Bankgeheimnis: Die Schweiz gibt dem Druck nach
Das Einlenken des Bundesrats auf den OECD-Standard bei der Rechtshilfe in Steuersachen sei grundsätzlich positiv zu werten, sagt der Strafrechtsexperte Mark Pieth im Gespräch mit swissinfo. Allerdings hätte der Bundesrat früher handeln sollen.
Mit der Übernahme des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gibt die Schweiz im Bereich der internationalen Amts- und Rechtshilfe die Unterscheidung zwischen Steuer-Hinterziehung und Steuer-Betrug auf.
Damit will der Bundesrat verhindern, dass die Schweiz auf die schwarze Liste der «Steueroasen» kommt.
«Positiv am Abkommen ist, dass es sich um eine multilaterale Lösung handelt. Man muss also nicht mit den Amerikanern und den Europäern separat verhandeln», bilanziert Mark Pieth.
Pieth, der in den vergangenen Monaten in der Frage der internationalen Amts- und Rechtshilfe mehrmals «kreative Lösungen» forderte, weist darauf hin, dass das OECD-Abkommen «schon eine Weile» besteht: «Man hätte sich früher damit auseinandersetzen und zusammen mit andern Ländern wahrscheinlich einen besseren ‹Deal› herausholen können.»
Damit meint Pieth, dass «fahrlässige Steuerhinterziehung ausgeschlossen worden oder eine Mindestschwelle und damit ein Ausschluss kleinerer Beträge eingeführt worden wäre».
Beweise nicht nötig
Dafür sei es nun «definitiv zu spät.». Positiv sei, dass «man mit dieser Lösung einen automatisierten Datenausgleich vermeidet». Einen solchen hatte etwa der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück gefordert.
«Ein Land kann nicht einfach pauschal 50’000 Akten verlangen. Das Vorgehen muss von Fall zu Fall geregelt werden», erklärt Pieth.
«Ausgeschlossen sind auch sogenannte ‹fishing expeditions», also Nachfragen ohne Substanz. Ein Land kann nicht einfach fragen, ob Herr Mugabe oder Herr Zumwinkel in der Schweiz ein Konto habe. Man muss das Bank-Institut und wenn möglich auch die Kontonummer benennen. Es braucht einige Angaben und vor allem auch den Sachverhalt im anfragenden Land.»
Anders als etwa die angelsächsischen Staaten verlange die Schweiz vom ersuchenden Staat allerdings «keine Beweise, sondern lediglich eine kohärente Sachverhalts-Darstellung», so Pieth.
Merz verteidigt späten Entscheid
Finanzminister Hans-Rudolf Merz, der noch vor einer Woche das Bankgeheimnis verteidigt hatte, sagte vor den Medien, die Aussichten, dass die Schweiz am G-20-Gipfel vom 2. April nicht auf der Schwarzen Liste der nicht kooperationswilligen Staaten gebrandmarkt werde, seien «gewaltig gestiegen».
Merz verteidigte auch den Umstand, dass der Bundesrat erst jetzt – und nach andern Ländern wie Liechtenstein, Luxemburg, Andorra oder Österreich – das Bankgeheimnis gelockert hat.
Im Dezember hätte der Bundesrat noch nicht so entscheiden können, wie jetzt, sagte Merz. Damals hätte die Gefahr bestanden, dass Kundengelder nach andern Staaten abgeflossen wären. » Jetzt ist eine andere Dynamik und für uns eine andere Situation.»
Damit die neue Regelung rechtskräftig werde, müsse die Schweiz die mehr als 70 bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen mit andern Ländern neu verhandeln, sagte Merz weiter. Anschliessend müssen diese Abkommen vom Parlament genehmigt werden.
Auch in der Schweiz nicht sakrosankt
Das Schweizer Bankgeheimnis werde «nicht zu Grabe getragen», betonte Merz. Die Schweiz mache nur einen Öffnungsschritt, der mehr Rechtssicherheit und dem Land wieder internationale Anerkennung bringen werde. «Wenn wir unsere Angelegenheiten in Ordnung halten, hat der Staat in unseren Bankbüchlein nichts zu suchen.» Für die Schweizerinnen und Schweizer ändere sich nichts.
«Das Bankgeheimnis besteht nach wie vor», sagt Mark Pieth. «Es geht um die Frage, wann es im Rechtshilfeverkehr durchbrochen werden kann. Bisher war das ausgeschlossen, wenn es sich nicht um Betrug handelte. Das Bankgeheimnis ist aber auch in der Schweiz nicht sakrosankt. Bei Strafverfahren in Steuersachen wird es auch in der Schweiz durchbrochen.»
swissinfo, Andreas Keiser
Die Schweiz ist nicht nur wegen des Bankgeheimnisses, sondern auch wegen ihrer Steuerpolitik seit längerem im Fadenkreuz anderer Staaten oder Staatengemeinschaften. Die wichtigsten Steuerkonflikte der letzten zehn Jahre:
2000: Die OECD setzt die Schweiz auf eine Liste mit 47 Ländern mit «potenziell schädlichem Gebaren» in Steuerfragen.
2004: Schweiz macht Zugeständnisse bei der Besteuerung von Holdings und wird wieder von der Liste gestrichen.
2001-2005: Bei den Verhandlungen mit der EU über die bilateralen Verträge II kommt es in der Frage der Zinsbesteuerung zu Spannungen zwischen der Schweiz und der EU. Mit dem Abschluss der Bilateralen II kann dieser Streit beigelegt werden.
Seit 2005: Streit zwischen der Schweiz und der EU über kantonale Steuerprivilegien für Unternehmen. Die Schweiz weist wiederholt EU-Vorwürfe zurück, diese verstiessen gegen das Freihandelsabkommen von 1972.
2007: Die EU-Kommission erhält vom Ministerrat ein Verhandlungsmandat über den Steuerstreit mit der Schweiz. Der Bundesrat zeigt sich aber nur zu einem Dialog, nicht zu Verhandlungen bereit.
2008: Die Schweiz gerät in den Strudel des deutsch-liechtensteinischen Steuerstreits. Deutsche Politiker verschärfen ihre Drohungen gegenüber Steueroasen «wie der Schweiz».
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