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Bankgeheimnis: Keine Wut auf die Schweiz

Keystone

Der Entscheid der Schweizer Regierung, in internationalen Steuerfragen die OECD-Richtlinien zu übernehmen, sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Michael Reiterer, Botschafter der EU in der Schweiz.

Die Europäische Kommission hat seit dem 3. April 2007 eine eigene diplomatische Vertretung in der Schweiz. Mister Europa in Bern ist der österreichische Botschafter Michael Reiterer.

Die Arbeit ist ihm bis jetzt nicht ausgegangen. Sie reicht vom freien Personenverkehr über die Kontroverse bei den kantonalen Steuerregelungen bis zu den jüngsten Entwicklungen, welche die Schweizer Regierung gezwungen haben, das Bankgeheimnis zu lockern.

swissinfo: Die Schweizer Regierung hat beschlossen, das Bankgeheimnis im Bereich der internationalen Steuerzusammenarbeit zu lockern. Wie bewerten Sie das?

Michael Reiterer: Es war der berühmte Schritt in die richtige Richtung. Noch wichtiger ist aber das Verständnis der internationalen Dimension dieses Entscheids. Es geht nicht nur um die Beziehung der Schweiz zur Europäischen Union, sondern auch zur OECD und zur G-20.

Es geht auch nicht nur um die Austrocknung von Fluchtmöglichkeiten von Geld in die Schweiz. Wir haben das genau so gemacht für Singapur und für Hongkong. Diese Dimensionen muss man berücksichtigen und dann fühlt man sich auch nicht so speziell verfolgt, wie ich den Eindruck habe, dass es hier in der Schweiz aufgenommen wird.

swissinfo: In dieser internationalen Dimension riskiert die Schweiz auf einer schwarzen Liste der Steuerparadiese der OECD und der G-20 zu erscheinen. Genügt die Konzession beim Bankgeheimnis, um diese Gefahr abzuwenden?

M.R.: Das kann ich nicht beurteilen. Die G-20 ist nicht die EU. Es gibt da noch andere wie die Vereinigten Staaten, wie China, wie Japan. Aber diese Diskussion hat eine weltweite Bewegung zum OECD-Standard bewirkt. Der berühmte Artikel 26 der Modellkonvention wird immer populärer und immer breiter angenommen.

Ich glaube, wenn wir uns kollektiv in diese Richtung bewegen, dann wird es nicht mehr so wichtig sein, wer auf welcher Liste, schwarz, grau, oder weiss figuriert. Im Endeffekt kommt es auf das Resultat an.

swissinfo: Die Beziehungen zu Deutschland sind angespannt. Der verbale Krieg zwischen Finanzminister Steinbrück und Schweizer Politikern eskaliert. Wie beurteilen Sie diese Auseinandersetzung?

Michael Reiterer: Das betrifft die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und einem Mitgliedstaat der EU. Deshalb halte ich mich als Botschafter der Europäischen Kommission zurück. Seit ich diesen Posten bekleide, das sind knapp zwei Jahre, habe ich mich immer bemüht, eine Atmosphäre des Dialogs und des gegenseitigen Respekts aufzubauen.

Ich glaube, auf dieser Basis kann man über alle anstehenden Themen diskutieren, egal, ob man Meinungsverschiedenheiten hat oder nicht. Was die EU und die Schweiz betrifft, so haben wir bestehende Verträge, wir haben ein Zinsbesteuerungsabkommen, wir haben das Vertragswerk von Schengen, den Vertrag gegen Betrug (Betrugsabkommen). Wir sind eigentlich gut aufgestellt.

Als Europäische Kommission sind wir dafür, dass nun Doppelbesteuerungsabkommen, die sich auf Artikel 26 des OECD-Musterabkommens beziehen, abgeschlossen werden; dass bestehende Abkommen revidiert werden. Dass wir auch mit Staaten, die noch kein Abkommen haben, solche abschliessen – auch über den Informationsaustausch.

Wir wollen auch ein Antibetrugsabkommen mit Liechtenstein. Wir haben schon unsere Agenda, und wir haben auch klare Vorstellungen, wie wir das machen.

swissinfo: Der Entscheid des Bundesrates, das Bankgeheimnis zu lockern, hat auch Auswirkungen auf das Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU. Der Bundesrat möchte dieses Abkommen anpassen oder sogar aufheben. Wie beurteilen Sie diese Forderung?

M.R.: Der automatische Informationsaustausch und die Zinsbesteuerungsabkommen gehören zusammen. Wir haben 24 Staaten in der EU, welche den Informationsaustausch pflegen, und 3 Staaten haben ein Zinsbesteuerungsabkommen basierend auf der Richtlinie.

Wenn die Schweiz Anliegen hat, kann sie diese natürlich vorbringen und wir werden darüber sprechen. Den automatischen Informationsaustausch, will die Schweiz nicht, wenn ich das richtig verstehe. Sie will mehr Amtshilfe geben, aber das ist nicht Informationsaustausch und dem steht die Zinsbesteuerung gegenüber.

swissinfo: Das heisst, die Schweiz kann nicht beides haben: ein Zinsbesteuerungsabkommen mit reduzierten Quellensteuer und keinen automatischen Informationsaustausch?

M.R.: Wenn es zu einer Anpassung des Zinsbesteuerungsabkommens kommt, was ich mich vorstellen kann, da wir innerhalb der EU darauf hinarbeiten, dass nicht nur physische Personen, sondern auch juristische Personen wie Trusts und Hedge Funds erfasst werden, wird es zu einer Anpassung kommen.

Wenn wir uns in der EU geeinigt haben, werden wir sicher an die Schweiz herantreten. Und wenn diese Wünsche hat, wird sie sie vorbringen können.

swissinfo: Die Schweiz gerät auf internationaler Ebene zunehmend unter Druck. Wäre die Position der Schweiz als EU-Mitglied stärker?

M.R.: Diese Beurteilung überlasse ich gerne der Schweiz. Es ist so, dass eine gut koordinierte Gruppe von 27 Staaten, die nicht gerade die unwichtigsten sind, auf der internationalen Ebene mehr Einfluss haben.

Aber das ist eine Entscheidung, die ich den Schweizern und Schweizerinnen überlasse. Da gebe ich gar keine Empfehlung ab.

swissinfo-Interview: Andrea Arcidiacono

Michael Reiterer leitet die Vertretung der EU-Kommission in Bern, die im April 2007 eröffnet wurde.

Der 54-jährige Österreicher aus Innsbruck war zuvor vier Jahre lang stellvertretender Leiter der EU-Delegation in Tokio.

Einen Teil seines Rechts-Studiums schloss er in der Schweiz ab. 1985 diplomierte der Diplomat in Genf über internationale Beziehungen.

Reiterer ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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