Das grüne Wasser des Vierwaldstättersees
Eine realistische Glanzleistung
Am Fusse der Berge erstreckt sich eine grüne Fläche bis ins Urnertal. Die Farbe liegt irgendwo zwischen Smaragd- und Tannengrün, schwierig zu definieren. Sicher aber ist: Sie ist einmalig. Nirgendwo sonst gibt es so etwas, ausser vielleicht in der Karibik.
Um den Vierwaldstättersee gibt es keine Piratengeschichten, dafür die Erzählung eines Sohnes der Region, der zum Nationalhelden und zum Schutzheiligen der Seefahrer geworden ist. In der Tell-Sage nimmt das Wasser einen strategischen Platz ein.
Als Tell verhaftet wurde, brachte man ihn im Boot zum Verlies im Küssnachter Schloss. Doch dann kommt Föhn auf. Und mit ihm ein Sturm. Man erklärt Gessler, nur Tell könne sie retten, da er mit einem Boot ebenso gut umgehen könne wie mit der Armbrust.
Der Landvogt lässt seinem Gefangenen die Ketten abnehmen, und der stellt sich ans Steuer. Tell bringt das Boot sicher zum Ufer des Axen. Als sie nah genug sind, ergreift er seine Armbrust, rettet sich mit einem Sprung auf die Felsplatte und stösst das Boot zurück in den See.
Sieben Jahrhunderte später fahren auch wir mit dem Schiff über den Vierwaldstättersee. Heute hat es keine Wellen. In der Ferne sehen wir den ewigen Schnee auf den Gipfeln der Urner Berge. Links der Rigi, den eine Zahnradbahn erklimmt.
Kapitän Roger Maurer empfängt uns an Bord des Schiffes, das die Touristen von Brunnen zum Rütli bringt und dann nach Flüelen weiterfährt. Laut der Sage fuhr Tell die gleiche Strecke, aber in umgekehrter Richtung.
Maurer kennt den See gut. Ebenso dessen Gefahren. «Wenn Wind aufkommt, kann der See unberechenbar werden. Nur wer die Region gut kennt, hat eine Chance, sicher ans Ufer zu kommen. Deshalb scheint mir die Geschichte von Tells Sprung sehr gut möglich.»
Zu Tells Zeiten waren die Boote viel kleiner und hatten keinen Motor. Der Sturm konnte sie wie Nussschalen herumwerfen.
Wasser als Verbindung zwischen den Dörfern
Damals war das Wasser auch wichtig im Alltag der Menschen: Es war der einzige Verbindungsweg zwischen den Dörfern des Tals.
Noch heute transportiert die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees jedes Jahr über zwei Millionen Passagiere.
Darunter viele, die auf dem Weg der Schweiz die Geburtsstätte ihrer Heimat besuchen wollen. Der Weg wurde zur Siebenhundertjahrfeier der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschaffen und führt um den mittleren Teil des Vierwaldstättersees.
Patriotischer Weg
Vom Schiff aus sieht man die Tellskapelle vorbeiziehen. Etwas später taucht der Schillerstein auf. Man gab dem Naturdenkmal diesen Namen im Gedenken an Friedrich Schiller, als sich dessen Geburtstag zum hundertsten Mal jährte.
Und schliesslich die wichtigste Etappe des patriotischen Wegs: Um das Rütli kommt niemand herum. Von der Landestelle aus klettert man etwa zehn Minuten hoch bis zu dieser Urwiese.
Kurz vor dem Anlegen vertraut uns Kapitän Maurer an, dass er sich den Werten, für welche diese Orten stehen, nahe fühlt. «Bei meiner Arbeit denke ich oft an Wilhelm Tell. Er ist ein Held aus unserer Region und zusammen mit dem Rütli ist er Teil unserer Identität.»
swissinfo, Daniele Papacella und Alexandra Richard
(Übertragen aus dem Französischen: Charlotte Egger)
Die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees transportiert über zwei Millionen Personen pro Jahr.
Sie besitzt 5 Schiffe mit Schaufelrädern und 15 Motorschiffe.
Entlang dem Seeufer gibt es auf einer Länge von 38 km 33 Landestellen.
Im Mittelalter gelangte man am schnellsten und sichersten übers Wasser von einem Dorf zum anderen im Urnertal. Nur einige Maultierpfade verbanden die Region mit dem Rest der Welt.
Auch in der Sage von Wilhelm Tell nimmt das Wasser einen strategischen Platz ein.
Dank seiner Geschicklichkeit beim Lenken eines Bootes im Sturm konnte Tell sich von Gesslers Schiff retten, das ihn ins Gefängnis von Küssnacht bringen sollte.
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