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«Bun Tschlin»: Ein Bio-Bier aus Alpenwasser

Angelo Andina vor der zukünftigen "Bieraria". swissinfo.ch

Die Schweizer Berggemeinde Tschlin im Unterengadin will mit einem süffigen Bier aus Quellwasser ihre Wirtschaft ankurbeln.

Das Bier soll die lokale landwirtschaftliche Produktion besser positionieren. Eine Idee in Einklang mit der neuen Regionalpolitik des Bundes.

Es ist wohl eines der schönsten Engadiner Dörfer. Ein unberührter Dorfkern am Sonnenhang bildet die Fraktion Tschlin in der gleichnamigen Unterengadiner Gemeinde. Doch Tschlin hat ein Problem: Ausser eines Zollfreiladens in der Nähe von Samnaun kommt kaum mehr Geld herein.

Anders als die Nachbargemeinde Vnà, die sich mit einem dezentralen Hotel finanziell retten will, setzt Tschlin zur Förderung seiner Wirtschaft nun auf ein Bier. Eine Marktlücke im Engadin.

«Kornkammer des Engadins»

Was wie eine Bieridee aussieht, hat jedoch durchaus eine Bedeutung für die Region: «Das hat eine gewisse Tradition», sagt Angelo Andina, Gemeindeschreiber von Tschlin und eine der führenden Personen im Projektteam, gegenüber swissinfo.

«Bier wurde früher in Celerina und Susch gebraut.» Ausserdem sei die Region Tschlin/Ramosch früher die Kornkammer des Engadins gewesen.

Doch Tschlin soll nicht vom Bier allein leben: Unter dem Label «Bun Tschlin» ist eine ganze Reihe landwirtschaftlicher Produkte geplant. Das Bier sei einzig das Grundprodukt, so Andina.

«Es geht darum, dass wir auch andere Produkte des Dorfes oder der Region anbieten wollen, vor allem aus der Landwirtschaft.»

Bierfest statt Dividende

Nun ist das Projekt nach einem etwas langsamen Start auf gutem Weg: Das Aktienkapital von 650’000 Franken ist voll gezeichnet.

Am Anfang sei die Dorfbevölkerung noch etwas zurückhaltend gewesen, Aktien zu 500 Franken zu zeichnen, weiss Andina. «Das ist immer so, wenn ein Projekt kommt: Man will zuerst schauen, wie das funktioniert.»

Doch als die ersten Aktionäre aus dem Unterland ihr Vertrauen in das Projekt bewiesen hätten, seien auch aus dem Dorf und dem Engadin viele Aktien gezeichnet worden. «Der Goodwill ist enorm», freut sich Andina.

Die Aktien beinhalten auch ein gesellschaftliches Element: Statt hohe Dividenden verspricht die Organisation ihren Aktionären jedes Jahr ein «Bierfest» zur Generalversammlung in Tschlin.

Bier fliesst ab März

Im Januar nun wird die Kleinbrauerei «Bieraria Tschlin» montiert, im Untergeschoss eines traditionellen Bündnerhauses mitten in der Fraktion Tschlin. «Eine der ersten vollautomatischen Anlagen in Europa», freut sich Andina.

Hier soll aus Tschliner Quellwasser ein qualitativ hochwertiges Bio-Bier gebraut werden. «Wir hoffen, dass wir Mitte März, spätestens Ende März das erste Bier ausliefern können», sagt Andina. Geplant sind 80’000 Liter pro Jahr, später sollen es 120’000 werden.

Dass es ein gutes Bier wird, kann Andina gleich beweisen: Wir verköstigen zwei der letzten Flaschen eines ersten Probelaufs, den die Bierbrauer in spe bereits zusammen mit dem Appenzeller Brauer Locher produziert haben.

Geplant ist ein exklusives Bier, das von diversen Spezialbieren wie beispielsweise einem niedrigprozentigen Frauenbier begleitet wird. In der alten Schmiede wurde bereits eine «Degusteria» eingerichtet, wo das Bier und später auch die weiteren Produkte gekostet und gekauft werden können.

Eine Arbeitsstelle geschaffen

Dort sollen die Mitglieder des Verwaltungsrats und Dritte dem schon gewählten Bierbrauer zu Beginn beim Verkauf zur Hand gehen. Denn dieser soll sich hauptsächlich auf die Produktion konzentrieren können, ist sie für ihn doch noch Neuland.

«Das Ziel ist sicher, dass wir mit der Zeit möglichst viele Arbeitsplätze schaffen», betont Andina. Zu Beginn sei das Risiko noch zu gross, gleich mit mehreren Angestellten einzusteigen.

Doch das Bier soll nicht nur im Dorf, sondern auch in anderen Regionen erhältlich sein. Daher wird nun eine Bedarfs-Analyse erstellt. «Wir werden herausfinden müssen, welches Gebiet wir beliefern müssen, um unseren Absatz auch zu garantieren.»

Im Sinn der Regionalpolitik

Bier als Wirtschaftsmotor für ein Dorf? «Genau», sagt Angelo Andina. Die neue Regionalpolitik des Bundes verlange eindeutig eine aktivere Wirtschaftspolitik der Regionen, besonders der Berggemeinden.

«Es ist in diesem Sinne zu sehen, dass wir auch die Landwirtschaft dazu anhalten wollen, ihre Produkte auf dem direkten Markt anzubieten.»

Die Idee habe auch Bundespräsident Joseph Deiss anlässlich seines Besuchs im Rahmen der neuen Regionalpolitik im August gefallen: «So wie ich das gespürt habe, unterstützt er dieses Projekt.»

swissinfo, Christian Raaflaub, Tschlin

Aktienkapital: 650’000 Fr.
Jahresproduktion: Anfangs 80’000 l/Jahr, später 120’000 l/Jahr
Zur Zeit wurde eine Stelle geschaffen (Bierbrauer)

Die Gemeinde Tschlin besteht aus drei Fraktionen mit total 434 Einwohnern und Einwohnerinnen: Tschlin (173), Strada (147) und Martina (114).

Tschlin ist mit 1533 Metern über Meer die höchstgelegene Fraktion. Strada und Martina liegen im Talgrund auf etwas über 1000 Metern über Meer.

Das Bier wird aus Braugerste aus der Region und Tschliner Quellwasser gebraut. Später sollen weitere lokale landwirtschaftliche Produkte unter dem gleichen Namen verkauft werden.

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