Der Staat rettet weder UBS noch Credit Suisse
Die internationale Finanzkrise hat Europa erreicht. Auch der Absturz einer Schweizer Grossbank ist nicht unmöglich. Zwei Spezialisten antworten auf die Frage: Was wäre, wenn...?
Professor Sergio Rossi ist Spezialist für Makroökonomie und Finanzwirtschaft an der Universität Freiburg. Michel Juvet arbeitet als Finanzexperte bei der Bank Bordier.
swissinfo: Wenn die UBS oder die Credit Suisse in eine Krise wie einige amerikanische Banken gerieten, würde dann der Schweizer Staat auch eingreifen und Milliarden reinstecken, wie das die Amerikaner und die Europäer tun?
Sergio Rossi: Man muss da zwischen der Schweizer Regierung und der Nationalbank unterscheiden. Die Regierung hat nicht die Mittel zur Rettung beider oder nur einer der Grossbanken. Zudem würde sie das auch nicht tun.
Wäre zum Beispiel nur die UBS betroffen und nicht das gesamte System, gäbe es keine Intervention. Wäre aber das gesamte Schweizer Bankensystem in Mitleidenschaft gezogen, müsste die Nationalbank intervenieren.
Die Nationalbank kann zur Liquiditätsversorgung beitragen, aber nicht zur Vermeidung einer hypothetischen Insolvenz der UBS. Man müsste genau abklären, ob man sich nur in einer Liquiditäts- oder in einer Insolvenzkrise befindet und ob auf den Finanzmärkten gleichzeitig noch Panik herrscht.
Michel Juvet: Wenn es sich um den Zuschuss von öffentlichen Geldern handelt, ist ein parlamentarischer Prozess nötig, wie es bereits das Beispiel im Fall Swissair gezeigt hat.
Und dabei kann die Politik auch irrational entscheiden, wie die gestrige Abstimmung im US-Kongress zeigt. Man könnte sich in der Schweiz die selbe Art von Debatten vorstellen wie in den Vereinigten Staaten: Zwischen den Ultra-Liberalen, die keine Einmischung des Staates wollen und der Linken, die eine starke Intervention bevorzugen.
Das könnte kompliziert und langwierig werden. Es würde mich sehr wundern, wenn es gelänge, die Dinge so schnell wie in den Benelux-Ländern zu regeln, wie das mit der Fortis Bank- und Versicherungsgesellschaft und der Dexia gemacht wurde.
Wäre die Übernahme durch eine ausländische Bank eine Lösung?
Sergio Rossi: Ja. Aber ich würde eine andere Option vorziehen. Wenn die UBS in Konkursgefahr gerät, sollte die Credit Suisse sie übernehmen, zumindest zu einem Teil. Zu diesem Zweck müsste die Wettbewerbskommission für einmal die Aussetzung jenes Gesetzes beschliessen, das eine solche Fusion verhindert.
Die Übernahme dürfte sich nicht aus dem Willen ergeben, mehr Gewinn zu erzielen. Sie könnte das schweizerische Bankenwesen retten, für das es nicht gut wäre, wenn die UBS unter die Fuchtel von Singapur, China oder eines Landes im Nahen Osten geraten würde.
Michel Juvet: Eine Fusion mit der Credit Suisse hätte zwangsläufig Auswirkung auf die Zahl der Beschäftigten, da Doppelspurigkeiten ausgemerzt würden. Andererseits hätte es den Vorteil, dass der Finanzplatz Schweiz seine Position verteidigen könnte, insbesondere das Bankgeheimnis.
Auf der anderen Seite würde sich eine Übernahme durch eine ausländische Bank nicht derart negativ auf die Beschäftigungssituation auswirken, sie wäre jedoch ungünstig bei der Verteidigung des Bankgeheimnisses.
