die Probleme von EU-Staaten dafür, dass der Frankenwert nach oben schnellte. Seither setzt er den Exporteuren zu.

Zum Jahreswechsel Ende 2009 knallten vergleichsweise wenig Champagnerkorken – und ins Jahr 2010 startete die Finanzbranche mit einem ziemlichen Katzenjammer.

So wurde im Januar der Entscheid des Bundesrats, über ein Abkommen mit den USA die Bankdaten von Tausenden UBS-Kunden zu übermitteln, nachträglich vom Bundesverwaltungsgericht in Frage gestellt – als das Parlament noch mit der Absegnung dieser kontroversen Massnahme beschäftigt war.

Doch es kam noch schlimmer. Die Behörden anderer europäischen Länder begannen, gestohlene Daten über ausländische Bankkunden von Schweizer Banken zu kaufen, obschon die Schweiz einer Revidierung der Doppelbesteuerungs-Abkommen zugestimmt hatte.

Im Sommer schliesslich bestätigte das Parlament den Deal mit der UBS. Und im Herbst stimmten Deutschland und Grossbritannien Vereinbarungen zu, die das Schweizer Bankgeheimnis schonten und das schwierige Problem der Steuerhinterzieher angingen, die ihr Geld in der Schweiz angelegt hatten.

Doch kühlte sich der Eifer der grossen Länder bezüglich Druck auf die Schweiz merklich ab, als sie merkten, dass sie noch andere, eigene Probleme anzugehen hatten. 

Höhere Eigenkapitalquoten

Die Behörden setzten sich 2010 auch intensiv mit den Grundpfeilern der Schweizer Banken auseinander. Wie die zuständigen Behörden im Ausland beschäftigte sich auch die inländische Finanzmarktbehörde FINMA mit der Revision globaler Standards: In einem «Swiss Finish» mussten die Banken einwilligen, im Vergleich zur internationalen Konkurrenz höhere Eigenkapitalquoten zu akzeptieren.

Noch bleibt offen, welche weiteren Standards die internationalen Finanzwelt einführen wird und welche Auswirkungen diese haben werden. Andererseits begannen sich 2010 die Zeichen einer Erholung der Schweizer Banken zu mehren.

Die UBS, von allen europäischen Banken am härtesten von der US-Subprime-Krise betroffen, vermochte bereits im letzten Quartal 2009 wieder einen Gewinn auszuweisen. Dieser Trend setzte sich in den ersten drei Quartalen 2010 fort. Auch konnte die UBS den Abfluss an verwalteten Vermögen stoppen.

Schweizer Franken legt sich quer

Im Bereich der Wechselkurse gab sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) im ersten Halbjahr 2010 alle erdenkliche Mühe, den Höhenflug des Frankens zuerst gegenüber dem Euro und dann auch gegenüber dem Dollar zu dämpfen.

Für diese Politik hatte die SNB noch Ende 2009 viel Lob erhalten. Um den Kurs auf über 1.50 Fr./Euro halten zu können, musste sie grosse Mengen an Euro kaufen. Doch aus dem Lob wurde Kritik, als der Frankenwert trotz aller SNB-Interventionen 2010 immer höher stieg.

In den ersten neun Monaten 2010 hatte diese Politik die SNB mehr als 21 Mrd. Franken gekostet: Vergebliche Mühe angesichts des Vertrauensverlustes in den Euro während der ersten Griechenland-Krise im Mai und der Irland-Krise im November, welche die EU Dutzende von Euro-Milliarden an Garantiefonds-Leistungen kostete.

Befürchtungen bezüglich der Kreditfähigkeit Portugals und weiterer südeuropäischer Länder, die später möglicherweise auch auf Unterstützung angewiesen sein werden, drücken weiterhin auf den Euro.

Gleichzeitig fiel der Dollarwert sogar unter einen Franken, weil sich die US-Wirtschaft langsamer als vorausgesagt zu erholen schien und die US-Zentralbank deshalb eine Politik des leichten Geldes verfolgt.

Exportindustrie macht sich Sorgen

Obschon die Schweizer Exportindustrie seit Ende 2009 zulegte und Boden gut gemacht hat, sehen die Aussichten im kommenden Jahr weniger günstig aus. Bei zahlreichen Exporteuren sind die Auftragsbücher bereits geschrumpft. Denn zwei Drittel aller Schweizer Ausfuhren gehen nach Europa, ein Fünftel in die USA.

Etwas leichter haben es jene Unternehmen, die neue Märkte in den aufstrebenden Ländern, etwa in Asien, gefunden haben, oder die qualitativ hochstehende Produkte wie Uhren herstellen.

Doch im traditionellen Güterbereich werden für 2011 Rückgänge erwartet, da die staatlichen konjunkturstimulierenden Massnahmen, die in der Rezession lanciert worden waren, langsam auslaufen.

Werden die Zinsen 2011 steigen?

2011 wird man in der Schweiz die Zinspolitik der SNB genau im Auge behalten. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Nationalbank den Zinssatz vom heutigen Tiefststand von 0.25% erhöhen wird.

Ein derartiger Entscheid müsste allerdings zwei Dinge unter einen Hut bringen: Einerseits dürfte die SNB mit der Zinserhöhung nicht den Eindruck erwecken, das ohnehin schon verlangsamte Wachstum zusätzlich zu belasten. Andererseits möchte sie auch den soliden Privatkonsum, der 2010 viel zur Stabilisierung des inländischen Wirtschaftsverlaufs beitrug, nicht gefährden.

Experten sagen aber eine Zinserhöhung für den Fall voraus, dass das Wirtschaftswachstum im 2. Quartal 2011 anziehen oder die SNB inflationäre Vorzeichen ausmachen sollte. Ausserdem blickt die SNB mit Sorge auf die Immobilienpreise, die in gewissen Landesteilen in alarmierendem Ausmass anziehen.

In einem Punkt aber sind sich alle einig: Als kleines Land ist die Schweiz vom Schicksal der grossen Länder abhängig, auf deren guten Wirtschaftsverlauf sie stark angewiesen ist. So gesehen sind die Aussichten für 2011 sowohl von positiven wie auch von negativen Argumenten geprägt.

Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco soll das Bruttoinlandprodukt (BIP) Ende 2010 ein Wachstum von 2,6% erreichen.

Gegenüber dem Minus von 1,6% fürs Jahr 2009 schneidet 2010 somit gut ab.

Die ETH-Konjunktur-Forschungsstelle KOF und BAK Basel Economics schätzen das BIP-Wachstum für 2010 auf 2,7%.

Für 2011 erwartet das Seco einen Einbruch auf 1,2%, gefolgt von einer leichten Erholung 2012 auf 1,9%.

KOF schätzt das Wachstum 2011 auf 1,8%, BAK Basel auf 1,7%.

Im Vergleich dazu soll das Wachstum in der EU 2010 1,8% betragen und 2011 minim auf 1,7% abrutschen.

Dieses EU-Wachstum wird von Deutschland angeführt, dessen BIP-Wachstum 2010 auf 3,7% und 2011 auf 2,7% geschätzt wird.

Für die USA hat die OECD das Wachstum 2010 auf 2,7% geschätzt. Chinas Wachstum dürfte über 10% betragen, Indien rund 7% und Russland fast 5%.

Es wird erwartet, dass die Arbeitslosenrate in der Schweiz von 3,8%  im Jahr 2010 auf 3,4% im kommenden Jahr fällt. Die Inflation soll 2010 und 2011 um je 0,7% steigen.

Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle

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