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Börsenguru spricht von «grösster Krise aller Zeiten»

Keystone

Der Schweizer Börsenguru Marc Faber prophezeit eine lange Durststrecke und den Staatsbankrott Amerikas. Von Kapitalspritzen der Regierungen zur Stimulierung der Märkte hält er nichts.

Der seit über 35 Jahren in Asien lebende Schweizer Marc Faber ist ein Tausendsassa unter den Börsenexperten. Er ist Anlageberater, Financier, Bestseller-Autor, Herausgeber des Börsenbriefes «Gloom, Boom and Doom» und Mitglied in zahlreichen Verwaltungsräten und Anlagekomitees. swissinfo traf Faber in einem Stassencafé eines Mittelklassehotels in Bangkok.

swissinfo: Sie haben den Börsencrash von 1987 und die Asienkrise prophezeit und dadurch Berühmtheit erlangt. Haben Sie auch diese Krise kommen sehen?

Marc Faber: Dass wir eine Kreditblase hatten, ganz klar ja. Ich warne schon seit Jahren davor – nicht nur im Hypothekenbereich. Dass AIG fast verschwunden ist und die UBS-Aktie unter 20 Franken fallen würde, hat natürlich auch mich überrascht.

swissinfo: Ist der Tiefpunkt bereits erreicht?

M.F.: Ich denke, wir sind momentan ziemlich nahe am Tiefpunkt. Aber wir werden sehr lange auf diesem tiefen Niveau verharren.

swissinfo: Sie sind für Ihre gegen die Mehrheitsmeinung laufenden Ansichten bekannt. Zurzeit sind Sie voll auf der Linie mit dem vorherrschenden Pessimismus.

M.F.: Der Unterschied ist, dass ich noch pessimistischer bin als die meisten. Zwischen 1980 und 2007 haben die Leute aus Kapitalgewinnen und nicht aus ihrem Einkommen gespart, denn das Einkommen wurde ausgegeben. Das ging so lange gut, wie das Haus und die Aktien jedes Jahr an Wert zulegten.

Diese Leute sind heute hochverschuldet und beginnen erst jetzt mehr zu sparen, indem sie ihren Konsum herunterfahren. So geht jede Wirtschaft vor die Hunde – Kapitalspritzen der Regierungen hin oder her.

swissinfo: Wodurch unterscheidet sich diese Krise von anderen in der Geschichte?

M.F.: Übertreibungen in einigen Bereichen der Wirtschaft wird es immer geben, während zur gleichen Zeit andere Bereiche unterbewertet sind. In den vergangenen Jahren ging jedoch alles nach oben, Aktien, Rohstoffe, Konsumgüter, Immobilienwerte, Kunst und sogar Obligationen.

Wir sahen die grösste Anlageblase in der Geschichte der Menschheit. Die Situation ist möglicherweise schlimmer als die Weltwirtschaftskrise von 1929.

swissinfo: Regierungen sprechen Garantien aus und schiessen Tausende von Milliarden in die Märkte ein. Ein Fehler?

M.F.: Ja. Die Verluste sind da und jemand hat diese zu tragen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Banken gehen ein und die Stakeholder gehen leer aus wie bei Lehman Brothers. Oder Regierungen pumpen Geld ins Finanzsystem, damit die unfähigen Finanzmanager der Bahnhofstrasse und Wall Street weiterhin in gediegenen Restaurants essen können. Ich bevorzuge klar die erste Variante.

Denn die Folge dieser Staatsinterventionen sind massive Haushaltsdefizite. Um diese zu finanzieren, müssen sich Regierungen Geld beschaffen. Dazu müssen sie Anleihen aufnehmen, was die Staatsverschuldung und Zinszahlungen in die Höhe schnellen lässt. Amerikanische Ökonomen haben die Trends extrapoliert und gehen von einem Staatsbankrott Amerikas aus.

swissinfo: Teilen Sie diese Ansicht?

M.F.: Zu hundert Prozent. Die US-Regierung wird sich in Zukunft jährlich mit mindestens 1000 Mrd. Dollar neu verschulden müssen. Dies bei einer Staatsverschuldung von heute schon 10’000 Mrd. Dollar. Staatliche Programme zur Ankurbelung der Konjunktur sind hierbei noch nicht mal mitgerechnet. Der Regierung wird nichts anderes übrig bleiben, als Geld zu drucken, was langfristig zu Inflation führt.

swissinfo: Lange sah es aus, als ob die Schweiz mit einem blauen Auge davon käme. Ihre Einschätzung?

M.F.: Die Exportindustrie wird extrem hart betroffen sein. An Konkurse, namentlich in der Maschinenindustrie, wird man sich in der Schweiz gewöhnen müssen.

swissinfo: Generelle Frage. Wie erkennen Sie, ob irgendwo eine Blase besteht?

M.F.: Da gibt es ein einfaches Kriterium: Langfristige Nachhaltigkeit. Nehmen Sie eine globale Weltwirtschaft mit einer Inflation von 2% und einem realen, also inflationsbereinigten Wachstum von 3%. Die Regel lautet: Langfristig kann nichts schneller wachsen als das nominelle GDP. Nicht die Unternehmensgewinne und nicht die Anlagewerte. Überall wo etwas pro Jahr 20% raufgeht, da können sie sicher sein, dass eine Blase besteht. Dazu muss man wahrlich kein Genie sein.

swissinfo: Werden Schwellenländer in Asien und Lateinamerika weniger stark betroffen sein?

M.F.: Nein, im Gegenteil. Produzierende Länder werden am härtesten betroffen sein. Vereinfacht kann man sagen, Amerika produziert nichts, die konsumieren nur. Der US-Konsumhunger vergangener Jahre hat das Wachstum vor allem in den Schwellenländern Asiens enorm beschleunigt. Nun wirken die gleichen Kräfte im negativen Sinn.

Als Folge der tieferen Nachfrage werden die Investitionen in Schwellenländern rückläufig sein und die Rohstoffpreise sinken. Länder wie Russland und Brasilien geraten so in Schwierigkeiten. Zudem erachte ich es als möglich, dass Chinas Wirtschaftswachstum auf 3% fallen wird. Massive politische und soziale Unruhen wären die Folge.

swissinfo-Interview: Fabian Gull

1946 in Zürich geboren.

Er promovierte in Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich.

Von 1970 bis 1978 war er bei White Weld & Company in New York, Zürich und Hongkong tätig.

Von 1978 bis Februar 1990 war er Managing Director bei Drexel Burnham Lambert, Hongkong.

1990 gründete er die Investmentgesellschaft Marc Faber Ltd mit Sitz in Hongkong. Diese verwaltete 2007 rund 300 Millionen Dollar.

Faber gilt als pessimistischer Börsenguru, da er vergangene Crashs, nämlich die Japan-Baisse, den Börsencrash von 1987, die Asienkrise und das Platzen der Technologie-Blase 2000 prognostizierte.

Er ist Herausgeber des Gloom Boom & Doom Reports und wird deshalb auch «Dr. Doom» genannt.

swissinfo.ch

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