Der Cervelat muss seine eigene Haut retten
Die klassischen Wursthüllen für den Schweizer Cervelat werden knapp. Grund dafür ist das Importverpot der EU für Rinderdärme aus Brasilien.
Nun schlägt der Schweizer Fleisch-Fachverband Alarm und appelliert an die Schweizer Regierung, zur Lösung des Cervelat-Problems beizutragen.
Keine Entwarnung an der Cervelat-Front: Immer noch hat die Branche keine restlos überzeugende Alternative für die Wurst-Hüllen aus den verbotenen brasilianischen Rinderdärmen gefunden.
Nun geht es um die Wurst: Mit einem Appell an die Politik will die Schweizer Fleischwirtschaft den Cervelat retten.
Nötig wird die Rettungsaktion wegen einem Importstopp der Europäischen Union für Rinderdärme aus Brasilien, die für die Hülle der Cervelats benötigt werden. Die EU stufte Brasilien nicht mehr als ein Land ein, in dem Rinderwahnsinn BSE als sehr unwahrscheinlich gelte.
Die Schweiz hat das Importverbot der EU per 1. April 2006 übernommen. Zurzeit können zwar noch Lagerbestände verwendet werden. Diese gehen aber in der Schweiz zur Neige.
Grosse Dimensionen
Das Problem habe grössere Dimensionen, wie die Vertreter des Schweizer Fleisch-Fachverbandes (SFF) am Dienstag vor den Medien in Erinnerung riefen.
Für das Metzgereigewerbe und die Fleischindustrie gehe es um rund 30% ihrer Wurstwarenproduktion. Die Cervelat-Jahresproduktion wird auf rund 25’000 Tonnen oder 160 Mio. Stück geschätzt. Das Beschaffungsproblem habe aber auch eine agrarpolitische Dimension: In den brasilianischen Wursthüllen ist Fleisch von rund 120’000 Kühen und etwa 360’000 Schweinen, zu 90% aus schweizerischer Herkunft, verarbeitet.
Zusammenarbeit mit «Task Force»
Vor diesem Hintergrund rief der freisinnige Ständerat Rolf Büttiker, Präsident des SFF, die Bundesbehörden auf, aktiv zur Lösung beizutragen. Die Fleischwirtschaft anerkenne ihre Bereitschaft, im Rahmen einer «Task Force» gemeinsam mit dem Darmhandel und den Vertretern der Wissenschaft zusammenzuarbeiten.
Die Fleischwirtschaft fordert vom Bund, sich in Brüssel für eine Deblockierung des Imports aus Brasilien und allenfalls anderen Ländern einzusetzen.
Versorgungslücken verhindern
Ein neuer Lösungsansatz sieht vor, dass in Einvernahmen mit den europäischen Behörden ein so genanntes Importfenster für Rinderdärme aus Brasilien entlang einer ganz bestimmten Produktions- und Handelskette geöffnet wird. Der Einbezug der Wissenschaft soll garantieren, dass alle lebensmittelrechtlichen Anforderungen eingehalten werden.
Selbst wenn dieser Ansatz erfolgreich wäre, sei kaum damit zu rechnen, dass damit das Problem noch im laufenden Jahr gelöst werden könnte, sagte Büttiker.
Dabei gehen die Lagerbestände einiger Hersteller bereits im kommenden Frühjahr zu Ende. Die Fleischwirtschaft will sich deshalb für alle Eventualitäten wappnen und das Problem nicht einfach der Politik überlassen. Es gelte unter allen Umständen dafür zu sorgen, dass keine Versorgungslücken entstehen, sagte SFF-Direktor Balz Horber. Dies auch im Hinblick auf die kommende Grillsaison und die EURO 2008.
Schwierige Suche nach Alternativen
Der SFF hat seit dem Importstopp Alternativen getestet. «Der Import von Rinderdärmen aus Uruguay funktioniert im Prinzip, aber es besteht ein Mengenproblem», sagte Büttiker. Und Argentinien könne bisher nur in grösseren Kalibern fetthaltige Wursthüllen liefern. «Dies entspricht nicht unseren Anforderungen.»
Aus wissenschaftlicher Sicht sind als Ersatz neben den Rinderdärmen aus Uruguay auch gekranzte Kollagendärme (aus Eiweiss) möglich. Diese sind jedoch nicht schälbar, wie Stefan Schlüchter von der Forschunganstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP sagte.
Auch Schweinedärme sind als Alternative denkbar. Der grosse Nachteil bestehe jedoch in der Ungenauigkeit bezüglich Kalibertreue, sagte Schlüchter. «Für die Industrie ist er deshalb ungeeignet.»
Einig waren sich jedoch alle Beteiligten, dass das wichtigste Qualitätsmerkmal der «Nationalwurst» der Inhalt sei.
swissinfo und Agenturen
Der Cervelat, auch «König der Schweizer Würste» genannt, gilt als Schweizer Nationalwurst. Pro Jahr werden rund 25 Stück pro Kopf konsumiert.
Hergestellt wird die Wurst aus 27% Rindfleisch, 10% Schweinefleisch, 20% Wurstspeck, 15% Schwartenblock und 23% Eis-Wasser sowie Salz, Frischzwiebeln und diversen Gewürzen, wie der Schweizer Fleisch-Fachverband mitteilte.
Abgefüllt wird die Mischung in einen Rinderkranzdarm. Zum Schluss wird die Wurst bei 50 bis 80 Grad heiss geräuchert und anschliessend bei 75 Grad gebrüht.
Abgefüllt wird die Mischung in einen Rinderkranzdarm mit vorgeschriebenenm Durchmesser. Zum Schluss wird die Wurst bei 50 bis 80 Grad heiss geräuchert und anschliessend bei 75 Grad gebrüht.
Die Hülle muss ein Naturprodukt sein und sich für alle Arten der Zubereitung gleich gut eignen. Diesen Anforderungen entsprechen die brasilianischen Rinderdärme am besten.
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