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Der Preis der Schweiz für ihr «Inseldasein»

Die Schweiz, die Hochpreis-Insel im Herzen Europas swissinfo.ch

Die Schweiz ist ein teures Land. Aber ist sie wirklich zu teuer oder widerspiegeln die hohen Preise nur den hohen Lebensstandard?

Preisüberwacher Rudolf Strahm sieht den Grund für die Hochpreisinsel in der politischen Isolation des Landes. Im Gespräch mit swissinfo fordert er Reformen, um die hiesigen Kosten jenen der Nachbarländer anzugleichen.

Nebst dem mangelnden Wettbewerb in verschiedenen Binnensektoren leide die Schweizer Wirtschaft zunehmend an den Folgen hoher Importpreise, so Strahm.

Sein Kommentar erfolgt vor dem Hintergrund einer wachsenden Debatte über die Lebenshaltungs-Kosten in der Schweiz, die teils durch die bevorstehende Niederlassung der deutschen Grossverteiler Aldi und Lidl auf dem hiesigen Markt ausgelöst wurde.

swissinfo: Spielt es denn wirklich eine Rolle, dass die Schweizer Preise höher sind, da ja auch die Löhne und der allgemeine Lebensstandard höher sind als in den umliegenden Staaten?

Rudolf Strahm: Generell haben wir hier sowohl hohe Löhne als auch hohe Preise. Als spezifisches Element kommen die höheren Importpreise dazu. Das ist (teilweise) auch deshalb so, weil ausländische Unternehmen für Lieferungen in die Schweiz höhere Preise verlangen, aufgrund der grösseren Kaufkraft hierzulande.

Das ist nichts anderes als eine klassische Marketing-Strategie, die Segmentierung des Marktes. Das Problem ist, dass wir keine oder nur wenig Möglichkeiten zu so genannten Parallelimporten haben. Oder anders gesagt, hier herrscht die Tendenz, dass es für ein Produkt nur einen Importeur gibt, der damit auch ein Monopol im Vertrieb hat.

swissinfo: Welche Auswirkungen zieht das nach sich?

R.S.: Importprodukte kosten zum Beispiel durchschnittlich 20 bis 25% mehr als dieselben Produkte in Deutschland. Andererseits müssen unsere Exporteure sich abfinden mit europäischen oder internationalen Preisen. Diese Diskrepanz ist ein bedeutendes Hindernis für das Wirtschafswachstum.

swissinfo: Wer sind denn die schlimmsten Sünder?

R.S.: In gewissen Sektoren wie zum Beispiel in der Erdöl-Branche haben wir einen funktionierenden, starken Wettbewerb und Weltmarktpreise. Andererseits gibt es Sektoren wie die Pharmabranche oder Landwirtschaft und Lebensmittel, wo noch heute Protektionismus herrscht. Dazu kommen Industrieprodukte wie Autos, Velos und Ersatzteile, bei denen die Preise zwischen 10 und 25% höher liegen als in den Nachbarstaaten.

swissinfo: Wie stark ist der Widerstand gegen Änderungen?

R.S.: Der Widerstand ist nicht sehr transparent. Er ist auch nicht in allen Sektoren gleich stark. Gewisse [Sektoren] haben allerdings beträchtlichen politischen Einfluss, der bis in die Regierung reicht.

swissinfo: Würden die Preise wirklich sinken, wenn Direktimporte möglich würden, oder würden in erster Linie die Importeure profitieren?

R.S.: Ich glaube, letzteres nutzen Gegner von Parallelimporten als [Ausrede]. Wenn ein Vertrieb die Produkte direkt einführen kann, sollte er sie zu europäischen Preisen verkaufen können. Immer vorausgesetzt, dass der Marktwettbewerb spielt.

swissinfo: Wie stark werden sich die angekündigten Marktauftritte von Aldi und Lidl Ihrer Meinung nach im Detailhandel auswirken?

R.S.: Es ist schwierig, eine Voraussage zu machen. Aber sie werden wahrscheinlich grössere Schwierigkeiten haben, in den Schweizer Markt einzudringen. Sie mögen einige Prozent Marktanteile gewinnen, aber die existierenden Strukturen werden sie nicht zum Verschwinden bringen. Ein Beispiel: Unsere hohen Importtarife für Landwirtschaftsprodukte gelten für alle Anbieter. Der wirkliche Wettbewerb dürfte sich beim Personal abwickeln; dabei wird es nicht so sehr um die Höhe der Löhne gehen als um die Anzahl der Angestellten.

swissinfo: Aber könnten tiefere Preise auch tiefere Löhne nach sich ziehen, sowohl im Detailhandel als auch in anderen Sektoren?

R.S.: Es könnte sein, dass es zu einem gewissen Druck auf die Löhne kommt. Allerdings gibt es diesen auch ohne weitere Liberalisierung beim Import. Der Export-Sektor spürt diesen Druck bereits, kann aber wegen der hohen Produktivität und der guten Qualität der Produkte immer noch relativ hohe Löhne zahlen.

swissinfo: In vier Jahren werden Sie das Amt des Preisüberwachers abgeben. Was hoffen Sie, bis dann zu erreichen?

R.S.: Dass die Schweiz bis dann keine Hochpreis-Insel mehr ist. Für unser Abseitsstehen beim Europäischen Wirtschaftsraum EWR [nach dem Nein in einer nationalen Volksabstimmung von 1992] bezahlen wir einen hohen Preis, was vor allem für Importe gilt.

Gewisse Reformen sind bereits an die Hand genommen worden. So soll in der Schweiz das Cassis-de-Dijon-Prinzip eingeführt werden [Produkte, die in einem EU-Staat zum Verkauf autorisiert sind, dürfen auch in allen andern EU-Staaten verkauft werden]. Bevor dies in der Schweiz Realität wird, dürften weitere zwei Jahre vergehen. Völlig neue Marktstrukturen können nicht von heute auf morgen eingeführt werden.

swissinfo–Interview: Chris Lewis
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Die Schweiz hat zwei Bundesbehörden, die den Markt kontrollieren: Die Wettbewerbs-Kommission und den Preisüberwacher.

Dieser kontrolliert die Preise in Sektoren, in denen kaum Wettbewerb herrscht.

Dazu gehören:

Gesundheit (wie Medikamentenpreise, Ärzte- und Spitaltarife), Infrastruktur (wie Elektrizität und Telekommunikation) oder geregelte Dienstleistungs-Gebühren, etwa bei der Post.

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