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Blick über unternehmerischen Gartenzaun hinweg

Jürg Burri (mi.) im Gespräch mit dem Berner Volkswirtschafts-Direktor Werner Luginbühl (re.) swissinfo.ch

Die Unternehmerinnen und Unternehmer repräsentieren unterschiedlichste Branchen. Doch die Gründe, weshalb sie am Swiss Economic Forum teilnehmen, verbinden sie.

Heraus aus dem Alltag, neue Impulse, Kontakte pflegen, von anderen Lernen, all das in lockerer Atmosphäre, so äussern sich die meisten. Sie wissen, dass das einfache Rezept zum Erfolg nicht existiert.

«Breaking the Rules» – Brechen der Regeln – lautet das Motto des 8. Swiss Economic Forum (SEF). Von den 1200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird am Montag aber wohl kaum jemand den eigenen Klein- und Mittelbetrieb (KMU) gleich auf den Kopf stellen.

Die Visionen der illustren Referenten, beispielsweise des finnischen Zukunftsforschers Kjell Nordströms, quittierten die Unternehmer zwar mit begeistertem Applaus. Eine kleine Umfrage bei Teilnehmern lässt aber eher auf Pragmatismus schliessen, was die Nachbearbeitung angeht.

«Unternehmerischer Gedankenaustausch, Networking, Weiterbildung», lauten Martin Kalberers Gründe für seine Präsenz in Thun. Er ist Chef der Condecta AG aus Winterthur, deren rund 100 Mitarbeiter im Bereich Baumaschinen und mobile Raumsysteme (z.B. Container für Provisorien) tätig sind.

Für Kalberer ist das Forum – sechs Mal war er dabei – mittlerweilen zu einer Art Familie geworden, «viele Leute trifft man immer wieder».

Es geht aber auch ums Geschäft, «schliesslich investiere ich hier Zeit und Geld», sagt Kalberer gegenüber swissinfo. Er habe in Thun schon neue Auftraggeber gewonnen.

Losgelöst vom Tagesgeschäft

Die Forums-Premiere erlebt Felix Scherrer, Geschäftsführer und Mitinhaber der Robusta Swiss Comfort AG. Spezialgebiet der Firma aus Basel mit 80 Mitarbeitenden sind Matratzen und Bettsysteme.

«Es tut gut, sich aus dem Tagesgeschäft zu lösen, neue Trends zu sehen und Althergebrachtes generell zu hinterfragen», erklärt Scherrer.

Er nimmt einen konkreten Anstoss mit: «Mir ist einiges über die Polarisierung der Produkte klar geworden, also über die Aufteilung in ganz Billige und sehr Teure.» Seine Quintessenz: Robusta werde künftig klar in teurere Marken investieren.

Frauen – eine verschwindende Minderheit

Frauen machen am Forum eine verschwindende Minderheit aus. Eine der wenigen Teilnehmerinnen ist Margareta Spogat aus Küsnacht. «Wegen der lockeren, zwanglosen Atmosphäre nehme ich gar nicht so wahr, dass wir nur wenige Frauen sind», sagt die selbstständige Fotografin, die ihre Bilder auch als Kunstkarten vermarktet.

«Ich sehe mich oft durch die Referenten bestätigt, beispielsweise durch Nicolas Hayek. Er unterstrich, wie wichtig es ist, erst mit einer gesunden Finanzierung einen Boden zu schaffen.»

Dies ist für Spogat Anstoss, sich nicht zu verzetteln. «Ich habe viele Ideen, und ich habe in der Euphorie schon viel Geld verloren», erzählt sie.

Für sie, die zum vierten Mal in Thun ist, ist das Forum auch eine Art persönliches Training zum Verkauf. «Ich war zuerst viel zu schüchtern, jetzt werde ich immer selbstsicherer», schildert Margareta Spogat.

Blick über den Gartenzaun

Aus dem Bereich erneuerbare Energien stammt Patrick Hofer, Chef des Photovoltaik-Unternehmens 3S Swiss Solar Systems AG aus Lyss, das für den Award für das beste High-Tech-Jungunternehmen nominiert war, den das Forum vergibt.

«Der Blick über den Gartenhag tut gut», findet der Vorgesetzte von 35 Mitarbeitern, der auch die internationalen Impulse und Diskussionen ohne den sonst üblichen Zeitdruck hervorhebt.

Hofer weiter: «Wir haben am Donnerstagabend Vertretern des Bundesamtes für Energie den Blickwinkel eines Unternehmens dargelegt, aber auch mit Personen aus dem Investment-Bereich und Handwerkern gesprochen.»

Wie stehts um die Stimmung im Land?

Sozusagen alljährliches Heimspiel ist das Forum für den gebürtigen Thuner Jürg Burri, der seit vier Jahren bei der Schweizer Mission bei der Europäischen Union in Brüssel arbeitet. Punkto seiner jährlichen Weiterbildung belege das Forum stets Platz eins.

Es ist für Burri auch zum Barometer geworden, an dem er die Stimmung im Land fühlt und das neueste aus der Schweiz erfährt. Als Teilnehmer seit Beginn weg, ist ihm aufgefallen, dass es am SEF immer weniger Thuner habe, dafür immer mehr Vertreter aus den Wirtschaftszentren. «Dennoch treffe ich noch viele alte Bekannte», freut sich Burri.

Auch für Stefan Bigler von Biella Schweiz, die in Brügg bei Biel beheimatet und im Büromaterialbereich aktiv ist, stehen in Thun eher Erfahrungsaustausch im Vordergrund denn konkrete Geschäfte. «Das Forum dient auch zur Vertiefung von Kontakten, aus denen dann beispielsweise Besuche bei anderen Firmen erfolgt sind.»

Und manchmal tut es auch Bigler gut, sich wieder mal einfachster Erkenntnisse versichern zu lassen, wie am diesjährigen Thuner Forum: «Es gibt nicht ein einziges Erfolgsrezept, vielmehr sind viele kleine Schritte nötig, um Erfolg zu haben.»

swissinfo, Renat Künzi in Thun

Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Betriebe mit bis zu 250 Angestellten, sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft.

Bei 99,7% der 307’000 Schweizer Unternehmen handelt es sich um KMU.

Sie beschäftigen 66,8% der gesamten Arbeitskräfte.

Knapp 90% aller KMU beschäftigen weniger als 10 Mitarbeitende.

Das Swiss Economic Forum wurde 1999 von Peter Stähli und Stefan Linder gegründet.
Das erste Swiss Economic Forum fand 1999 statt.
Heute ist das SEF gemäss Organisatoren das «bedeutendste Wirtschaftstreffen von zukunftsgerichteten und innovativen Schweizer Unternehmen».
Die Teilnehmerzahl ist auf 1200 beschränkt, die Tickets sind jeweils innert einer Stunde ausverkauft.
SEF-Personal: 6 Vollstellen, 12 Bereichsleiter sowie 400 Helfer am Anlass.

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