Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

«Auszeichnung» für Verantwortungslose

Der Kabarettist und Schauspieler Patrick Frey wird die "Public Eye Award"-Verleihung präsentieren. Public Eye/zvg

Die "Public Eye Awards" zeichnen an einer Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum WEF sozial und ökologisch unverantwortliche Konzerne aus.

Auf der Nominierten-Liste stehen bekannte Namen wie Coca Cola, Nestlé, Novartis, Syngenta, Ciba Spezialitäten Chemie, Bayer oder die Walt Disney Company.

Am Eröffnungstag des WEF in Davos, am 25. Januar 2006, wird das Verhalten besonders unverantwortlicher Konzerne mit einer Preisverleihung, den «Public Eye Awards», öffentlich gemacht.

Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt haben für die Organisatoren, die Erklärung von Bern (EvB) und Pro Natura, wiederum rund 20 in- und ausländische Konzerne in den Kategorien Umwelt, Soziales und Steuern nominiert.

Nur Nestlé konnte ihren Listenplatz vom letzten Jahr «verteidigen». Dem Schweizer Nahrungsmittelmulti wird unter anderem aggressive Vermarktung von Babynahrung vorgeworfen.

Weiter auf der Liste stehen auch Kendris, Alcoa, Bayer AG, Chevron Corp., Citigroup Inc., The Coca-Cola Company, FILA, GAP Inc., Tesco plc, Vattenfall Europe oder The Walt Disney Company.

Die Basler Chemiefirmen Novartis, Ciba Speciality Chemicals und Syngenta sind auch nominiert. Ihnen wird vorgeworfen, bei der Sanierung ihrer giftverseuchten Deponien im Jura zu wenig zu machen.

Die Organisatoren werden ausserdem erstmals einen «Positive Award» vergeben. Sie möchten damit dem «Schmähverein-Image» entgegentreten, wie Oliver Classen von der Entwicklungsorganisation Erklärung von Bern sagt.

Salz in Konzernwunden streuen

Man wolle «Salz in Konzernwunden streuen», sagte Classen weiter. Denn unter Unternehmensverantwortung verstünden die meisten Wirtschaftsführer immer noch primär die Wahrung von Aktionärsinteressen.

Die sich jährlich in Davos zum WEF versammelnden Manager «blenden das Leiden der Näherin von Markenjeans in Bangladesch oder jenes der indigenen Bevölkerung in Ölfördergebieten weiterhin bewusst aus», so Classen.

Die «Public Eye Awards» sollten Manager und verantwortliche Politiker daran erinnern, dass ihnen die Öffentlichkeit auf die Finger schaue.

Sonja Ribi von Pro Natura bezeichnete es als einen Skandal, dass Konzerne nationale Gesetzgebungen ignorierten und sich korrupte und autoritäre Machtverhältnisse zu Nutzen machten.

Nur internationale und rechtlich bindende Regeln könnten Konzerne juristisch verantwortlich, rechenschaftspflichtig und haftbar machen.

Kritik am WEF

«The Public Eye Awards» macht dem «alpinen Jahrestreffen der wirtschaftlichen und politischen Global Player», dem Weltwirtschaftsforum (WEF), den Vorwurf, dort werde trotz humanitären und Umwelt-Krisen mehr Freihandel und Wettbewerb propagiert. Dies führe zu mehr Wachstum und bedeute Wohlstand und damit mehr Freiheit und Demokratie für alle.

Die Proteste gegen den Freihandel und den ungehinderten Wettbewerb hätten jedoch schon einigen Erfolg gezeigt. Der damit einhergehende Stimmungsumschwung habe bewirkt, dass «nicht mehr Kläger die Schuld fehlbarer Konzerne nachweisen, sondern diese zunehmend selbst ihre Unschuld unter Beweis stellen müssen».

Augenwischerei?

Das WEF bindet auch Nichtregierungsorganisationen bei gewissen Anlässen ein. «The Public Eye Awards» empfindet diese Bemühungen eher als Augenwischerei. Denn das WEF bleibe trotz Open Forum alles andere als ein neutrales Forum, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen stärker vertreten sind.

«Sonst würde neben der Eroberung asiatischer Märkte und dem neuen Techno-Hype auch Kehrseiten wirtschaftlicher Kurzfristanstrengungen wie unmenschliche Arbeitsbedingungen und die Zerstörung der Lebensgrundlagen im aktuellen WEF-Programm auftauchen», moniert «The Public Eye Awards».

Das dem WEF angegliederte Open Forum lässt die Bundesräte Moritz Leuenberger, Joseph Deiss und Micheline Calmy-Rey, der Oxford-Professor Timothy Garon Ash, die Publizisten Alice Schwarzer, der NZZ-Journalist Urs Schöttli, Nestlé-Chef Peter Brabeck oder Novartis-CEO Daniel Vasella auftreten.

swissinfo, Etienne Strebel

«The Public Eye Awards» ist eine globalisierungs-kritische Veranstaltung.

Sie findet jeweils Ende Januar parallel zum Jahrestreffen WEF in Davos statt.

Diese Alternative zum WEF ist ein gemeinsames Projekt der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern und der Naturschutz-Organisation Pro Natura

«The Public Eye Awards» fühlt sich mit dem Weltsozialforum (WSF) eng verbunden . Dieses findet dieses Jahr nicht im brasilianischen Porto Allegre statt, sondern wird auf Caracas (Venezuela), Karachi (Pakistan) und Bamako (Mali) verteilt.

Am 25. Januar 2006 moderiert Schauspieler und Kabarettist Patrick Frey in Davos, dem Tagungsort des Weltwirtschaftsforums, die Verleihung der «Public Eye Awards 2006».

Die «Public Eye Awards 2005» waren an Nestlé, den US-Chemiekonzern Dow Chemical, an Royal Dutch Shell, den US-Konzern Wal-Mart und an die Beratungsfirma KPMG International, Amsterdam, gegangen.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft