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Beste Gelegenheit für Freihandel mit den USA

Schweizer Exporteure lieben die Art von Leuten, die dieses Abzeichen tragen, nicht besonders. www.namtiti.free.fr

Auf wachsenden Druck aus Wirtschaftskreisen prüft die Schweizer Regierung die Möglichkeit eines Freihandels-Abkommens mit den USA.

Der Bundesrat klärt nun die Möglichkeit von Sondierungs-Gesprächen ab. In einem Bericht ans Parlament sollen Vor- und Nachteile aufgezeigt werden.

Die Landesregierung (Bundesrat) ist an intensiveren Wirtschaftsbeziehungen mit den USA interessiert. Sie ist bereit, die Vor- und Nachteile eines Freihandels-Abkommens mit den USA und dessen Auswirkungen auf die Position der Schweiz gegenüber der EU und der WTO aufzuzeigen.

Ein Sprecher des Volkswirtschafts-Ministeriums erklärte gegenüber swissinfo, die Landesregierung spreche bei einer Klausursitzung am Mittwoch im allgemeinen Rahmen über das Thema.

Konkrete Entscheide seien von dem Treffen, bei dem es um die Aussenpolitik der Schweiz geht, nicht zu erwarten. Die Regierung werde sich aber mit dem Thema der Wirtschaftsbeziehungen mit den USA erneut befassen und vor der Sommerpause einen grundsätzlichen Entscheid fällen.

Klares Signal von US-Botschafterin

Die US-Botschafterin in der Schweiz, Pamela Willeford, hatte jüngst in einem Interview erklärt, dass ein bilateraler Vertrag für beide Seiten vorteilhaft wäre. Das sei das bisher klarste Signal gewesen, dass Washington an einem Abkommen Interesse habe, interpretierten Beobachter die Aussagen der Botschafterin.

Schweizer Wirtschafts- und Exportkreise sind der Ansicht, dass ein Abkommen ihnen konkrete Vorteile bringen würde – etwa den Abbau gewichtiger Zollabgaben sowie Vorzugsbedingungen für den Zugang zum US-Markt.

Martin Naville, der Direktor der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, erklärte, die Politiker sollten jetzt rasch handeln, denn jetzt biete sich «eine einzigartige, begrenzte Gelegenheit», die es zu nutzen gelte.

Wann war der letzte US-Präsident in der Schweiz?

«In den vergangenen Jahren hat sich die Konzentration der Schweiz auf die Kontakte mit der EU zu ungunsten der Beziehungen mit den USA ausgewirkt. Das letzte Mal, dass ein Bundesrat im Weissen Haus empfangen worden ist, geht auf die 1980er Jahre zurück.»

Nach 15 Jahren Fokus auf Europa, so Naville, sei es an der Zeit, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA auf eine solide vertragliche Basis zu stellen.

Die Schweiz müsse allerdings rasch handeln, weil nur ein kleines Zeitfenster bestehe: Anfang Juni 2007 läuft die Kompetenz des jetzigen Präsidenten George W. Bush zum Abschluss von Handelsabkommen aus.

Enger Termin – nächste US-Parlamentswahlen

Effektiv ist der Zeitrahmen gar noch enger, denn neue Handelsvorstösse werden nach den Wahlen zur Halbzeit der Legislatur im November 2006 schwierig anzustossen sein.

«Den ersten Schritt muss die Schweiz selber tun. Alles was die Amerikaner sagen, kann als Ermutigung interpretiert werden. Aber der Ball liegt bei der Schweiz», unterstreicht Naville.

Die USA sind der zweitgrösste Abnehmer von Schweizer Exportware, nach der Europäischen Union. Und die Schweiz ist der achtgrösste Abnehmer im privaten Sektor der USA.

Die Schweiz als gewichtiger Handelspartner

Daneben ist die Schweiz die sechstgrösste Direkt-Investorin in den USA. Im Gegenzug liegt die Schweiz für Investitionen aus den USA auf dem vierten Platz.

Jean-Daniel Gerber, der Chef des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), hatte letzten Herbst in den USA Gespräche geführt, bei denen auch über die Möglichkeit eines bilateralen Handelsabkommens gesprochen worden war.

Bilaterale Freihandels-Abkommen liegen auf der Linie der Regierung Bush. So haben die USA kürzlich eine Serie solcher Abkommen geschlossen, darunter mit Chile, Singapur, Australien und Marokko.

Der Abschluss solcher Abkommen entspricht auch den Leitlinien der Strategie für die Schweizer Aussenwirtschafts-Politik, welche die Regierung im Januar verabschiedet hat.

Direkter Nutzen für Industriegüter-Produzenten

Unmittelbaren Nutzen eines solchen Abkommen hätten die Produzenten von Industriegütern. Für sie ergäbe sich eine Entlastung der US-Zollgebühren in der Höhe von durchschnittlich 4,1%.

Das Abkommen könnte gleichfalls einen gegenüber der Konkurrenz aus der EU begünstigten Zugang zum US-Markt enthalten, und eine Verbesserung der Behandlung von Schweizer Direktinvestitionen durch die USA.

Weiterer Nutzen für die Schweiz entstünde durch den Umstand, dass das Abkommen eine Art Absicherung gegen Isolation für den Fall wäre, dass es eines Tages zu einem Freihandels-Abkommen zwischen der EU und den USA käme.

Problem Schweizer Landwirtschaft

Thomas Pletscher von economiesuisse, dem Verband der Schweizer Unternehmen, sagt, dass aus Schweizer Sicht das grösste Problem rund um ein Abkommen bei der Landwirtschaft liegt. Die USA verlangen nämlich, dass die Schweiz ihren Agrarprotektionismus einschränkt.

Laut Pletscher ergäbe sich für die Schweizer Landwirte als Folge eines bilateralen Abkommens mit den USA eine zusätzliche Import-Konkurrenz günstigerer Nahrungsmittel. Dieses Anliegen geht über den bilateralen Bezug USA-Schweiz hinaus – denn auch die Welthandelsorganisation verlangt im Zusammenhang mit den multilateralen Verhandlungen im Handelsbereich eine Aufgabe des Agrarprotektionismus.

Betroffene Schweizer Banker?

Ein zweites mögliches Problem im Zusammenhang mit dem Abkommen könnte in der Möglichkeit bestehen, dass die USA Bedingungen an das Bankgeheimnis stellt. Die USA könnten den Informationsaustausch als Klausel verlangen.

Doch, so Pletscher, stehe eine solche Bedingung in keinem Zusammenhang mit der Praxis eines Abkommens über den Güterhandel. Andere Freihandels-Abkommen, die mit den USA abgeschlossen worden seien, hätten jedenfalls keine solchen Klauseln enthalten.

Naville von der Handelskammer nennt ein mögliches drittes Hindernis für ein schweizerisch-amerikanisches Abkommen. Es gäbe Leute, die vermuten, dass ein Abkommen mit den USA auch als Präjudiz die Handels-Beziehungen der Schweiz zur EU beeinträchtigen könnte.

Naville selbst meint dazu: «Diese Befürchtungen sind unsinnig, solange wir nicht selbst Mitglieder der EU sind. Wir müssen ja mit unseren Handelspartnern direkt verhandeln.»

Das Abkommen mit den USA sei deshalb «eine wichtige Chance für beide Länder, und es wäre dumm, nicht in die Verhandlungen einzusteigen.»

swissinfo, Chris Lewis
(Übertragung aus dem Englischen von Rita Emch und Alexander Künzle)

Geschäftsleute sind davon überzeugt, dass sich der Schweizer Regierung nun eine einzigartige Gelegenheit bietet, ein bilaterales Freihandels-Abkommen mit den USA zu schliessen.

Sie sind der Ansicht, dass die Schweiz sich in den letzten 15 Jahren zu stark auf die Beziehungen zur EU konzentriert habe – zum Schaden der transatlantischen Geschäftsbeziehungen.

Ein konkretes Resultat daraus wäre die Beseitigung der Einfuhrzölle auf Industrieprodukte.

Die USA sind nach der EU der grösste Abnehmer von Schweizer Produkten.
Die US-Exporte in die Schweiz sind grösser als die nach Indien und Russland zusammen genommen.
Die USA sind das Hauptzielland für Schweizer Direktinvestitionen. Für US-Investoren ist die Schweiz das viertwichtigste Land für Direktinvestitionen.
US-Firmen wählen die Schweiz gerne als Hauptsitz für Europa.

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