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Das andere Davos trifft sich in Nairobi

Blick auf Kenias Hautstadt Nairobi.

Mehr als 100'000 Personen werden zwischen dem 20. und 25. Januar zum Weltsozialforum (WSF) in der kenianischen Hauptstadt erwartet. Auch eine Delegation aus der Schweiz ist vor Ort.

Das weltweit wichtigste internationale Treffen von Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegung wird dieses Jahr die Situation in Afrika in den Mittelpunkt der Diskussionen stellen.

Das Jahrestreffen 2007 der Globalisierungskritiker beziehungsweise Altermondialisten findet erstmals in Afrika statt. Die neue Ausgabe des WSF folgt auf die dezentralen Veranstaltungen im Vorjahr, die in Venezuela und Pakistan sowie auf Mali stattfanden.

«In den bisherigen Sozialforen dominierten die Lateinamerikaner und Europäer – mit Ausnahme des WSF 2004 in Bombay. In Nairobi wird es möglich sein, auch die Stimme der afrikanischen sozialen Bewegungen zu hören», sagt Pepo Hofstetter, Sprecher von Alliance Sud. Diese Arbeitsgemeinschaft mehrerer Hilfswerke organisiert zusammen mit der Nichtregierungsorganisation E-Changer die Reise einer Schweizer Delegation ans WSF.

Der Fokus auf Afrika spiegelt sich auch im Programm des WSF. In den Seminaren und Workshops werden viele Themen behandelt, die für den schwarzen Kontinent von lebenswichtiger Bedeutung sind: Aids, Migration, kriegerische Konflikte, Auslandsverschuldung sowie die Situation der Frauen.

Für den Brasilianer und WSF-Mitbegründer Chico Whitaker kann das diesjährige Weltsozialforum «ein wirkliches Treffen der Völker werden, in dem die afrikanischen Länder auf die Welt stossen und die Welt auf Afrika.»

Raum für die Zivilgesellschaft

Doch vor dem WSF in Afrika sind auch kritische Stimmen aufgekommen. So wird befürchtet, dass angesichts der relativ schwachen Präsenz lokaler afrikanischer Bewegungen das Forum vor allem ein Schauplatz für die grossen Nichtregierungs-Organisationen und die Kirchen wird.

«Das Forum kann aber sicherlich einen Beitrag zum Aufbau einer Zivilgesellschaft in Afrika leisten, die lange von diktatorischen Regimes unterdrückt wurde», meint SP-Nationalrat Carlo Sommaruga. Er gehört zur kleinen Gruppe von drei nationalen Parlamentariern, die Teil der Schweizer Delegation ist.

Diskutiert wird mit Sicherheit auch über die aktuelle Lage in Afrika. Besonders kritisch ist zur Zeit die Situation in Ostafrika, vor allem in Somalia und im Sudan. «Die wirtschaftlichen Probleme dieser Region könnten die grossen strategischen Fragen ins zweite Glied rücken lassen», meint Sergio Ferrari, Sprecher von E-Changer.

Die Dynamik des Weltsozialforums

Erstmals fand das Weltsozialforum 2001 in der brasilianischen Stadt Porto Alegre statt. Seither ist das WSF enorm gewachsen. „Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ», meint Ferrari.

Seiner Meinung nach haben die regelmässigen Treffen zu einer stärkeren Vernetzung und Konsolidierung der sozialen Bewegungen geführt. Diese Ansicht vertritt auch Vania Alleva vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, die zum zweiten Mal ans WSF fährt. „Am Forum kann man Kontakte mit Bewegungen auf der ganzen Welt knüpfen. Dies ist für eine Gewerkschaft fundamental.»

In Nairobi werden neben den Diskussionen über Afrika auch die Debatten um die Zukunft des WSF sehr wichtig sein. Ein Teil der Bewegung ist der Ansicht, dass das Forum an Bedeutung eingebüsst hat und fordert ein klares politisches Programm. Ein anderer Teil der Bewegung will, dass das Forum einfach ein offener und lebedinger Raum für Diskussionen bleibt.

Was kann das WSF bringen? „Von Nairobi erhoffe ich mir den Übergang von einer Dimension des Widerstands gegen die Globalisierung zu mehr koordinierter Aktion in Hinblick auf konkrete Alternativen zur bestehenden Gesellschaft», meint Carlo Sommaruga.

Schweizer Präsenz

Die Schweizer Delegation am WSF besteht aus 35 Personen, darunter Parlamentarier, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschafter, Journalisten sowie zwei Funktionäre der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), dem Schweizer Ministerium für Entwicklung.

«Die Delegation ist etwas kleiner als 2005 und 2006, aber mit einer starken Vertretung von Seiten der Gewerkschaften», sagt Sergio Ferrari. Viele Schweizer Organisationen beteiligen sich – in Zusammenarbeit mit ihren internationalen Partnern – aktiv an Veranstaltungen oder Diskussionsforen.

swissinfo, Andrea Tognina
(Aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Das Weltsozialforum ist das wichtigste Treffen von Nicht-Regierungsorganisationen und sozialen Bewegungen, die gegen die neo-liberale Globalisierung opponieren.

Das WSF entstand als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF), das zur gleichen Zeit stattfindet.

Im Gegensatz zum exklusiven Kreis der Konzernchefs und Spitzenpolitiker, die sich beim WEF exponieren, steht das WSF allen Menschen offen.

Das Weltsozialforum steht seit seiner Gründung 2001 unter dem Slogan: «Eine andere Welt ist möglich.»

Im Rahmen des WSF unterstützt Alliance Sud – ein Zusammenschluss der sechs wichtigsten Hilfswerke der Schweiz – vor allem die Schaffung eines Netzwerks für Steuergerechtigkeit in Afrika (als Teil des globalen Tax Justice Network) sowie Initiativen für das Recht auf Wasser.

SP, Gewerkschaftsbund und Arbeiterhilfswerk nehmen an der Lancierung einer internationalen Kampagne namens „Decent work for decent life» (Menschenwürdige Arbeit für alle) teil.

Das Hilfswerk Fastenopfer organisiert in Zusammenarbeit mit dem CISDE (Internationale Kooperation für Entwicklung und Solidarität) ein Seminar über die Auswirkungen von Gas- und Ölgewinnung auf die Entwicklung von Ländern.

Terres des hommes Schweiz präsentiert ein Kunstprojekt mit 20 Jugendlichen aus Kolumbien, der Schweiz und einigen afrikanischen Ländern.

Wie schon 2005 nimmt auch dieses Jahr ein Gruppe von Genfer Studenten am WSF teil.

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