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Borkenkäfer wüten im Wald

Der Borkenkäfer bedroht Tausende von Bäumen (Bild: ethz.ch) WSL

Der Sommer mit Rekordhitze und Trockenheit hat den Wäldern geschadet: Die Bäume sind geschwächt und verletzlich. Damit sind sie ein gefundenes Fressen für die Borkenkäfer.

Besonders Nadelbäume wie Fichten sind bedroht – zu Tausenden.

«Die Situation ist kritisch», sagt Adrian Meier, Forstingenieur beim Amt für Wald im Kanton Bern. Von den über 170’000 Hektaren Wald sei fast ein Zehntel als bedroht einzustufen.

Besondere Sorgen macht sich Meier wegen der rapiden Vermehrung des «Ips typographus», des so genannten Buchdruckers. Dieser befällt fast nur Fichten – welche rund die Hälfte des Berner Waldes ausmachen.

«Es steht viel auf dem Spiel», gibt Meier zu bedenken. «Für Dörfer und Strassen steigt das Risiko von Lawinen-Schäden und Steinschlag.»

Christian von Grünigen hat als Oberförster im Berner Oberland den Vormarsch der Borkenkäfer beobachtet: «Normalerweise können Bäume sich mit ihrem Harz gegen Borkenkäfer zur Wehr setzen. Aber dieses Jahr sind die Bäume schwach.» Sie hätten schon früh im Jahr zu blühen begonnen und wegen der Trockenheit hätten sie nicht genug Harz bilden können, erklärt er.

Wettlauf mit der Zeit

In seinen Wäldern arbeiten gegenwärtig 100 Personen – fünf mal mehr als normalerweise -, um die Weiterverbreitung des Buchdruckers zu bekämpfen.

Sie kontrollieren Bäume auf verräterische Häufchen aus Holzstaub. Diese sind am Fuss des Stammes, auf Ästen und Blättern zu finden, wenn sich Borkenkäfer in die Rinde fressen.

Wird ein solcher Baum entdeckt, bleibt nichts anderes übrig, als ihn umzusägen und die Rinde mit speziellen Geräten zu entfernen. Dabei drängt die Zeit: Innert nur sechs Wochen entwickelt sich aus den abgelegten Eiern die nächste Generation Buchdrucker – auf der Suche nach neuen bruttauglichen Fichten.

Teure Holzfäll-Aktion

«Pro Tag bearbeiten wir ungefähr 30 Kubikmeter Holz», sagt Urs Imbaumgarten. Er und ein Kollege fällen 200 Bäume in einem Wald im Schatten des Panorama-Berges «Niesen». Die Rinde – wo die Borkenkäfer-Larven brüten – müssen sie mit speziellen Geräten entfernen und entsorgen.

Diese Arbeit kostet rund 75 Franken pro Kubikmeter. Die Berner Kantonsbehörden schätzen, dass die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Borkenkäfer-Befall im kommenden Jahr fünf Millionen mehr kosten werden als veranschlagt.

Woher das Geld kommen soll, ist noch weitgehend unklar. Einen Teil wird der Bund beisteuern.

Geringe Nachfrage nach Schweizer Holz

Wenig beitragen wird der Erlös vom Verkauf der notgefällten Bäume: Der Preis für einen Kubikmeter Holz liegt bei lediglich 40 Franken. Und weder in der Schweiz noch in den Nachbarländern ist die Nachfrage gegenwärtig sehr gross.

«In Österreich, wohin wir das Holz letztes Jahr verkaufen konnten, gab es im vergangenen November einen starken Sturm. Also gibt es dort keinen Bedarf mehr für unser Holz», weiss Oberförster von Grünigen.

Langfristige Fehler?

Von Grünigen betont, dass nicht nur der Rekordsommer für die Borkenkäfer-Plage verantwortlich ist. Nach dem verheerenden Orkan «Lothar» im Jahr 1999 musste mit einer Vermehrung der Borkenkäfer gerechnet werden, allerdings wurde sie nicht in diesem Ausmass erwartet.

Eine Ausrottung mit chemischen Mitteln ist in der Schweiz nicht erlaubt, eingesetzt werden nur Lockstoff-Fallen. Aber die seien nur im Frühling wirkungsvoll, sagt von Grünigen. «Im Sommer ist ein echter Baum für Borkenkäfer einfach attraktiver als eine Falle.»

«Vielleicht haben wir in den letzten 50 Jahren nicht genug Holz geschlagen. In der Schweiz haben wir viele alte Wälder, die werden jetzt von den Borkenkäfern angegriffen», mutmasst der Oberförster.

Auch die Kantone Luzern, Basel und Freiburg haben einen grossen Anstieg der Borkenkäfer-Population gemeldet. Der Kampf wird wohl bis lange in den Herbst weitergehen, weil die Borkenkäfer erst mit dem Wintereinbruch eine Ruhepause einlegen.

swissinfo, Faryal Mirza, Berner Oberland
(Übertragung aus dem Englischen: Philippe Kropf)

Der Buchdrucker (Ips typographus) ist eine von über 100 Borkenkäfer-Arten in der Schweiz.
Im Larvenstadium und als Jungtier frisst er sich durch die Rinde.
Später verlässt er das Nest – hin zum nächsten passenden Baum.

Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beantragt bei Regierung und Parlament zusätzliche 20 Mio. Fr. zur Bekämpfung der Borkenkäferschäden in den Schutzwäldern.

Die Schädlinge haben sich diesen Sommer rasant vermehrt.

Eine Umfrage bei den kantonalen Forstämtern habe Schäden in der Höhe von rund 50 Mio. Fr. ergeben, zur Verfügung steht aber nur rund die Hälfte dieses Betrages.

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