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Der Brückenbauer zwischen Politik und Wirtschaft

Gerold Bührer freut sich auf die Herausforderung. Keystone

Gerold Bührer, designierter Präsident des Wirtschaftsdachverbandes economiesuisse, will seine neue Aufgabe mit "positiver Motivation" angehen.

Im Gespräch mit swissinfo spricht der freisinnige Nationalrat über seine zukünftige Rolle und die neue Strategie der Organisation sowie über die eidgenössischen Wahlen im kommenden Jahr.

Der 58-jährige Politiker aus dem Nordostschweizer Kanton Schaffhausen äussert sich über einen Strategiewechsel, nachdem verschiedene Mitglieder des Dachverbandes wie der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie Swissmem mit dem Austritt gedroht hatten.

Zudem hofft er auf rechtzeitige Verbesserungen innerhalb der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP), damit seine Partei bei den Parlamentswahlen von nächstem Jahr besser abschneidet.

swissinfo: Wie sehen Sie Ihrer neuen Aufgabe bei economiesuisse entgegen?

Gerold Bührer: Mit viel positiver Motivation. Seit 25 Jahren bin ich in der Politik, davon 15 Jahre in Bern, und habe immer die Rolle eines Brückenbauers zwischen Wirtschaft und Politik gespielt. Ich sehe diese neue Herausforderung als Fortsetzung meiner bisherigen politischen Tätigkeit.

swissinfo: Eine Hauptaufgabe wird für Sie als neuer Präsident sein, den Dachverband wieder in ruhigere Gewässer zu steuern. Was werden Sie als erstes tun?

G.B.: Mit der Wiedereingliederung des Schweizerischen Baumeisterverbandes haben wir bereits ein grosses Ziel erreicht. Politisch und psychologisch war dies ein sehr wichtiger Schritt.

Ein weiteres Ziel wird sein, Swissmem davon zu überzeugen, dass die neue Strategie, die wir vorbereitet haben und am 21. November präsentiert wird, sowie die wichtigen Sparmassnamen im Interesse der gesamten Wirtschaft stehen.

Es ist wichtig, bei Schlüsselthemen mit einer gemeinsamen Botschaft aufzutreten. Dazu gehört auch die Mitgliedschaft von Swissmem. Wie lange dieser Prozess dauern und ob er bis Ende Jahr gelöst sein wird, ist eine andere Frage.

swissinfo: Sie sprechen von einem Strategiewechsel. Wie sieht der aus?

G.B.: Wir müssen uns auf einige Schlüsselthemen in der Wirtschaftspolitik konzentrieren, die für alle Industriezweige von grösster Wichtigkeit sind, so auf Finanz- und Steuerfragen, Aussenhandel und Wettbewerb. Auf diesen Gebieten müssen wir vor allem Sachkenntnis haben und anbieten.

Auch bei anderen Themen müssen wir Ratschläge geben, wobei spezielle Verbände eine wichtige Rolle übernehmen sollten. Swissmem und andere sollten genügend Spielraum haben, um ihre Ziele zu formulieren und umzusetzen.

Wenn wir uns konzentrieren, können wir Gelder sparen und Ressourcen für unsere Kampagnen freimachen. Zudem sollten wir proaktiver werden bei der Formulierung von Vorschlägen, bevor das andere tun.

swissinfo: Welche Rolle wird economiesuisse Ihrer Meinung nach in Zukunft spielen?

G.B.: Der Dachverband muss der beste Ideenlieferant bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik sein. Wenn eine Organisation sehr solid sein sollte – wie der Granit am Gotthard – dann ist es economiesuisse.

Uns kommt die wichtige Aufgabe zu, Politiker und die öffentliche Meinung zu beeinflussen auf der Basis der freien Marktwirtschaft – natürlich mit einer sozialen Dimension.

swissinfo: Wie sehen Sie Ihre Rolle als neuer Präsident?

G.B.: Von mir erwartet man sicherlich eine gute politische Vernetzung. Mit meiner politischen Erfahrung werde ich hier bestimmt viel Zeit investieren. Auch beim Prozess der Ausformulierung wirtschaftspolitischer Vorschläge werde ich eine Rolle spielen. Das fasziniert mich seit langem.

Zudem muss ich gewährleisten, dass die Reformen rasch genug umgesetzt werden können, um zu beweisen, dass der Verband auch mit weniger Geld Gewicht hat.

swissinfo: Sie werden aus dem Nationalrat, der Grossen Parlamentskammer, austreten. Was werden Sie vermissen?

G.B.: Wie bei allem im Leben…..damit muss man umgehen können. Ich spüre, dass die neue Herausforderung so gross und interessant ist, dass mir der Abschied leichter fällt.

swissinfo: Wie schätzen Sie den jetzigen Zustand Ihrer Partei ein? Die Freisinnigen haben bei den allgemeinen Wahlen 2003 Stimmen verloren. Gemäss dem ersten Wahlbarometer werden sie im nächsten Jahr zu den Verlierern gehören, sogar von einem Verlust der Glaubwürdigkeit der FDP ist die Rede.

G.B.: Natürlich fühle ich mich dabei schlecht, denn als ich Präsident war (2001 – 2002) hatten wir einen Wähleranteil von 20% und mehr. Bei den letzten Wahlen fielen wir unter 17%. Ich bedaure dies und hoffe, dass wir auf nationaler Ebene besser werden, vor allem in der politischen Lobby-Arbeit.

Bei den drei letzten Abstimmungen konnten wir gegenüber der Linken Erfolge verbuchen. Wenn es uns gelingt, innert eines Jahres unsere Arbeit besser zu verkaufen und ein besseres Profil zu kommunizieren, können wir nach den schlechten Resultaten im Jahr 2003 hoffentlich ein paar Sitze dazugewinnen.

swissinfo-Interview: Robert Brookes
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

Im Mai 2006 geriet economiesuisse in die Schlagzeilen, als Swissmem und der Baumeisterverband ihren Rücktritt aus dem Dachverband ankündigten.

Konfliktpunkte sind die unterschiedlichen Interessen der kleinen und grossen Mitglieder sowie die Behauptung, economiesuisse beuge sich den Forderungen der mächtigen Pharma-Lobby auf Kosten der Industrie. Auch die Mitgliederbeiträge sind ein Thema.

Einen weiteren Schlag erlitt economiesuisse, als sich der designierte Präsident Andreas Schmid zurückzog. Er war als Nachfolger von Ueli Forster vorgesehen.

Vorausgegangen war der Rücktritt Schmids als Verwaltungsrats-Präsident von Kuoni nach einem internen Machtkampf.

Wohnt in Thayngen, Kanton Schaffhausen.

1973–1989: übt verschiedene Funktionen bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) aus.

1990–2000: arbeitet bei der Georg Fischer-Gruppe in Schaffhausen, ab 1991 als Finanzchef.

1991: Wahl in den Nationalrat.

2001–2002: Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei der Schweiz.

25. September 2006: Nomination zum economiesuisse-Präsidenten.

Er bleibt Vize-Vorsitzender von Swiss Life und Direktor der Georg Fischer AG.

Entstand 2000 aus dem Schweizerischen Handels- und Industrieverein (Vorort) und der Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft.

Der Arbeitgeberverband ging eigene Wege.

economiesuisse hat über 30 neue Mitglieder, darunter Microsoft, IBM und die Schweizer Börse SWX.

Das Jahresbudget beträgt 15 Mio. Franken.

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