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Das «Jein» des Verhandlungsführers bei der WTO

Botschafter Luzius Wasescha ist der Schweizer Verhandlungsführer bei der WTO. Keystone

Laut dem Schweizer Verhandlungsführer bei der Welthandelsorganisation (WTO) sind die Kompromissvorschläge eine gute Basis. Doch muss sich die Schweiz für Korrekturen einsetzen, glaubt Luzius Wasescha.

Dieser erneute Versuch, die Doha-Runde zu retten, wäre im Moment für die Schweiz schwer zu verdauen.

«Die beiden Projekte sind zu gut, um abgelehnt zu werden, aber gleichzeitig zu schlecht, um akzeptiert zu werden», sagte der Schweizer Verhandlungsführer Luzius Wasescha.

Aus Sicht der Schweiz und der G-10, der von der Schweiz präsidierten Gruppe der zehn grössten Agrarimporteure, gebe es noch zahlreiche Probleme. Zum momentanen Zeitpunkt wäre die «Pille schwer zu schlucken», meinte Wasescha weiter.

So sieht der Kompromiss in der Landwirtschaft etwa vor, dass die Industriestaaten die höchsten Agrarzölle um 65 bis 75% senken. Dieser Prozentsatz ist laut dem Schweizer Botschafter immer noch zu hoch angesetzt.

«Für die Schweiz, wo 44% der Zölle gesenkt werden müssten, wäre dies ein Schock», sagte Wasescha. Man werde deshalb bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen im September für Korrekturen kämpfen.

Mangelnde Kompromissbereitschaft

Die Schweiz bedaure auch das fehlende Engagement zur Ausweitung des Schutzes geographischer Angaben. Bei den industriellen Produkten sei die vorgeschlagene Reduktion der Zölle «sehr bescheiden».

«Einige Entwicklungsländer wollen alles in der Landwirtschaft, ohne auf dem Gebiet der Industriegüter etwas herzugeben», sagte der Botschafter in Anspielung auf die Position der Gruppe der G 20, zu der unter anderem Brasilien, China und Indien gehören. Zudem gäben die USA nur wenig nach und wollten das Maximum herausholen.

Der Botschafter ist zwar immer noch der Hoffnung, dass die Doha-Runde, die seit 2001 anläuft, Ende Jahr oder Anfang 2008 abgeschlossen werden kann. Dennoch setze er ein Fragezeichen, sagte Wasescha, denn bei den übrigen Dossiers, wie zum Beispiel bei den Dienstleistungen, sehe er «nichts Greifbares».

Die Zeit drängt

Nach Einschätzung von Diplomaten könnten die Verhandlungen im September vorankommen und im Oktober zur Unterzeichnung eines Vertrags über die Vorgehensweise führen.

Definitiv abgeschlossen werden müsste das Engagement der Verhandlungsstaaten im Frühling, bevor die amerikanische Präsidentschaftswahl eine weitere Beteiligung der USA verhindern würde.

Bis Freitag diskutieren die 150 WTO-Mitgliedstaaten noch die Kompromissvorschläge in Genf, bis die Verhandlungen für die Sommerpause im August unterbrochen werden.

swissinfo und Agenturen

Die 150 Mitglieder der WTO verhandeln über eine grössere Liberalisierung des Handels im Rahmen der 2001 lancierten Doha-Runde.

Die Länder sind sich nicht einig über das genaue Niveau der Zollsenkungen, über die internen Reduktionen der Agrarsubventionen und über den Grad der Flexibilität für die Entwicklungsländer bei der Öffnung ihrer Märkte.

Im Rahmen dieser Verhandlungen präsidiert die Schweiz eine Gruppe von Ländern (G 10), die Agrar-Importeure sind.

Im Agrardossier ist die Schweiz zurückhaltend. Sie setzt sich für eine Liberalisierung der Dienstleistungen und eine Senkung der Zolltarife auf Industrieprodukten ein.

Nach mehreren Versuchen, die Verhandlungsrunde wieder zu beleben, haben die Präsidenten der Arbeitsgruppe «Landwirtschaft» und «Industrieprodukte» letzte Woche einen zweifachen Kompromissplan vorgelegt.

Der Vorschlag enthält genaue Zahlen bezüglich Reduktion der Zolltarife für Agrar- und Industrieprodukte sowie dem Zugang zum Markt.

Die Mehrheit der Regierungen scheint diesen Doppelkompromiss als Fortschritt zu betrachten. An den Verhandlungsrunden, die diese Woche in Genf stattfinden, kann das Risiko eines endgültigen Bruchs der Verhandlungen und damit das Ende der Doha-Runde abgewendet werden.

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