Der neue Mister Alptransit
Als Chef der Alptransit Gotthard AG muss Renzo Simoni den längsten Eisenbahntunnel der Welt fertig stellen. 57 Kilometer misst der neue Basistunnel unter dem Gotthard - das Kernstück der künftigen Flachbahn zwischen Zürich und Mailand.
Noch ist Simoni nicht im Amt, aber swissinfo hat den neuen Mann an der Spitze bereits getroffen.
Noch sitzt Renzo Simoni in seinem Büro im zwölften Stock eines Hochhauses in Zürich-Altstetten. Hier, vom Sitz der Firma Helbling Beratung + Bauplanung, deren Geschäftsleitung er angehört, geniesst der 46-Jährige einen spektakulären Blick über die Stadt und den Zürichberg.
Die Arbeitstage hier sind gezählt. Schon bald wird Simoni von Zürich nach Luzern pendeln. Als neuer CEO der Alptransit Gotthard AG übernimmt er die operative Führung für den Bau der neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (Neat) auf der Gotthard-Linie. Die Bauherrrin Alptransit AG hat ihren Sitz im Bahnhof von Luzern.
Wann er genau die Arbeit aufnehmen wird, steht noch nicht fest. Die Verwaltungsratspräsidenten des jetzigen und des künftigen Arbeitgebers müssen den Termin aushandeln. Denn Simoni muss theoretisch eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einhalten. Seine Wahl erfolgte im vergangenen Dezember.
Grossvater wanderte aus Italien ein
Wer ist der neue Alptransit-Chef? «Ich bin halb Bündner und halb Italiener», sagt er, der in Ilanz aufgewachsen ist. Der Grossvater väterlicherseits war vom Friaul in die Schweiz emigriert.
Das Baugewerbe wurde dem jungen Renzo sozusagen in die Wiege gelegt. Schon der Vater und der Onkel waren Bauingenieure im Bündnerland, der Grossvater mütterlicherseits hatte ein Baugeschäft gegründet.
Nach der Kantonsschule in Chur schlug auch Renzo Simoni diesen Weg ein. An der ETH Zürich promovierte er schliesslich zum Bauingenieur und Raumplaner.
Arbeit an Bruchstellen
Im neuen Job sind viele Fähigkeiten gefragt. Denn die Probleme und Aufgaben bei Alptransit sind vielfältig; sie reichen von der juristischen Sackgasse bei der Vergabe um das Baulos Erstfeld bis zu geologischen Problemen beim Tunnelbau.
Zur Verzögerung beim Baulos Erstfeld in Folge der juristischen Probleme sagt Simoni: «Das ist das wichtigste Problem, das zuerst gelöst werden muss: Aus Sicht der Alptransit AG als Bauherrin, aber auch aus Sicht des Steuerzahlers.»
Und zu den Kostensteigerungen als Folge technischer Probleme sagt er: «Schauen Sie nur mal Autos an, die vor 20 Jahren gebaut wurden, und vergleichen Sie diese mit heutigen Modellen.» Entsprechende Fortschritte mache auch die Tunnelbautechnik. Und entsprechend teurer werde das Projekt.
Notwendig ist eine geschickte Kommunikation mit Politikern und Medienschaffenden und Feingefühl zur Lösung finanzieller Schwierigkeiten. «Ich nehme eine Scharnierposition ein, zwischen Nord und Süd, zwischen Technik und Politik.»
Und er hofft, dass ihm die zwei Seiten seines Charakters helfen, die Probleme zu lösen. «Ich fühle in mir eine emotionale südländische Komponente, aber auch die eher rationale Seite eines Deutschschweizers. Das prädestiniert mich vielleicht, an Bruchstellen zu arbeiten.»
Seriöses Projekt
Angst vor der neuen Aufgabe und auch dem grossen Druck, der von Politik und Öffentlichkeit kommt, hat er jedenfalls nicht, auch wenn er einräumt, dass 2006 ein Annus horribilis für das Projekt Alptransit war. Allein der Streit um das Baulos Erstfeld kostete das Gesamtprojekt viel wertvolle Zeit und Geld. Und die ewigen Diskussionen um die Kostenüberschreitungen zehren an den Nerven.
«Doch ich bin überzeugt vom Sinn und der Seriosität des Gesamtprojekts, da kann eigentlich gar nichts schief gehen», gibt sich Simoni zuversichtlich. Dabei wünscht er sich, dass die Schweizerinnen und Schweizer dieses Jahrhundert-Bauwerk mit mehr Stolz und Enthusiasmus sehen.
«Es ist eine Deutschschweizer Unart, immer auf das Negative zu schauen», meint er. Im Sommer 2006 hätte es dank der Fussball-WM und der Schweizer Nationalmannschaft endlich mal so etwas wie Stolz und Aufbruchstimmung gegeben. «Es war vielleicht etwas übertrieben, aber die Richtung hat gestimmt», meint Simoni.
Der Verwaltungsrat der Alptransit hofft, dass die Jahrhundertbaustelle mit dem neuen CEO in den nächsten zwölf bis fünfzehn Jahren abgeschlossen wird. Bleibt er so lange dabei? «Im Moment habe ich keine anderen Pläne», schmunzelt er.
swissinfo, Gerhard Lob, Zürich
Baulos Erstfeld: Der Streit um die Vergabe des Bauloses Erstfeld zwischen der Berner Marti AG und dem österreichisch-schweizerischen Konsortium Strabag AG ist immer noch nicht entschieden.
Die Bauarbeiten in Erstfeld, am Nordportal des künftigen Tunnels, konnten bisher nicht aufgenommen werden. Die finanziellen Konsequenzen sind enorm.
Kostendruck: Die Finanzsituation in Sachen Neat ist angespannt, die Reserven sind ausgeschöpft. Die Gesamtkosten werden inzwischen auf mehr als 17 Mrd. Franken beziffert.
Länge Ceneri-Basistunnel: 15,4 km
Länge neuer Gotthard-Basistunnel: 57 km
Geplante Inbetriebnahme Gotthard: 2016
Geplante Inbetriebnahme Ceneri: 2019
Gesamtkosten Neat: z.Zt. 17,8 Mrd. Franken
Fahrzeit Zürich-Mailand (2007): 4 h 26 min
Fahrzeit Zürich-Mailand (mit Neat): 2 h 40 min
Geboren: 10.Januar 1961
Beruf: Bauingenieur/Raumplaner
Zivilstand: verheiratet, zwei Töchter
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