Der Lötschberg – ein europäischer Tunnel
"Der Lötschberg-Tunnel ist ein Modell für Europa", sagte der EU-Transport-Kommissar Jacques Barrot am Freitag an der Eröffnung, an der auch zahlreiche Gäste aus Europa teilnahmen.
Der neue Tunnel, der drittlängste Bahntunnel weltweit, gilt als Meilenstein in der Schweizer Politik der Verkehrs-Verlagerung von der Strasse auf die Bahn.
Mit der Eröffnung des fast 35 Kilometer langen Lötschbergtunnels hat Europa nach rund achtjähriger Bauzeit eine neue Nord-Süd-Verbindung durch die Alpen.
Das schon jetzt als Jahrhundertbauwerk bezeichnete Projekt wurde am Freitag mit dem symbolischen Durchbruch eines 1300 Tonnen schwerer Güterzuges in Frutigen im Kanton Bern durch eine Papierwand offiziell in Betrieb genommen.
Die Strecke soll ab Dezember sowohl für den Personen- und den Güter- und Schwerverkehr voll ausgelastet werden.
EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot sagte der Schweiz die Unterstützung für ihre Verkehrspolitik zu. «Ihr habt verstanden, dass wir unbedingt den Verkehr von der Strasse auf die Schiene bringen müssen», sagte Barrot.
Die EU-Kommission werde bei der weiteren Verwirklichung der grossen EU-Verkehrswege ihre Verantwortung übernehmen.
«Historischer Moment»
Der deutsche Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee sprach von einem «historischen Moment». Er kündigte an, dass die deutschen Zufahrtsstrecken für den Nord-Süd-Verkehr rechtzeig voran getrieben würden.
«Wenn aus einer Vision Realität wird, gibt das Mut und Kraft für die Zukunft», freute sich Tiefensee. «Wir wollen noch mehr Verkehr auf die Schiene bringen, denn das ist gut fürs Klima, für die Wirtschaft und für die Lebensqualität.»
Der italienische Verkehrsminister Antonio di Pietro konnte wegen dringender Geschäfte nicht persönlich an der Feier teilnehmen. Stattdessen überbrachte der italienische Botschafter in der Schweiz, Giuseppe Deodato, die Glückwünsche Italiens. Deodato betonte die Wichtigkeit der grossen Kommunikationsachse zwischen zwei befreundeten Ländern, die der Lötschberg darstelle.
Ein Beispiel für Europa
Die Schweiz habe den Berg aber auch für und mit Europa versetzt, betonte der Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger. Denn mit dem Bauwerk leiste das Land einen Beitrag an das neue Europa, das durch Infrastrukturen zusammenwachse und Berge und Meere überwinde.
Mit der Schaffung eines Fonds zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs habe die Schweiz verhindert, dass ein Schuldenberg angehäuft worden sei. Mit der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) bezahlten europäische Transporteure mit an die Alpentunnel – ein System, das in Europa Schule gemacht habe.
Berge versetzt – im Berg
«Wir haben einen Berg versetzt für eine Schweiz, wie wir sie uns vorstellen», sagte Leuenberger auf der Südseite des Jahrhundertbauwerks. Künftig seien die Berner in 55 Minuten im Land ihrer Träume – und die Walliser, die sich nach Bern wagten, seien nach 55 Minuten zurück im Land ihrer Träume.
Für Leuenberger ist der Lötschberg ein Symbol für eine offene und mutige Schweiz. Mit der NEAT (Neue Eisenbahn Alpentransversale) leiste die Schweiz einerseits ihren Beitrag an das neue Europa, das durch Infrastrukturen zusammenwachse und Berge und Meere überwinde.
Im Ausland oft beneidet
Er werde im Ausland oft beneidet um die weitsichtige Haltung der schweizerischen Verkehrspolitik und das Konzept der Finanzierung, sagte Peter Teuscher, Chef der Alptransit, der Erbauerin des Tunnels. Mit dem «Lötschberg» sei der Beweis erbracht worden, dass ein derart komplexes und lange dauerndes Projekt im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen erstellt werden könne.
BLS-Chef Matthias Tromp betonte, dass mit der ersten alpenquerenden Hochgeschwindigkeitsstrecke ein neues Kapitel in der bewegten Geschichte der Lötschberg-Achse aufgeschlagen werde. Es sei weder Selbstverständlichkeit noch Zufall, dass die schnellste Eisenbahnstrecke der Schweiz gerade am Lötschberg in Betrieb gehe.
Schiene am Stück
Teuscher übergab als Direktor der Bauherrin BLS AlpTransit Leuenberger symbolisch ein Schienenstück. Der Bundesrat gab das Schienenstück weiter an BLS-Direktor Mathias Tromp mit den besten Wünschen für einen reibungsfreien Betrieb.
Der erste Ast der Neuen Eisenbahn Alpentransversale (NEAT) führt von Frutigen im Berner Oberland nach Raron im Wallis. Mit 34,6 Kilometern Länge ist es der längste Alpentunnel sowie nach dem Seikan-Tunnel in Japan und dem Eurotunnel der drittlängste Bahntunnel der Welt.
Fahrplanmässig sollen die Züge ab dem 9. Dezember durch den Tunnel verkehren. Die Kosten des Bauwerks belaufen sich ohne Teuerung, Bauzinsen und Mehrwertsteuer auf 4,3 Mrd. Franken. Das ist gut eine Milliarde mehr als 1998 veranschlagt.
Der zweite Ast der NEAT durch den Gotthard soll 2017 in Betrieb genommen werden.
swissinfo und Agenturen
September 1992: Die Neue Eisenbahntransversale NEAT mit den Basistunnels am Gotthard und am Lötschberg wird in einer Volksabstimmung mit 64% Ja-Stimmen gutgeheissen.
Februar 1994: Die Alpeninitiative wird angenommen. Sie verlangt eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene innert 10 Jahren.
März 1998: Die eidgenössischen Räte heissen den gleichzeitigen Bau beider Basistunnels gut. Der Lötschberg wird nur einspurig bewilligt.
November 1998: Das Volk nimmt mit 63,5% Ja-Stimmen den Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs (FinöV) an.
Dezember 1999: Das Parlament einigt sich auf einen NEAT-Gesamtkredit von 12,6 Milliarden Franken (ohne Mehrwertsteuer und Teuerung).
Juli 2001: Der Bundesrat erhöht den NEAT Gesamtkredit auf 14,7 Milliarden Franken.
April 2005: Durchstich des Lötschberg-Basistunnels.
September 2006: Nach verschiedenen Erhöhungen werden die NEAT-Gesamtkosten vom Bundesamt für Verkehr nunmehr auf rund 24 Milliarden Franken veranschlagt.
15. Juni 2007: Feierliche Eröffnung des Lötschbergtunnels. Dessen Gesamtkosten betragen 5,3 Milliarden Franken.
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