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Der Informations-Gipfel und seine Grenzen

Digitale Welt. imagepoint

Die Schweiz war 2003 Gastland des Weltgipfels über die Info-Gesellschaft. Nun ist Tunesien an der Reihe. Der Gipfel ruft die Regimekritiker auf den Plan.

Der zweite Teil des UNO-Gipfels hat jedoch andere Aufgaben zu bewältigen, zum Beispiel das Management des globalen Internets.

Mit dem WSIS findet erstmals ein UNO-Gipfel in zwei Etappen statt. Die Idee entstand im Juni 2001 als Resultat eines langwierigen diplomatischen Kompromisses, der vom Generalsekretär der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) ausgehandelt wurde.

Am 16. November geht der WSIS in Tunis in die zweite Runde. Nun zeigt sich, dass diese Lösung ihre Tücken hat.

Mehrere Menschenrechts-Organisationen beanstanden, dass die tunesische Regierung seit einigen Monaten versucht, die Gegner des Regimes von Präsident Ben Ali einzuschüchtern.

Dies hatte zur Folge, dass im Oktober mehrere Protagonisten der politischen Opposition Tunesiens in den Hungerstreik getreten sind. NGO aus der Schweiz und anderen Ländern haben deshalb beschlossen, die Regimekritiker und jene Kreise der tunesischen Zivilgesellschaft, die von der Regierung Ben Ali nicht anerkannt werden, mit einem «Citizen Summit» zu unterstützen. Dieser Bürgergipfel soll parallel zur offiziellen Konferenz stattfinden.

Wachsender Unmut

Nun besteht die Gefahr, dass der Widerstand gegen die autoritäre Regierung Tunesiens die anderen Themen von der Gipfelagenda verdrängt.

Das befürchtet jedenfalls Bruno Lanvin, Spezialist für Informationstechnologie bei der Weltbank. «Das Vorgehen der Zivilgesellschaft zeigt die Mängel auf, die im Gastgeberland und in anderen Ländern im Umgang mit den Grundrechten bestehen. Will man in diesem Bereich Fortschritte erzielen, muss man den gerügten Regierungen ein Hintertürchen offen lassen. Sonst wird zwar protestiert, aber nichts bewirkt.»

Guillaume Chenevière, der ehemalige Direktor des Westschweizer Fernsehens, bringt es auf den Punkt: «Es wäre ein Jammer, wenn die Debatten über die Informations-Gesellschaft die Menschenrechtsfrage und die Einhaltung der Grundrechte ausklammern würden.»

Chenevière, der auch Mitglied der Schweizer NGO-Plattform zur Informations-Gesellschaft ist, weist darauf hin, dass die tunesische Regierung bei Weitem nicht das einzige Regime ist, das die Meinungsfreiheit einschränkt.

Es sei deshalb zu befürchten, dass am Gipfel von Tunis Dokumente verabschiedet werden, welche die Menschenrechte ausser Acht lassen.

Die Aufsplitterung des Netzes

Laut Viviane Reding, EU-Kommissarin für Informations-Gesellschaft und Medien, könnte der Gipfel auch in einem anderen Bereich zum Wendepunkt werden. Dann nämlich, wenn beschlossen wird, für das Internet mehrere konkurrenzierende Verwaltungssysteme einzuführen.

Kann in der Frage der Internet Governance kein Konsens gefunden werden, wird die Universalität des Netzes untergraben.

«Mit diesem Dossier, aber auch mit den übrigen Traktanden des Gipfels, wird die Grundsatzfrage nach einer globalen Netzpolitik gestellt», meint dazu Guillaume Chenevière. «Die Regierungsdelegationen können die Rahmenbedingungen für eine offene und partizipative Informations-Gesellschaft festlegen. Sie können sich auch mit weniger begnügen: mit einer Lösung, welche die Informations- und Kommunikations-Technologien (ICT) lediglich zur Förderung des Güter- und Kapitalverkehrs benutzt.»

Damit der WSIS nicht zu einem Katalog der frommen Wünsche verkommt, müssen die Gipfelteilnehmer in Tunis Kontroll- und Follow-up-Mechanismen verabschieden. Sie sollen dafür sorgen, dass die verschiedenen Länder ihren Verpflichtungen gegenüber den Armen, seien dies Einzelpersonen oder Staaten, wirklich nachkommen.

Das ist offiziell auch der Wunsch des Gastlandes Tunesien, das die Konferenz «Gipfel der Lösungen» getauft hat.

swissinfo, Frédéric Burnand in Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Maya Im Hof)

Die Idee für den Gipfel entstand 1998 an einer Konferenz der ITU in Minneapolis.

Die erste Etappe des Weltgipfels über die Informations-Gesellschaft fand im Dezember 2003 auf Einladung der Schweiz in Genf statt.

Die Teilnehmer verabschiedeten eine Grundsatzerklärung und einen Aktionsplan.

Die zweite Etappe des WSIS wird auf Einladung der tunesischen Regierung im November 2005 in Tunis abgehalten.

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