«Das schlimmste wäre ein Meter Neuschnee»
SBB-Chef Benedikt Weibel ist überzeugt, dass mit dem neuen Fahrplan am 12. Dezember eine neue Phase des Bahnreisens beginnt.
Im Gespräch mir swissinfo gibt sich Weibel überzeugt, dass die Bahn 2000 den öffentlichen Verkehr attraktiver macht.
Mit dem Winter-Fahrplan ändern sich in der Schweiz die Abfahrtszeiten von 90% der Züge. Das Herz der Bahn 2000 ist die 45 Kilometer lange Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist.
swissinfo: Inwiefern wird die Bahn 2000 mit der Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist das Reisen in der Schweiz verändern?
Benedikt Weibel: Ab dem 12. Dezember 2004 fahren wir in der Schweiz den dichtesten Fahrplan weltweit. Die Intercity-Züge verkehren im Halbstundentakt. In den grossen Bahnhöfen treffen sie halbstündlich jeweils alle praktisch zur gleichen Minute ein und verlassen wenige Minuten später den Bahnhof wiederum alle fast gleichzeitig.
Damit sind optimale Verbindungen garantiert. Für die Kundinnen und Kunden heisst das: Ein noch besseres Bahnangebot, noch mehr Züge und noch bessere Anschlüsse.
swissinfo: Ein Ziel der Bahn 2000 ist es, mehr Leute zum Umsteigen zu motivieren. Gemäss einer aktuellen Umfrage, benutzen 43% der Pendler das Auto und lediglich 21% den öffentlichen Verkehr. Wie überzeugt sind Sie, dass sich das nun ändert?
B.W.: Zwischen den Städten Zürich und Bern fahren heute 80% der Reisenden mit dem Zug. In der grössten Schweizer Agglomeration rund um Zürich reisen über 50% mit dem öffentlichen Verkehr zur Arbeit. Die Beispiele zeigen: Attraktive Angebote des öffentlichen Verkehrs sind erfolgreich. Dafür engagieren wir uns.
Zudem werden im motorisierten Individualverkehr die Staus immer länger. Insofern arbeitet auch die Zeit für uns.
swissinfo: Wie werden Sie im Fall von grösseren Problemen bei der Umstellung auf den neuen Fahrplan reagieren?
B.W.: Tatsächlich können wir den grossen Fahrplanwechsel natürlich nicht eins zu eins üben. Wir führen den Bahn-2000-Fahrplan praktisch unter Betrieb ein – in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 2004. Dass das ein Sonntag ist, kommt uns entgegen. Wir haben dann weniger Reisende als werktags.
Unsere Fachleute haben den grossen Schritt optimal vorbereitet. Natürlich wird am ersten Tag wohl kaum alles auf Anhieb klappen. Doch wir werden bemüht sein, die Auswirkungen möglicher Störungen für die Reisenden möglichst gering zu halten.
Auch darauf sind wir gut vorbereitet. Ich schaue dem Fahrplan-Wechsel mit grosser Zuversicht entgegen und freue mich darauf.
swissinfo: Welches sind Ihre schlimmsten Befürchtungen?
B.W.: Unsere Fachleute sagen mir, das Schlimmste wäre, wenn über Nacht ein halber Meter oder noch mehr Schnee fallen würde. Als ich das hörte, war ich beruhigt: Die Wahrscheinlichkeit, dass das der Fall sein wird, ist äusserst gering.
swissinfo: Was werden Sie genau tun an diesem 12. Dezember?
B.W.: Ich werde die drei Betriebsleit-Zentralen der SBB in Lausanne, Luzern und Zürich besuchen und dazwischen viel mit dem Zug unterwegs sein.
Wie Sie sich vorstellen können, ist das Medieninteresse gross. Ich werde also nicht ganz allein reisen.
swissinfo: Bisher warten Anschlusszüge bei Verspätungen bis zu sieben Minuten. In Zukunft nur noch drei Minuten. Wieweit kann das für die Passagiere ein Problem werden?
B.W.: Wenn Kundinnen und Kunden wegen eines verspäteten Zuges den Anschluss verpassen, ist das unangenehm. Das bedaure ich. Würden die Anschlusszüge verspätete Züge abwarten, wäre die Zahl der durch die Verspätung betroffenen Reisenden jedoch ungleich grösser.
Zudem fahren die Züge auf allen wichtigen Linien ab dem 12. Dezember 2004 im Halbstundentakt. Das heisst: Der nächste Zug fährt in maximal dreissig Minuten.
swissinfo: Wie wurde der Fahrplan ausgearbeitet und was für Schwierigkeiten traten auf›?
B.W.: Bereits heute nutzen wir unser Schienennetz sehr intensiv. Ab dem 12. Dezember verkehren nochmals 12% mehr Züge. Für dieses zusätzliche Angebot bauten wir den Fahrplan praktisch neu auf. Den Taktfahrplan haben wir beibehalten, aber intensiviert. Im Fernverkehr fahren wir künftig praktisch überall im Halbstundentakt.
Die grösseren Zentren wie Zürich, Basel, Bern oder Lausanne definierten wir als sogenannte Knoten. Hier treffen die Intercity-Züge im Halbstundentakt praktisch gleichzeitig ein und fahren kurz darauf fast gleichzeitig wieder weiter.
Dazwischen fahren die Regionalzüge. Das ermöglicht optimale Umsteigezeiten. Für den neuen Fahrplan mussten wir die Fahrzeiten zwschen Zürich, Bern und Basel auf je unter eine Stunde reduzieren.
Das haben wir dank der 45 Kilometer langen Neubaustrecke zwischen Mattstetten und Rothrist und dank unserem modernen Rollmaterial erreicht. Davon profitieren die Reisenden nicht nur in diesem Dreieck, sondern in der ganzen Schweiz.
swissinfo: Es gibt Leute, die beschweren sich, dass die Züge zu Spitzenzeiten zuwenig Sitzplätze haben. Ihre Reaktion darauf?
B.W.: Ich kann Ihnen sagen: volle Züge sind die schönste Sorge eines Bahnchefs. Mit vermehrten Halbstundentakten und gezielten Verstärkungen zu den Spitzenzeiten, wo der Platz am knappsten ist, schaffen wir mehr Sitzplätze.
Zudem kommen immer mehr Doppelstockzüge zum Einsatz, die 40% mehr Sitze bieten. Es ist aber so: In gewissen Zügen werden wir zu gewissen Zeiten wohl nicht allen Reisenden einen Sitzplatz anbieten können.
swissinfo: Welche Pläne haben die SBB für die Zukunft?
B.W.: Der nächste grosse Schritt folgt 2007. Dann wird der Lötschberg-Basistunnel eröffnet. Mitte des nächsten Jahrzehnts folgt der neue Gotthard-Basistunnel. Darüber hinaus ist derzeit vieles noch offen, weil die Finanzierung nicht gesichert ist.
swissinfo-Interview Robert Brookes
(Übertragen aus dem Englischen: Andreas Keiser)
Der 57-jährige Benedikt Weibel arbeitet seit 1978 bei den SBB.
1983 wurde er General-Sekretär, 1986 Marketingdirektor und 1990 Generaldirektor des Departements Verkehr.
Seit 1993 ist er Konzernchef.
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