Davos: Der andere Weg
Julien Reinhard bezeichnet sich als "professionellen Aktivisten". Er arbeitet bei der Entwicklungsorganisation Erklärung von Bern.
Reinhard nimmt an der Gegenveranstaltung The Public Eye on Davos teil.
«An der Alternativkonferenz The Public Eye on Davos ist es unsere Rolle, eine andere Sichtweise einzubringen. Wir geben den Opfern der Globalisierung und der Liberalisierung eine Gegenstimme», sagt Julien Reinhard im Gespräch mit swissinfo.
Für Reinhard ist das World Economic Forum (WEF) eine Gelegenheit, an die Anliegen der Globalisierungsgegner zu erinnern. Nicht mehr.
Dieses Jahr ist die soziale und ökologische Verantwortung der Unternehmen ein wichtiges Thema der Gegenkonferenz The Public Eye on Davos.
Und wie jedes Jahr wollen die Veranstalter auch Grundsatz-Debatten führen sowie Wirtschaftsführer und Politiker an deren Verantwortung zu erinnern.»
Ein Reifeprozess
Die Anti-Globalisierungs- und Anti-WEF-Bewegung ist heute nicht weniger aufgesplittert, als zu ihren Anfangszeiten. In den Augen der Erklärung von Bern haben jedoch gewisse Nichtregierungs-Organisationen (NGO) einen Reifeprozess hinter sich.
Im Klartext hält Julien Reinhard jeden konstruktiven Dialog mit dem WEF für illusorisch. In seinen Augen sind jene NGOs, die am WEF-eigenen Open Forum teilnehmen, naiv.
«Das WEF ist ein Club der grossen Unternehmen, in dem die Entscheidungsträger ihre Geschäfte abwickeln und ihre Probleme individuell regeln. Der Rest ist lediglich blabla.»
«Sicher», fährt Julien Reinhard fort, «hat das WEF gelernt, auch aus unserer Sicht positive Themen aufzunehmen. Aber die Kluft zwischen den Ansprachen und den Taten bleibt enorm.»
Ist Reinhard ein gefährlicher Anarchist? Nein, er ist eher ein engagierter Intellektueller, der an die Politik der kleinen Schritte glaubt und durchaus in der Lage ist, zu nuancieren und zu unterscheiden.
Konkrete Resultate
Der 32-jährige diplomierte Politologe ist bei der Erklärung von Bern (EvB) für die Bereiche Gesundheit, Ernährung und Kultur zuständig.
Auf diesen Gebieten sind die Fortschritte zuweilen kaum greifbar. Wie zum Beispiel bei der Frage der Verfügbarkeit von Anti-HIV- Medikamenten in den armen Ländern.
«Die Bevölkerung empfindet im allgemeinen ein Gefühl der Ohnmacht. Sie denkt, unser Engagement sei zwecklos.»
Dennoch ist Julien Reinhard überzeugt von seinem Engagement.
«Unsere Ziele sind komplex und unser Kampf ist ohne Ende. Aber es lohnt sich, zu kämpfen und Resultate zu erreichen.»
Der Genfer hat nichts dagegen, wenn man ihn als Idealist bezeichnet. Er wehrt sich jedoch gegen das Etikett ’süsser Träumer›. Auch Gewalt lehnt er ab.
Geprägt durch den Mauerfall
«Gewalt ist ein Zeichen von Hoffnungslosigkeit. Zu denken, dass die Dinge durch Gewalt ändern, ist eine Illusion. Was mir Sorgen macht ist, dass Gewalt Ängste auslöst. Ängste, welche von gewissen Leuten gebraucht werden, um unsere Debatten zu verunglimpfen.»
Julien Reinhard beschreibt seinen Werdegang als Aktivist bedächtig und mit der Gewissheit, dass eine Welt, welche Menschenrechte und Umwelt respektiert, möglich ist.
«Die Leute meiner Generation sind von den Ereignissen des Jahres 1989 geprägt. Da kamen nach dem Sturz der Berliner-Mauer gewaltige Hoffnungen auf. Die Rivalität zwischen Ost und West verschwand.»
«Aber», fährt Julien Richard fort, «sehr schnell setzte sich eine Neue Weltordnung durch mit einem Ideal, das sich auf immer mehr Markt reduziert. Daher kam die Idee, dem etwas entgegen zu halten.»
Wie andere hält Julien Richard an seinen Idealen fest. Für ihn ist seine Arbeit im Einklang mit seinen Überzeugungen ein Privileg.
swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)
The Public Eye on Davos wird von den Nichtregierungs-Organisationen Pro Natura und Erklärung von Bern veranstaltet.
Es versteht sich als Gegenveranstaltung zum World Economic Forum und findet vom 21. bis 23. Januar statt.
Dieses Jahr steht die soziale und ökologische Verantwortlichkeit der multinationalen Unternehmen im Mittelpunkt.
Am Dienstag kam die ehemalige UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, an die Veranstaltung.
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