Cervelat bald ohne Hülle?
Schreckensvision für Grillfans und andere Anhänger urhelvetischer Küche: Die Schweizer Nationalwurst, der Cervelat, droht ab Herbst ohne klassische Wursthülle dazustehen.
Die praktisch alle Cervelats umhüllenden Rinderdärme aus Brasilien werden wegen einer Importsperre zur Mangelware. Die als Alternative angebotenen Schweinedärme weisen jedoch schwere Nachteile auf.
In der Schweiz werden jährlich rund 100 Mio. Cervelats verzehrt – in den unterschiedlichsten Zubereitungsformen. Sei es fein säuberlich eingeschnitten und aufgespiesst auf einen selbstzugespitzten Stock über dem Lagerfeuer oder auf dem Grillrost, sei es in Scheiben- oder Stäbchenform als Salat oder – zünftig und sehr schweizerisch – als sogenanntes «Waldfest», also roh, nur mit einem «Büürli» (Brötchen) und einem Senfklecks auf dem Pappteller.
Damit die gewürzte Fleischmischung auch richtig fest und prall in den Schweizer Nationalwürsten auf den Verzehr warten kann, sind zu deren Umhüllung 15 bis 20 Mio. Meter feinster Rinderdarm nötig. Dieser stammt zu 80% aus Grossfarmen in Brasilien.
Importsperre
Leider hatte das südamerikanische Land in der Vergangenheit die Vorschriften bei der BSE-Prävention nur sehr lasch eingehalten. Deshalb verhängte die Europäische Union per 1. April 2006 ein Importverbot für Rinderdärme, dem sich die Schweiz anschloss, ohne zu ahnen, was für fatale Auswirkungen dieser Solidaritätsakt haben würde.
Erschreckendes Fazit: Die Schweizer Rinderdarm-Vorräte reichen nur noch bis Anfang September dieses Jahres.
Zwar stünde mit vornehmlich aus Europa und China stammenden Schweinedärmen eine Alternative zur Verfügung, sagte Daniel Mäder, Geschäftsführer der Max Ramp AG Natur- und Kunstdarm in Liestal zu einer Meldung der Neuen Zürcher Zeitung.
Schälen wird zum Problem
Leider aber habe der Cervelat mit Schweinedarm einen entscheidenden Nachteil: Er sei schwieriger zu schälen. Rein optisch merke man das nicht, der Cervelat sehe nämlich gleich aus, egal welcher Darm die Wurst umhüllt. Auch der Durchmesser – die Metzger sprechen vom Kaliber – bleibt bei der Schweinedarmhülle bei 32 bis 34 Millimetern.
Als Alternative könnte man auch Kunstdärme einsetzen. Aber auch diese eignen sich laut Mäder nur bedingt. Cervelats mit Kunstdarm lassen sich schlechter grillieren, sind teurer und die wenigen Anbieter sind bereits heute mehr als ausgebucht.
Intervention bei der EU
Um einem Cervelat-Notstand vorzubeugen, ist der Schweizerische Fleisch-Fachverband beim Bundesamt für Veterinärwesen vorstellig geworden. Das Bundesamt soll bei der EU darauf hinwirken, dass das Zulassungsverfahren mit Brasilien beschleunigt wird. Schliesslich sei der Cervelat in der Schweiz ein «Kulturgut», argumentiert der Verband.
Da die Mühlen der Bürokratie bekanntlich langsam mahlen, stellen sich die Wurstfabriken derweil darauf ein, dass die brasilianischen Rinderdärme ausgehen. Sie nutzen das knappe Angebot aus Argentinien und Uruguay und forcieren Alternativen.
So dürfte trotz der knappen Rinderhüllen die Grill- und Wandersaison 2007 nicht ganz verdorben sein und der Cervelat auch ab Herbst nicht aussterben.
swissinfo, Etienne Strebel
Wie schreibt man den Namen der Schweizer Nationalwurst richtig?
Cervelas oder Cervelat oder Servela oder Zervelat? 1998 hat sich der Schweizer Metzgermeisterverband für «der Cervelas» ausgesprochen – dies gilt übrigens für Ein- und Mehrzahl.
Der Duden jedoch beharrt – auch in der neuen Rechtschreibung – auf Cervelat und Cervelats.
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