Auto-Zulieferer dank Spardruck im Aufwind
Am Salon Genf stehen sie im Schatten. Sie sind jedoch die heimlichen Auto-Konstrukteure. 150 Schweizer Firmen liefern Komponenten für praktisch alle Modelle.
Im gesättigten Automarkt gelten Zulieferer – dank mehr Elektronik und gesteigerten Anforderungen an Materialien – als Wachstumsmarkt.
Der scharfe Verdrängungs-Wettbewerb ist dominant. Die Produzenten sind gezwungen, ihre Modelle laufend zu verbessern und gleichzeitig Kosten einzusparen.
Damit wandeln sich Hersteller zu Werbe- und Marketing-Unternehmen. Statt alle Teile selber zu entwickeln und zu produzieren, setzen sie auf Zulieferer. Laut einer Studie der Unternehmens-Beratung Mercer wurden im Jahr 2002 bereits 65% der Autoteile von externen Herstellern übernommen.
Bis in zehn Jahren sollen es gar 77% sein. «Die Schweizer Zulieferer sind Kosten- und Innovationsführer, und sie nehmen führende Marktpositionen ein», so Jan Dannenberg von Mercer.
Produktion in Billiglohnländern
Zulieferer entwerfen ganze Bereiche eines Autos, konstruieren Komponenten, testen sie und liefern sie an mehrere Hersteller. Das senkt Kosten.
Heute stammen wertmässig 24% der Antriebstechnik vom Hersteller. Im Jahr 2015 werden es noch 9% sein. Bei den Fahrwerken wird sich die Wertschöpfungstiefe von 31% auf 13% reduzieren.
Diese Entwicklung lässt die Zulieferer zu gleichwertigen Partnern der Hersteller werden. «Wir sind meist schon früh bei der Konzeption neuer Modelle dabei und können unser Wissen einbringen», sagt Franziska Tschudi, CEO der Kunstofftechnologie-Firma Wicor AG.
Die Erfolgsstory hat einen Wermutstropfen: Die meisten der grossen Firmen lagerten Teile der Produktion in Billiglohnländer aus. In der Schweiz blieben Entwicklung, Forschung und Management.
«Der Standort Schweiz hat nach wie vor seine Vorteile. Produkte mit einem hohen Anteil an Arbeitsleistungen stellen wir jedoch seit zehn Jahren nicht mehr in der Schweiz her», führt Fritz Gantert, CEO der Schaffner AG, aus. Die Firma gehört zu den international führenden Unternehmen für elektromagnetische Verträglichkeit.
Wachstumsmarkt Klimaanlagen
Autos benötigen immer mehr Strom. 12-Volt-Batterien werden in absehbarer Zeit durch 48-Volt-Anlagen ersetzt. Das steigert die Anforderungen an elektromagnetische Verträglichkeit. Schaffner verspricht sich von dieser Entwicklung weiteres Wachstum.
Die meisten Schweizer Zulieferer sind Hightech-Unternehmen und Nischenplayer. Sie stellen Komponenten her, deren Nachfrage künftig steigen wird.
So ist der Neuwagenmarkt in der westlichen Welt zwar gesättigt, doch werden immer mehr Fahrzeuge mit Klimaanlagen, komplexen Airbag-Systemen, Navigation, Infotainment und elektronischen Fahrhilfen verkauft.
In Europa haben heute 70% der Autos eine Klimaanlage. Experten gehen von einer Steigerung auf 90% aus. Die Schweizer Firma Saia ist die weltweit führende Herstellerin von Schrittmotoren für Klimaanlagen. Das Unternehmen hat durch Zukäufe auch seine Position im US-Markt gefestigt.
Viel verspricht sich Saia von der zunehmenden Verbreitung des mit Schrittmotoren funktionierenden elektronischen Kurvenlichts (die Scheinwerfer folgen der Lenkradposition).
Autos werden zu Hardware-Plattformen
Zulieferer entwickeln neue Materialien, die zugleich leichter und verwindungssteifer sind. Neue Kunststoffe dämmen den Lärm und steigern den Komfort. Elektronik und Informatik verwandeln die Autos immer zu Hardware-Plattformen.
Schon heute baut die Industrie im Baukastensystem nicht lediglich innerhalb des Konzerns völlig unterschiedliche Modelle auf derselben Plattform. Plattformstrategie wird auch konzernübergreifend angewandt.
Elektronik und Informatik verstärken diese Tendenz. Für die Stadt wird die Motorenleistung gedrosselt. Das Auto fährt leise und sparsam. Das technisch identische Auto lässt sich elektronisch aber auch so programmieren, dass der Motor seine volle Leistung abgibt und sportlich klingt.
Aluminium und neue Kabel sparen Gewicht
Von der Elektronisierung der Autos profitiert auch die Firma Komax, die fast die Hälfte des Weltmarkts der Kabelkonfektion kontrolliert. Die Verkabelung der Autos nimmt ständig zu.
Komax verspricht sich weiteres Wachstum durch technische Innovationen wie platz- und gewichtsparende Flach- und Folienkabel.
Autoentwickler haben bei Neuentwicklungen nicht nur Kostensenkungen im Pflichtenheft, sondern auch Gewichtsersparnisse. Die Karosserien neuer Modelle im Premiumbereich werden ganz aus Aluminium gefertigt. Bei den Fahrwerken spielt Aluminium eine immer grössere Rolle.
Ein wichtiger Markt für die Schweizer Aluindustrie. «Ich erwarte aus diesem Sektor künftig sehr starke Impulse», sagt Marcel Menet, Direktor des Aluminium-Verbandes.
swissinfo, Andreas Keiser
Die grössten Schweizer Autozulieferer:
Dätwyler: Kunststoffe
Ems: Airbag-Zünder
Feintool: Metallteile
Georg Fischer: Metallguss
Komax: Kabel
Quadrant: Kunststoffe
Rieter: Akustik und Hitzeschutz
Sarna: Kunststoffe
Schaffer: elektro-magnetische Verträglichkeit
Saurer: Antriebstechnik
Sika: Klebetechnik
Wicor: Kunststoffe
Der Automobilsalon Genf findet vom 3. – 13. März 2005 statt.
Gemäss neuen Schätzungen erwirtschaftet die Schweizer Zuliefer-Industrie jährlich mehr als sieben Milliarden Franken Umsatz.
Laut dem Dachverband der produzierenden Industrie, Swissmem, wird jeder zehnte Umsatzfranken in der Industrie mit Produkten für die Autoindustrie gemacht.
Die Bedeutung der Zuliefer-Industrie wird international weiter stark zunehmen.
Eine im Dezember veröffentlichte Studie von Credit Suisse First Boston bezeichnet die Schweizer Zulieferindustrie als «gut positioniert».
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