Wir bewegen uns jetzt immer noch in einem «Wirtschafts-Fiktions-Szenario». Man kann sich zwar die Folgen eines Zusammenbruchs ausmalen, in Wirklichkeit befinden wir uns aber nicht an diesem Punkt.
swissinfo: Im Vergleich zu anderen Ländern scheint man in der Schweiz auf die Krise relativ ruhig zu reagieren. Ist das die Ruhe, die man aus seinem Wissen bezieht oder fusst sie eher auf einer gewissen Naivität?
Michel Juvet: Ich habe den Eindruck, dass es sich um eine Art von Naivität handelt. Man sagt sich, im letzten Jahr hat es so viel Wachstum gegeben, dass uns in diesem Jahr nichts passieren kann.
Dies zeigt sich auch gut in der Debatte «Tritt die Schweiz in eine Rezession oder nicht?» Man spricht von einem eventuellen Bankenproblem, aber man wagt kaum, weiter zu denken. Und die Ideen, die geäussert werden, gehen kaum darüber hinaus, dass «man etwas tun muss».
Aber die Rezession wird kommen, auch wenn sie noch nicht da ist. Ich erwarte sie Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres. Sie wird vermutlich etwas sanfter ausfallen als anderswo, aber sie wird da sein.
swissinfo: Aber bei den Schweizer Behörden, der Nationalbank, dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft – geht es dort in die richtige Richtung?
Sergio Rossi: Ich denke, sie leisten gute Arbeit, seriös und rigoros. Das Problem ist, dass sie zu lange gewartet haben. Vor allem die Eidgenössische Bankenkommission und die Nationalbank haben zuwenig aufgepasst, was die Banken tun.
swissinfo-Interview: Pierre-François Besson und Marc-André Miserez
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)
UBS und Credit Suisse seien «gut kapitalisiert und eine Intervention des Staates ist nicht nötig», sagte am Dienstag eine Sprecherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD).
«Das EFD steht in engem Kontakt mit der Eidgenössischen Bankenkommission und der Schweizerischen Nationalbank, welche die Entwicklung aufmerksam verfolgen», fügte sie an.
Angesprochen auf die Möglichkeit eines «Worst-Case-Szenarios» sagte sie, das Ministerium habe ein solches vorbereitet, man befinde sich aber nicht in der entsprechenden Situation.
Die grösste Bank der Schweiz wird am Donnerstag in Basel an einer ausserordentlichen Generalversammlung vier neue Verwaltungsräte wählen. Ziel: Stärkung der Kompetenz des bis zum Frühling sehr geschwächten Verwaltungsrates.
Die Aktionäre könnten an dieser GV auch mit zusätzlichen Abschreibern konfrontiert werden – das in einem Moment, in dem sich die Finanzkrise noch verschärft.
Im zweiten Quartal 2008 erlitt die UBS einen Nettoverlust von 358 Mio. Fr. und im ersten einen solchen von 11,9 Mrd. Fr.
Benelux: Die Regierungen der drei Länder schiessen 11,2 Mrd. Euro ein, um den Zusammenbruch der riesigen Fortis (Bank und Versicherung) mit mehr als 62’000 Beschäftigten zu verhindern.
Deutschland: 35 Mrd. Mrd. Euro Nothilfe durch den Staat, Privatbanken und die Europäische Zentralbank um den Konkurs der Hypo Real Estate (Immobilien- und Kreditfinanzierung) abzuwenden.
Grossbritannien: 23 Mrd. Euro um nach der Northern Rock auch die Bank Bradford & Bingley zu retten.
Island: 600 Mio. Euro zur Verstaatlichung der drittgrössten nationalen Bank zur Vermeidung eines Konkurses.
Russland: Die Zentralbank stellt 50 Mrd. Dollar für die Bereitstellung der Liquidität im Bankensektor zur Verfügung.
Frankreich, Belgien und Luxemburg: 6,4 Mrd. Euro öffentliche Gelder für eine Kapitalerhöhung der Dexia Bank.
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