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Der Bundesrat verzichtet vorerst auf CO2-Abgabe

Keystone

Um die CO2-Reduktionsziele des Kyoto-Protokolls zu erreichen, setzt der Bundesrat auf die Verbesserung der bestehenden Instrumente. Auf Benzin und Diesel wird vorerst keine Lenkungsabgabe erhoben.

Die Schweizer Regierung will zudem den CO2-Ausstoss bis 2020 um 20% und bis 2050 um 50% reduzieren. Sie orientiert sich dabei an den Reduktionszielen der EU.

Bundespräsident Moritz Leuenberger hatte sich in der Vergangenheit für die CO2-Abgabe ins Zeug gelegt.

Doch wie er am Donnerstag bei der Präsentation der bundesrätlichen Klimapolitik erklärte, wird die auf Brennstoffen erhobene CO2-Abgabe nicht «subito» auf Treibstoffe ausgeweitet. Dies käme erst ab 2012 in Frage, wenn die Kyoto-Verpflichtungen zur CO2-Reduktion nicht eingehalten werden.

Er habe zwar vorgeschlagen, auch Benzin und Diesel der CO2-Abgabe zu unterstellen, sagte Leuenberger. In den Medien war die Rede von 50 Rappen je Liter gewesen. Angesichts der langwierigen Verfahren mit Vernehmlassung und Parlamentsdiskussion habe der Bundesrat aber davon Abstand genommen.

Ehrgeizige Ziele

Der Bundesrat strebt an, den Ausstoss von Treibhausgasen gemessen am Stand von 1990 bis 2020 um mindestens 20% und bis 2050 um 50% zu senken. Das bedeute im Schnitt eine jährliche Reduktion um 1,5%, sagte Leuenberger. Der Kauf von Emissionszertifikaten im Ausland könne dabei mithelfen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr und Energie (UVEK) eine Revision des bis 2012 befristeten CO2-Gesetzes ausarbeiten. Dabei werden verschiedene Instrumente zur Diskussion gestellt: eine reine Lenkungsabgabe oder eine Abgabe mit Teilzweckbindung, mit der ein Programm zur energetischen Sanierung von Gebäuden finanziert würde.

In der Energiepolitik will der Bundesrat den Verbrauch von fossilen Energien um 20% senken, den Anteil an erneuerbaren Energien um 50% steigern und den Anstieg des Stromverbrauchs auf maximal 5% begrenzen.

22 Massnahmen

Das Massnahmenpaket des UVEK kombiniert Anreizmassnahmen wie ein Bonus-Malus-System bei der Autobesteuerung und direkte Fördermassnahmen zur Sanierung von Gebäuden mit Vorschriften und Minimalstandards für den Energieverbrauch. So sollen beispielsweise Glühbirnen ab 2012 verboten werden.

Der Aktionsplan zur Steigerung der Energieeffizienz umfasst 15 Massnahmen in den Bereichen Gebäude, Mobilität, Geräte, Aus- und Weiterbildung, Forschung und Technologietransfer. Das UVEK wird bis Ende Jahr die dafür notwendigen Anpassungen des Energiegesetzes und der Energieverordnung vorbereiten.

Sieben Massnahmen sind zur Förderung der erneuerbaren Energien vorgesehen. Dabei geht es um die Wärmeproduktion für Gebäude, um die Produktion von Energie aus Biomasse sowie um die Förderung der Wasserkraft. Die nötigen Änderungen des Energiegesetzes und des Gewässerschutzgesetzes sind in Arbeit.

Vier Säulen

Der Bundesrat hatte vor einem Jahr den Wegweiser für eine neue Energie- und Klimapolitik gestellt. Seine Strategie stützt sich auf vier Säulen: Energieeffizienz und Förderung der erneuerbaren Energien haben Priorität. Dazu kommen die Kernenergie (allenfalls als Übergangslösung Gaskraftwerke) und die internationale Zusammenarbeit.

Wie Leuenberger mitteilte, sieht der Bundesrat davon ab, das Kernenergiegesetz im Hinblick auf eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren zu revidieren. Er wolle jedoch die administrativen Potenziale zur Vereinfachung der Plangenehmigungsverfahren für elektrische Anlagen ausschöpfen.

Unterschiedliche Reaktionen

Als notwendiges und realistisches Ziel bezeichnete die Christlichdemokratische Partei (CVP) die angestrebte Reduktion der Treibhausgasemissionen. Die Sozialdemokratische Partei (SP) hingegen fordert eine CO2-Reduktion um mindestens 30% bis 2020, wie dies die Klima-Initiative fordere.

Dass die CO2-Abgabe bis 2012 weder erhöht noch ausgeweitet werde, sei eine Katastrophe, so die Grünen.

Als ungenügend bezeichnete auch die Schweizerische Energie-Stiftung die Reduktionsziele.

Auf grosse Zustimmung stiess der Verzicht auf die CO2-Abgabe dagegen bei der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und der Erdöl-Vereinigung. Die FDP begrüsste, dass der Bundesrat keine neue Bürokratie aus dem Boden stampfen wolle.

Zufrieden zeigten sich die bürgerliche Mitte und die Wirtschaft. Sie vermissten jedoch echte Massnahmen zur Deckung der drohenden Stromlücke. Das Hauptproblem wird nicht angegangen, wie ein Sprecher der Schweizerischen Volkspartei (SVP) sagte. So müssten die alten Kernkraftwerke ersetzt und die Wasserkraftwerke ausgebaut werden.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz bestehen insbesondere die folgenden drei Instrumente zur Reduktion des CO2-Ausstosses:

Der Klimarappen ist eine freiwillige Abgabe der Wirtschaft auf Benzin und Diesel. Der Bund nimmt keinen Einfluss, weder auf Höhe noch Verwendung der Einkünfte. Die Verantwortung liegt bei der Stiftung Klimarappen, die von Wirtschaftsverbänden gegründet wurde.

2008 trat zudem die obligatorische Steuer auf fossilen Brennstoffen wie Heizöl und Gas in Kraft. Die Einnahmen werden der Bevölkerung rückvergütet, via Löhne und Krankenkassen.

Weiter besteht der Handel mit Emissionszertifikaten: Länder und Unternehmen, die ihren Ausstoss an klimaschädigendem CO2 verringert haben, können auf dem Markt Zertifikate anbieten. Wer die Reduktionsziele noch nicht erreicht hat, kann diese «Rechte auf Verschmutzung» gegen Geld kaufen

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