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Der schwarze Weisse, Federer und Township-Kinder

Pascal Holliger posiert auf den Tennisplätzen, die die Federer Foundation gespendet hat. swissinfo.ch

Seit zehn Jahren unterstützt eine Neuenburger Nichtregierungs-Organisation hilfsbedürftige Kinder aus den Townships in Port Elizabeth. Als Partnerin konnte die Federer Foundation gewonnen werden. Mitbegründer Pascal Holliger erzählt die abenteuerliche Geschichte des Unternehmens und seiner Jugend.

Sagen Sie Pascal Holliger auf keinen Fall, er spreche Englisch mit einem Deutschschweizer Akzent.

«Das ist der Zulu-Akzent», ereifert sich der Neuenburger inmitten einer Schar von ausgewanderten Schweizern, die sich an einem warmen, aber windigen Nachmittag im Februar für ein Picknick in Port Elizabeth zusammengefunden haben.

Obwohl er sich überall wohl fühlt, verhehlt der 29-jährige Pascal Holliger, ein einnehmender, sympathischer Typ, nicht, dass er eine Abneigung für dieses Leben in einer abgeschlossenen Welt empfindet.

Der schöne Pool, der gepflegte Garten, der Elektrozaun rund um das Anwesen und die patriotischen Begegnungen am 1. August sagen ihm wenig.

All dies kennt er bereits aus seiner Kindheit, als seine Eltern in Johannesburg lebten und arbeiteten und sich seine Kontakte mit der schwarzen Bevölkerung auf die «Maid» (Hausangestellte) und den Gärtner beschränkten.

«Township Tours»

2001, die Matura in der Tasche, frei von Sorgen und voller Tatendrang, kehrt der junge Pascal für Familienferien in das Land zurück, das er nur aus weisser Sicht kannte. Er bleibt schliesslich acht Monate.

In Port Elizabeth entdeckt er zum ersten Mal dieses andere Südafrika, das schwarze Südafrika, gezeichnet vom 50-jährigen, menschenverachtenden, rassistischen System der Apartheid.

Mit drei südafrikanischen Freunden kauft er einen VW-Bus Jahrgang 1972 und organisiert «Township Tours» für Touristen. «Unser Bus wurde im Township von New Brighton zur Legende», erzählt der Neuenburger mit einem leichten Anflug von Nostalgie in der Stimme.

In genau diesem Bus entstand nämlich die Nichtregierungs-Organisation (NGO) IMBEWU – wörtlich «Saatkorn» in isiXhosa, einer der elf Amtssprachen in Südafrika.

Zurück in der Schweiz, übernahm Pascal Holliger den Vorsitz der Organisation. Neben seinem Studium der Internationalen Beziehungen in Genf und kleinen Studentenjobs suchte der junge Mann mit Herz und Engagement nach Spendern, die Patenschaften für notleidende südafrikanische Kinder übernahmen.

Dank einem Austauschprogramm können junge Leute aus der Region einige Monate ihres Lebens mit südafrikanischen Jugendlichen verbringen.

Ein unglaublicher Einfallsreichtum

«Damals sprühte IMBEWU in der Romandie vor Ideen und Energie. In meinem kleinen Dorf Coffrane wurden praktisch alle Einwohner Mitglied der Organisation», erinnert sich Pascal Holliger.

2004, im Jahr des 10-jährigen Jubiläums der ersten freien Wahlen in Südafrika, wurde am Festi’neuch, dem grössten Musikfestival der Region, ein spezieller Abend veranstaltet.

Pascal Holliger und sein Team luden den südafrikanischen Musikstar Johnny Clegg zusammen mit Raymond Mhlaba, einer Symbolfigur im Kampf gegen die Apartheid, ans Festival am Neuenburgersee ein.

2004 war IMBEWU die erste NGO, die von der Roger Federer Stiftung Unterstützung erhielt. Lynette, die südafrikanische Mutter des Schweizer Tennisstars und Robert, sein Vater, waren schon mehrmals vor Ort in Port Elizabeth.

«Der Vater war anfänglich etwas bärbeissig, hat aber dann den Draht zu uns gefunden und die Organisation unglaublich unterstützt», erinnert sich Holliger.

Federer in Port Elizabeth

Die Presse greift das Thema auf und als Roger Federer 2005 selber Port Elizabeth besucht, ist das Echo gigantisch. Von diesem Moment an beginnt für die Organisation eine Zeit mit «Höhen und Tiefen». Die Mittel, die zur Verfügung stehen, sind mehr geworden, die Einsätze auch.

IMBEWU wird professioneller. 2006 zieht Pascal Holliger nach Port Elizabeth und übernimmt die Arbeit eines Koordinators. Doch innerhalb der Organisation kommt es zu Spannungen, die schmerzhafte Trennung ist unausweichlich. Seither gehen IMBEWU-Schweiz und IMBEWU-Afrika getrennte Wege.

An der Apartheid zerbrochen

Für Pascal Holliger sind solche Wendepunkte das Los aller NGO, vor allem in einem so schwierigen «historischen, kulturellen und sozialwirtschaftlichen» Kontext.

«Sowohl bei den Weissen wie bei den Schwarzen gibt es zwei Generationen, die Opfer der Apartheid waren. Nur mit den Jungen zusammen können weitere Schäden möglichst klein gehalten werden.»

