Das Kreuz mit dem Kommerz
Das Schweizer Kreuz hat sich vom blossen Bundeswappen zum hippen Design-Markenzeichen gemausert.
Das Berner Museum für Kommunikation zeigt mit der Ausstellung «Weiss auf Rot – United Colours of Switzerland», wie es um den aktuellen Gebrauch des Schweizer Kreuzes steht.
«Seit einigen Jahren taucht das Schweizer Kreuz an Orten auf, wo man es früher nie sah», sagt Jakob Messerli, Direktor des Museums für Kommunikation in Bern. «Auf Handtaschen oder Crèmeschnitten beispielsweise….»
In den vergangenen Jahren hat das Schweizer Kreuz eine erstaunliche Wandlung durchgemacht, und zwar nur im Zusammenhang mit seiner Verwendung, nicht in seiner Form.
Mit dem Kreuz kommt die Swissness
«Mittlerweile wurde es als hippes Design-Ornament entdeckt», umreisst die Hochschule der Künste Bern (HKB) das Phänomen. In der Werbung sei es präsent wie noch nie, und vor allem Lebensmittel-Hersteller rückten es auf ihre Produkte, in ihre Logos und nutzen es als Teil ihrer Marketingstrategie.
Dies sei nur möglich, sagen die Gestaltungs-Profis von der HKB, weil dieses Zeichen in seiner Erscheinung so prägnant und in seinen Bezügen so vielseitig sei.
Mit dem Wappen kommt die Bezeichnung «Swiss» als Imageträger und Herkunftsbezeichnung. Unternehmen bauen sie als Wort- und Bildmarke ins Logo ein.
Der Marketingleiter des Museums, Alberto Meyer, verweist darauf, dass das Kreuz mittlerweile auch als dekoratives Element auf unzähligen Modeartikeln zur Schau getragen werde.
Begleit-Publikation
Die HKB wirkt bei der Ausstellung als Partnerin des Museums: Die Schule kümmerte sich um das «Visuelle», das Museum um das «Kommunikative» – und das Schweizer Kreuz als Ganzes sei «visuelle Kommunikation», sagt Messerli.
Als Begleitung der Sonderausstellung «Weiss auf Rot: United Colours of Switzerland» steuert die HKB eine Publikation bei. Diese fasst das Teilprojekt «Marke Schweiz» unter dem Titel «Das Schweizer Kreuz zwischen nationaler Identität und Corporate Identity» zusammen.
«Als Absender auf dem Milchprodukt»
Darin wird nicht nur soziologisch, historisch oder im Rahmen von Corparte Design über das Thema Schweizer Kreuz und Identität reflektiert, sondern es kommen auch Wirtschaftsführer und Politiker zu Wort.
Beispielsweise wird gefragt, weshalb der Milchverwerter Emmi seinen Jogurts und Drinks ein Schweizer Kreuz aufdrückt. Dazu Emmi-CEO Walter Huber im Interview mit den HKB-Autoren:
«Mit der Öffnung der Märkte haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie sich Emmi positionieren muss.» Die Emmi-Führung habe dann beschlossen, durch Verwenden des Schweizer Kreuzes die Swissness stärker zu betonen, «und quasi den Absender auf den Produkten anzubringen».
Huber wolle, so die HKB-Autoren, einerseits die «heile Welt» der Berge und der Sauberkeit exportieren, und andererseits die Aufbruchstimmung der Schweiz mitprägen, die sich zumindest in seiner Branche abzeichne.
Neue «Verwertung» des Schweizer Kreuzes
Die nationale Ikone, früher neben der Armbrust das patriotische Symbol schlechthin, hat sich zum Konsumgut-Symbol gewandelt – beflügelt durch Ereignisse wie das Swissair-Grounding (Heckflossen-Symbolik) oder auch die Expo.02.
Dieser Weg vom politischen Bezug hin zur Marke ist nicht zuletzt auch von den «Stars and Stripes» (USA) und dem Union Jack (England) her bekannt. Nun habe die «Entkrampfung des Verhältnisses zum Wappen» offensichtlich auch Schweizerinnen und Schweizer erreicht.
«Swissness geniesst wachsende Beliebtheit», so Meyer. Gleichzeitig verschwimme die Bedeutung des Schweizer Kreuzes und des Qualitätsbegriffs «Swiss made».
Keine historische Ausstellung
«Es geht in dieser Ausstellung weder um die Geschichte des Weissen Kreuzes noch um seine Verwendung im politischen Kontext», präzisiert Messerli gegenüber swissinfo.
«Es geht um das Eindringen des Kreuzes in den Kommerz.» Deshalb sei die Ausstellung auch als Shopping Mall strukturiert.
Sie zeigt beispielsweise auch, wie die Swissair mit dem Weissen Kreuz noch anders umging als die heutige Swiss Air Lines. Die Ausstellungsobjekte verkörpern dabei Werte, Produkte und Botschaften, die unter der Marke «Schweiz» vermittelt werden.
Zwischen Patriotismus und Life Style
Der nationale Appell werde mit einem leichten Augenzwinkern zum Verkaufsargument, schreibt das Museum für Kommunikation. Damit oszilliere die Marke «Schweiz» zunehmend zwischen Patriotismus und Lifestyle. Heimatgefühle würden zum Konsumgut.
Es bleibe die Frage, ob das Schweizer Kreuz damit mit neuem Symbolgehalt gefüllt werde oder seinen Sinn völlig verliere.
Anti-Einbürgerungs-Initiativen und T-Shirt von Anita Fetz
Die Funktion des Schweizer Kreuzes im politischen Streit wird in der Museums-Ausstellung ausgeklammert, doch kommt die HKB-Publikation darauf zu sprechen.
Die politische Propaganda mit Fahnen und Wappen ist gerade von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in den letzten Jahren stark forciert worden.
Hier geht es nicht um Crèmeschnitten oder Accessoires: Das Schweizer Kreuz wird zum Symbol für Grenzziehung, Sicherheit und Wohlstand.
Und die sozialdemokratische Ständerätin Anita Fetz, die schon früh mit dem roten T-Shirt Furore machte, sagt im Interview mit den HKB-Autoren: «Es gibt kein politisches Monopol aufs Schweizer Kreuz.»
swissinfo, Alexander Künzle
Die Ausstellung zeigt den aktuellen Gebrauch des Schweizer Kreuzes in Staat, Wirtschaft, im Sport und der Alltagskultur.
Sie stellt Fragen nach der neuen Rolle des ehemals ausschliesslich für staatliche Zwecke verwendeten weissen Kreuzes.
Schauplatz der Ausstellung ist eine stilisierte Shopping Mall mit Leuchttafeln, Schaufenstern, Kiosken, Produkten.
Überall zeigt sich die unterschiedliche Verwendung der Marke «Schweiz».
«Weiss auf Rot – United Colours of Switzerland».
Sonderausstellung im Museum für Kommunikation, Bern.
15. Oktober 2004 bis 28. August 2005.
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