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CO2: Ambitiöses Ziel, aber keine Massnahmen

Bundesrat Moritz Leuenberger setzte sich erfolglos für eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen ein. Keystone

Mit einem neuen Gesetz will die Schweiz ihre Klimapolitik ab 2013 regeln und den Klimawandel eindämmen. Der Nationalrat hat sich zwar dafür ausgesprochen, dass der CO2-Ausstoss bis 2020 um 20% gesenkt werden soll. Griffige Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels lehnt er jedoch ab.

Der Weltklimagipfel im Dezember 2009 in Kopenhagen war ein Misserfolg.

Die Staatengemeinschaft konnte sich lediglich darauf einigen, ihren Willen zu bekunden, dass die Erderwärmung um zwei Grad gesenkt werden soll.

Massnahmen, die zu diesem Ziel führen könnten, hat sie keine beschlossen.

Das neue CO2-Gesetz, wie es der Nationalrat nun zurechtgebogen hat, weist eklatante Parallelen mit der Schlusserklärung von Kopenhagen auf.

Der Nationalrat einigte sich zwar auf das Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 20% – bezogen auf 1990 – zu senken.

Gleichzeitig sprach sich der Rat dafür aus, das Reduktionsziel vollumfänglich im Inland zu erreichen und nicht die Hälfte der Emissionen im Ausland zu kompensieren, wie es der Bundesrat vorgeschlagen hatte.

Sämtliche konkreten gesetzlichen Massnahmen, mit denen das Ziel erreicht werden könnte, lehnte die bürgerliche Mehrheit im Rat jedoch ab. Damit hat das Gesetz zwar eine Zielvorgabe, die weitestgehend derjenigen der EU entspricht, nicht aber die Mittel, um das Ziel zu erreichen.

Der Bundesrat möchte im neuen CO2-Gesetz einen Artikel verankern, wonach bei Bedarf eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen eingeführt werden könnte. Konkret heisst das, dass die Regierung Benzin und Diesel verteuern könnte, wenn die Zielvorgaben – also weniger CO2-Ausstoss – nicht erreicht werden, was in den vergangenen Jahren permanent der Fall war.

Unauflöslicher Widerspruch

Umweltminister Moritz Leuenberger machte in der Debatte deutlich, dass die Schweiz punkto Reduktion des CO2-Ausstosses den eigenen Zielen und den internationalen Vereinbarungen hinterher hinkt. So habe der CO2-Ausstoss des Verkehrs um 14% zu-, statt um 8% abgenommen.

«Es wäre unglaubwürdig, wenn der Artikel gestrichen wird», und «ein Widerspruch, der nicht mehr aufzulösen ist», sagte Leuenberger. – Der Appell verfehlte seine Wirkung, die bürgerliche Mehrheit des Nationalrats sprach sich gegen eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen aus.

Berge, Motoren, Abgase

Relativiert hat der Rat die Zielvorgaben für die CO2-Limite bei Neuwagen. Demnach soll in der Schweiz ab 2015 ein durchschnittlicher Flotten-Emissionsgrenzwert von 150 Gramm CO2 pro Kilometer gelten. Die Vertreter der Autolobby im Rat führten die bergige Topographie des Landes ins Feld, die nach stärkeren Motoren verlange.

Der Bundesrat wollte den Grenzwert den künftigen EU-Regeln angleichen, das heisst einen Grenzwert von 130 g CO2/km im Gesetz verankern, was einem Norm-Verbrauch von 5,6 Litern Benzin oder 5,0 Litern Diesel pro hundert Kilometer entspricht.

Weiter geführt werden soll nach dem Willen des Nationalrats die CO2-Abgabe auf Heizöl. Deren Ertrag wird für die Sanierung von Altbauten verwendet und kommt damit auch der Bauwirtschaft zugute.

Allerdings wollte der Nationalrat dem Bundesrat die Möglichkeit nicht geben, diese Abgabe bei Bedarf von derzeit 36 Franken pro Tonne auf 120 Franken zu erhöhen: Für eine Erhöhung auf mehr als 60 Franken braucht es die Zustimmung des Parlaments.

SVP gegen Alleingang

Grundsätzlich unterstützten die Grünen und die Sozialdemokraten die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen. In einigen Punkten wollten sie weiter gehen. Ihre Anträge scheiterten an der bürgerlichen Mehrheit.

Diese wehrte sich gegen zusätzliche, in ihren Augen wirtschaftsfeindliche Abgaben. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) wollte auf das Gesetz gar nicht erst eintreten und argumentierte, die Schweiz könne den Klimawandel nicht im Alleingang verhindern. «Selbst null Emissionen können die Entwicklung nicht stoppen», sagte SVP-Nationalrat Hans Killer.

Ball nun beim Ständerat

Bei der Totalrevision des CO2-Gesetzes handelt es sich um eine Weiterentwicklung der schweizerischen Klimapolitik für die Post-Kyoto-Ära, also für die Zeit nach 2012.

Gleichzeitig gilt sie auch als indirekter Gegenvorschlag auf die von den Sozialdemokraten und Umweltorganisationen lancierte Volksinitiative «Für ein gesundes Klima». Diese verlangt eine in der Verfassung verankerte Reduktion der CO2-Emmissionen um mindestens 30% bis zum Jahr 2020.

Nächste Woche wird sich auch der Ständerat mit der Totalrevision des CO2-Gesetzes befassen.

Andreas Keiser, swissinfo.ch

Die internationale Staatengemeinschaft unternimmt seit dem 31. Mai einen weiteren Anlauf zu einem neuen globalen Klimaabkommen.

In Bonn begannen die Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel im Dezember im mexikanischen Cancun.

Rund 4200 Unterhändler aus 175 Staaten wollen bis 11. Juni einen neuen Verhandlungstext als Grundlage für ein neues globales Klima-Abkommen erarbeiten, wie das in Bonn ansässige Klimasekretariat der Vereinten Nationen mitteilte.

Das bisherige Kyoto-Protokoll läuft 2012 aus.

Umweltverbände pochen auf die Notwendigkeit eines baldigen Nachfolgeabkommens.

Zuletzt war Anfang Mai in Bonn bei einem Klimagipfel versucht worden, die seit der gescheiterten UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen Ende 2009 festgefahrene Debatte wieder in Schwung zu bringen.

Experten sehen die Chancen, dass die Staatengemeinschaft sich bereits in Mexiko auf eine rechtlich bindende Klimakonvention einigen wird, mit Skepsis.

Selbst der Leiter des UNO-Klimasekretariats, Yvo de Boer, hatte die Chancen auf einen baldigen Konsens vor einer Woche als «höchst unwahrscheinlich» eingestuft.

Frühestens beim übernächsten Gipfel 2011 in Südafrika könne damit gerechnet werden.

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