Deshalb setzt IMBEWU für die Entwicklung voll und ganz auf die Karte Sport. Mit der Fussball-Weltmeisterschaft kommen auch die Sponsoren ins Land. Die Zusammenarbeit mit der lokalen Partner-NGO Umzingisi öffnet Pascal Holliger die Augen und sein Engagement hat ein klares Ziel und macht für ihn Sinn: Er will durch sportliche Aktivitäten den Jungen ein Selbstwertgefühl vermitteln und sie für die sozialen Probleme sensibilisieren (Drogen, Gewalt, Aids).

Der bald 30-jährige Holliger, den man wegen seinem krausen Haar, den fast perfekten Kenntnissen der Sprache isiXhosa und seinen hundertprozentigen «African Vibes» auch den «schwarzen Weissen» nennt, will sich nach der Weltmeisterschaft einer neuen Herausforderung stellen.

Botschafter der Stadt

Mit seinem beeindruckenden Adressbuch (Adolf Ogi, Prinz Albert von Monaco gehören dazu) würde der junge Mann überall auf der Welt eine Anstellung finden, doch es ist nicht sicher, dass Port Elizabeth ihn einfach so ziehen lassen würde.

Denn Pascal Holliger wird für sein Wirken in den Townships von Zwide und New Brighton, wo er zwei Jahre lang gelebt hat, als herausragende Persönlichkeit geschätzt.

Wenige können von sich behaupten, die bewegte Geschichte und die Licht- und Schattenseiten der sozialen Realität der Stadt so gut zu kennen. «Er ist einer unserer besten Botschafter», wagt der Direktor des örtlichen Tourismusbüros sogar zu behaupten.

Immer und immer wieder durchstreift Holliger in seinem blauen VW Chico die Viertel seiner Stadt. Durchs offene Fenster, den Ellbogen lässig aufgestützt, grüsst er alte Freunde am Strassenrand. «Etliche weisse Südafrikaner haben noch nie in ihrem Leben einen Fuss in diese Quartiere gesetzt», sinniert er. «Der Abschied am Abend und die Rückkehr nach Hause in mein schönes Quartier fällt mir jeweils schwer.»

Seit einigen Tagen sind seine Lebenspartnerin Kim Ramirez (auch sie eine Neuenburgerin) und er Eltern eines kleinen Jungen. Für Pascal Holliger beginnt ein neues Abenteuer, dafür ist er gut gerüstet – mit einem Rucksack voller Lebenserfahrungen.

Samuel Jaberg, Port Elizabeth, swissinfo.ch
(Aus dem Französischen von Christine Fuhrer)

Die neuenburgische Nichtregierungs-Organisation (NGO) hilft benachteiligten Kindern aus den Townships von Port Elizabeth, der fünfgrössten Stadt in Südafrika.

Die Organisation wurde 2001 von Pascal Holliger und drei Südafrikanern aus dem Township New Brighton ins Leben gerufen.

Das jährliche Budget beträgt heute 380’000 Franken, dank der finanziellen Unterstützung von Fr. 80’000 durch die Roger Federer Foundation. Diese Unterstützung wird jedoch nächstes Jahr enden.

Das Ziel der Organisation ist die Stärkung der psychosozialen Entwicklung der jungen Südafrikaner, um aus ihnen verantwortungsvolle Bürger zu machen.

Die ausserschulischen, sportlichen Aktivitäten sind ein Mittel zur Sensibilisierung der jungen Menschen für verschiedene Themen im sozialen Bereich oder rund um Gesundheitsfragen.

Dadurch sollen die Jungen lernen, ihr Risikoverhalten einzudämmen und den interkulturellen Austausch auszubauen.

Derzeit realisiert die Organisation durch IMBEWU-Südafrika und andere lokalen NGO Projekte im Bereich Schule, Berufsberatung und Stipendien, wie auch Entwicklungsmöglichkeiten durch Sport und kulturellen Austausch.

Port Elizabeth
Die fünftgrösste Stadt des Landes liegt auf der Südseite des afrikanischen Kontinents, hat mit gutem Grund den Übernamen «Stadt des Windes» und gehört seit 2001 zur Metropole Nelson Mandela Bay.

Sie zählt 1,3 Millionen Einwohner, wovon fast 800’000 in den Townships im Nordosten der Stadt leben. Schwarze und Mischlinge lebten dort während der Apartheid in engsten Verhältnissen.

Die Hafenstadt ist die südafrikanische Hauptstadt der Automobilindustrie, die zehntausende Personen beschäftigt. Die Wirtschaftskrise traf die Stadt und den Automobilmarkt mit voller Härte.

Die Wirtschaft will nun ihr Angebot diversifizieren, vor allem soll der Tourismus gefördert werden.

Port Elizabeth ist eine der Städte, die an der ersten Fussball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden Publikum und Spieler empfängt.

Die Schweizer Nationalmannschaft wird dort am 21. Juni ihr zweites Spiel der Vorrunde gegen Chile austragen.

Für mehr als 300 Mio. Fr. wurde das neue Stadium, das Nelson Mandela Bay Stadium, gebaut. Es umfasst 48’000 Plätze.

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