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Das endlose Problem mit der Endlagerung

Fässer mit radioaktivem Inhalt im Zwischenlager in Würenlingen, Kanton Aargau. Keystone

Nach 30 Jahren Ringen um die Suche nach einem Schweizer Atommüll-Endlager ist immer noch keine Lösung in Sicht. Der Weg dazu ist noch lang.

Die Schweiz behält sich bei der Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen in Ausnahmefällen auch eine internationale Option vor.

Das seit Februar 2005 geltende neue Kernenergiegesetz bestimmt, dass der Schweizer Atommüll grundsätzlich im Inland endgelagert werden muss. Auch das Bewilligungsverfahren ist neu geregelt: Der Standortkanton hat kein Mitentscheidungsrecht mehr, der Bundesrat allein befindet über ein Endlager.

Für die weitere Suche nach einem Endlager-Standort hat Energieminister Moritz Leuenberger einen Beirat eingestellt. Mit dessen Hilfe will er den Findungsprozess breit abstützen und sich dabei nicht nur auf Benken im Zürcher Weinland festlegen. Es soll auch nach Alternativstandorten gesucht werden, etwa in den Kantonen Aargau und Solothurn.

Langwieriger Prozess

Gegen ein atomares Endlager in Benken hat sich in Österreich bereits Widerstand geregt. Auch aus Deutschland ertönte scharfe Kritik.

In der Herbstsession machte der Ständerat, die Kleine Parlaments-Kammer, Druck für rasche Entscheide bei der nuklearen Entsorgung. Bundesrat Leuenberger rechnet damit, dass die Entscheide über den Entsorgungsnachweis für hochradioaktive Abfälle und das Verfahren für die Standortwahl eines geologischen Tiefenlagers erst in der zweiten Hälfte 2006 fallen. Die Standortwahl sei für 2010 vorgesehen.

Sollten weitere Sondierbohrungen nötig sein, könnte sich der Standortentscheid gemäss Leuenberger gar bis 2014 verschieben. Und Werner Bühlmann, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie, rechnet mit der Inbetriebnahme eines Endlagers nicht vor 2040.

Blickt auch die Schweiz ins Ausland?

Die Schweiz behält sich in Sachen Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen auch eine internationale Option vor. Sie beteiligt sich mit schweizerischen Firmen – je ein Vertreter der Kernkraftwerke und der Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) – an einem EU-Forschungsprojekt für ein multinationales Atommüll-Endlager im Ausland. Das Projekt (SAPIERR), an dem 14 europäische Staaten beteiligt sind, evaluiert einen Standort. Es wird vom Büro «Arius» mit Sitz in der Schweiz koordiniert.

Laut dem Projekt-Verantwortlichen Charles McCombie wurde an einer SAPIERR-Abschlussitzung in Brüssel eben eine Liste erstellt «mit weiteren Evaluations-Abklärungen, die man machen könnte». Einen festen Standort gebe es aber überhaupt noch nicht, sagt McCombie gegenüber swissinfo.

Russland out

Als möglicher Endlager-Standort war im Mai 2004 noch Russland genannt worden. McCombie hatte dazu gegenüber Radio DRS erklärt: «Russland hat Interesse angekündigt an der Aufnahme anderer Abfälle, die es zusammen mit seinen grossen Mengen eigener Abfälle einlagern würde.» Allerdings müsste man dazu ein «ganz neues Niveau von internationalen Kontrollen» brauchen.

Heute tönt es anders. McCombie zu swissinfo: «SAPIERR hat überhaupt nichts mit Russland zu tun. Wir wollen innerhalb der EU nach regionalen Lösungen suchen. Das ist die Politik der EU, Russland war nie vorgesehen.»

Die Schweiz hat laut McCombie offiziell mehrmals klar ihr Interesse an einem internationalen Endlager für hochradioaktive Abfälle geäussert. «Die zweigleisige Politik der Schweiz – eine Inland- und eine Ausland-Option für die Endlagerung des Atommülls – ist ein gutes Beispiel.»

Dieser Aussage widerspricht Michael Aebersold vom Bundesamt für Energie (BFE). Von Bundesseite sei man nicht am SAPIERR-Projekt beteiligt, sagt er gegenüber swissinfo. Und die schweizerische Gesetzgebung sehe die Entsorgung grundsätzlich in der Schweiz vor. «Wir wollen jetzt zielstrebig in der Schweiz Lösungen vorbereiten», so Aebersold.

Internationale Lösung doch plausibel?

Nach der jüngsten Ost-Erweiterung der Europäischen Union (EU) sind es nun 13 Mitgliedstaaten, die Kernenergie nutzen. Da ist Bedarf für koordiniertes Vorgehen vorhanden.

«Natürlich könnten ein oder zwei internationale Endlager kostenmässig günstiger sein als eigene nationale», sagt Aebersold. Wenn die Schweiz aber überhaupt ein internationales Endlager ins Auge fassen würde, müsste dieses hohen Sicherheitsstandards genügen und dürfte nicht gegen Völkerrecht verstossen.

Auch die Angst vor dem Nuklear-Terrorismus treibt die Staaten vermehrt zu einer internationalen Kontrolle der radioaktiven Abfälle. «Eine multilaterale Lösung ist seit September 2001 wesentlich mehr akzeptiert», so McCombie. «Die Gewährleistung der Sicherheit für vielleicht 29 Endlager in Europa ist sicher schwieriger als für eine oder zwei Anlagen.»

Eine Meinung, die auch die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) teilt. Ihr Generaldirektor, Mohammed El Baradei, betont schon seit zwei Jahren, man müsse internationale Lösungen zur Handhabung der hochradioaktiven Abfälle in Betracht ziehen.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

In der Schweiz gibt es vier AKW mit total fünf Reaktoren.

Das erste AKW wurde 1969 (Beznau) ans Netz geschaltet.

Durchschnittlich 38% (im Winter bis 45%) der Schweizer Elektrizitäts-Produktion wird durch AKW gedeckt.

Die Schweiz hat noch kein Endlager für radioaktive Abfälle.

Seit dem 1. Februar 2005 hat die Schweiz ein neues Kernenergiegesetz. Dieses verlangt, dass der von der Schweiz produzierte Atommüll grundsätzlich im Inland endgelagert wird.

Ein Teil des verbrauchten Kernbrennstoffs aus den Schweizer Atomkraftwerken wird in die Wiederaufbereitungs-Anlagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (England) exportiert.

Die Schweiz ist verpflichtet, bei der Wiederaufbereitung entstehenden hochradioaktiven Abfall – etwa 12 Kubikmeter pro Jahr – zurückzunehmen. Dieser Abfall wird in Würenlingen, Kanton Aargau, zwischengelagert.

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