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Bundesgericht soll Unternehmenssteuer beurteilen

Die Sozialdemokraten Susanne Leutenegger Oberholzer und Alain Berset kritisieren die Unternehmenssteuer-Reform als nicht verfassungskonform. Keystone

Die Sozialdemokratische Partei legt beim Bundesgericht Beschwerde ein gegen die Einführung der Dividenden-Teilbesteuerung im Kanton Baselland. Diese sei verfassungswidrig.

Hinter dieser kantonalen Beschwerde stehe ein schweizerisches Interesse. Denn die Teilbesteuerung gleiche in Vielem der Unternehmenssteuer-Reform, die am 24.2. vors Volk kommt.

Die Sozialdemokratische Partei (SP) legt im Kampf gegen die Unternehmens-Steuerreform nach.

Laut der Baselbieter Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer und dem Freiburger Ständerat Alain Berset geht die nationale Vorlage weit über die «Milderung» einer angeblichen wirtschaftlichen Doppelbelastung hinaus: Gegenüber den Löhnen und Renten resultiere eine flächendeckende Unterbesteuerung der Dividenden um über 20%.

In den meisten Kantonen seien die Dividenden von Grossaktionären schon heute unterbesteuert, sagte Susanne Leutenegger Oberholzer. Mit der Ausweitung dieses Systems auf den Bund werde es noch schlimmer.

Damit wachse auch der Anreiz für Unternehmer, sich zum Schaden der Sozialwerke Dividende statt abzugspflichtigen Lohn auszuzahlen.

Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit

Zusätzlich bestärkt sieht sich die SP darin, dass die Vorlage gegen die Steuergerechtigkeit und das Verfassungsgebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstösst.

Die Steuerprivilegien für Grossaktionäre verletzten den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, da die Aktionäre mit einem hohen Gesamteinkommen gegenüber jenen mit einem tieferen Einkommen begünstigt würden, kritisiert Leutenegger Oberholzer.

Verschärft werde das Problem, wenn nicht nur die Kantone, sondern auch der Bund die Teilbesteuerung einführe, wie es mit der Unternehmenssteuerreform II vorgesehen sei.

Beschwerde eingereicht

Wie Leutenegger Oberholzer mitteilte, hat sie gegen die Einführung der Teilbesteuerung im Kanton Baselland inzwischen zusammen mit zwei Mitstreiterinnen Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht.

Gemeinsam mit einer selbständigen Unternehmerin und einer Rentnerin mit eigenem Schneideratelier beanstandet Susanne Leutenegger Oberholzer in ihrer Beschwerde die Teilsatzbesteuerung der Dividenden von qualifizierten Anteilseignerinnen, wie sie das Baselbieter Steuergesetz beinhaltet. Dieses ist vom kantonalen Stimmvolk im vergangenen November gutgeheissen worden.

Das Beschwerde-Verfahren wurde gewählt, weil Bundesgesetze nicht angefochten werden können. Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, müssen 16 Kantone das System wieder aufgeben.

Nach Ansicht der SP käme dann auch das Bundesparlament nicht um eine erneute Gesetzesrevision herum, sollte das «Steuergeschenk für 8400 Grossaktionäre» am 24. Februar vom Volk angenommen werden.

Indirekter Bezug zum Steuerstreit mit der EU

Der Steuerstreit mit der Europäischen Union (EU) sei im Abstimmungskampf um die Unternehmenssteuerreform II zu Unrecht kein Thema, sagen Universitäts-Professoren. Sie warnen, dass gleichwohl ein Zusammenhang bestehe.

Direkt hätten die geplanten Änderungen bei Dividendenbesteuerung und bei kantonalen Kapitalsteuern nichts mit dem Steuerstreit zu tun. Beim Steuerstreit der Schweiz mit Brüssel geht es um die von der EU geforderte Gleichbehandlung bei der Besteuerung von in- und ausländischen Unternehmensgewinnen.

«Doch vergibt man sich mit der Reform den Spielraum für eine Senkung der Gewinnsteuer, und damit für eine elegante Lösung des Steuerstreits mit der EU», sagt Markus Reich, Steuerrechts-Professor an der Uni Zürich.

Bundesrat Hans-Rudolf Merz betonte demgegenüber, lieber schrittweise vorzugehen: Zuerst die Unternehmenssteuerreform II mit der Ausmerzung der Doppelbelastung, dann die internationale Steuerkonkurrenz.

Doch die Steuer-Fachleute an den Universitäten fragen sich, ob weitere Änderungen überhaupt noch möglich sein werden, falls die Unternehmenssteuer-Reform in der bundesrätlichen Vorlage vom 24. Februar vom Volk angenommen würde.

swissinfo und Agenturen

Im Zentrum der Unternehmenssteuer-Reform steht gemäss der Schweizer Regierung die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, namentlich von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und ihrer Eigentümer.

So sollen bei Beteiligungen von mindestens 10% des Aktienkapitals die Dividenden nur noch teilbesteuert werden. Die Gegner der Vorlage stossen sich vor allem an dieser Steuererleichterung.

Das Paket enthält eine Reihe weiterer Massnahmen zur Entlastung von KMU. Sie zielen unter anderem darauf ab, Nachfolgeregelungen steuerlich einfacher und billiger zu machen.

Der Bundesrat, der die Reform unterstützt, beziffert die Ausfälle für den Fiskus mit rund 400 Mio. Franken pro Jahr. Die grössten Einbussen entfallen auf die Kantone. Dem Bund entgingen nur 56 Mio. Franken.

Gegen die Unternehmenssteuer-Reform haben Linke und Grüne das Referendum ergriffen, unterstützt von Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbänden.

Im Juli 2007 reichten sie rund 58’000 Unterschriften gegen die Reform ein.

Die Gegner argumentieren, die Steuerentlastung bevorzuge Kapitalerträge gegenüber anderen Einkommensarten wie Lohn und Rente.

Die Wirtschaft hat ein hochkarätiges Pro-Komitee ins Leben gerufen, um der Steuerreform im Abstimmungskampf zum Erfolg zu verhelfen.

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