Detailhandel bereitet sich auf Preiskrieg vor
Dem deutschen Hard Discounter Aldi genügt die Deutschschweiz nicht. Er will sich auch in der Romandie niederlassen.
Der Branchenexperte James Bacos meint jedoch in einem Gespräch mit swissinfo, die bestehenden Detailhandels-Riesen Migros und Coop seien gut platziert, um ihre Positionen zu verteidigen.
Die beiden Schweizer Detailhandels-Riesen Migros und Coop geben Gas – in Erwartung von Aldi und Lidl, den beiden grössten deutschen Discountern. Doch der Detailhandels-Experte James Bacos glaubt, dass die Schweizer Marktleader viel besser positioniert seien, den beiden Discountern die Stirn zu bieten als ihre deutschen Kollegen.
Bacos, Direktor der Münchner Mercer Management Consulting, ist Mit-Autor einer kürzlich erschienenen Studie über Deutschlands «Discounter-Krieg». Aldi und Lidl vermochten in diesem Bereich 40% des Marktanteils zu vereinnahmen.
Aldi kündigte Pläne für Discountläden in der Deutsch- und Westschweiz an. Vom Rivalen Lidl wird erwartet, dass er in Kürze folgt.
Laut Westschweizer Medienberichten hat Aldi nun eine Kaufabsicht für ein Baugelände in Domdidier im Kanton Freiburg unterzeichnet, um für die ganze Romandie ein Verteilzentrum zu bauen.
Dabei sollen 300 Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Legislative von Domdidier muss sich nächsten Monat zu diesem Verkauf noch äussern.
Laut Bacos hängt das Schicksal der beiden Schweizer Detailhandels-Riesen stark davon ab, ob sie aus den Fehlern ihrer deutschen Kollegen gelernt haben oder nicht.
swissinfo: Was fand Ihre Studie zum deutschen Markt heraus?
James Bacos: Die wichtigste Folgerung der Studie war ganz einfach – in Deutschland haben die Discounter bereits gewonnen. Sie haben eine Welt erfunden, die in verschiedene Discountläden und Hypermärkte aufgeteilt ist.
Die Discountläden offerieren eine beschränkte Palette von Produkten zu sehr niedrigen Preisen. Die Grossmärkte hingegen bieten die gesamte Palette an, aber zu höheren Preisen. Diese überleben, weil sie als «One-Stop-Shop» funktionieren, wo man alles in einem kaufen kann.
Das Problem besteht nun darin, dass die deutschen Konsumenten gelernt haben, ihren Einkaufskorb aufzuteilen. Sie kaufen die billigen Basisprodukte beim Discounter, und fürs Übrige gehen sie anderswo hin.
Jetzt, wo die Discounter in Deutschland die 40-Prozent-Marke beim Marktanteil erreicht haben, möchten sie expandieren, inklusive Schweiz.
swissinfo: Wo genau haben die deutschen Detailhandels-Riesen einen Fehler gemacht
J.B.: Einer der grössten Fehler bestand darin, dass diese dachten, man könnte die hohen Preise der Produkte bewahren, indem hohe Investitionen in deren Werbung und Promotion gemacht wurde. Doch das kostet einen Haufen Geld.
Auch müsste man die Leute überzeugen können, all jene Dinge zu kaufen, für die keine grosse Promotion gemacht wird. Doch das geschieht nicht, weil die Preisunterschiede einfach zu hoch liegen.
In Grossbritannien hingegen haben die etablierten Detailhandels-Ketten die Kraft der Discounter nicht unterschätzt. So senkten sie die Preise zwar, aber nur selektiv. Dafür behielten sie die gesamte grosse Produktepalette, inklusive der eigenen Marktenartikel. Präsentiert wurde die Palette sowohl produkte- als auch preismässig klar hierarchisch.
Mit dem Resultat, dass die Discounter in England von den Detailhandels-Ketten an den Rand gedrängt wurden.
swissinfo: Werden die Discounter in der Schweiz Erfolg haben? Hier sind die Marktführer Migros und Coop noch viel dominanter?
J.B.: Die Situation in der Schweiz unterscheidet sich stark von jener in Deutschland. Es sieht hierzulande ähnlich aus wie vor fünf oder sechs Jahren in Grossbritannien.
Interessant ist, dass in beiden Ländern hohe Landpreise zu bezahlen sind. Das schreckt Discounter ab. Auch lassen beide Länder eine höhere Arbeitsmarkt-Flexibilität zu. Discounter jedoch profitieren eher von strikt regulierten Arbeitszeiten und Arbeitskosten.
Abgesehen von solchen Eintritts-Barrieren profitiert die Schweiz auch vom zeitlichen Vorteil. Denn in Deutschland haben die Discounter bereits gewonnen.
swissinfo: Wie stark wird sich die Preisdifferenz zwischen Deutschland und der Schweiz ändern müssen, damit die schweizerischen Detailhandels-Riesen langfristig erfolgreich bleiben?
J.B.: Die Uni Freiburg stellte Ende 2003 eine Vergleichspalette von 177 Artikeln auf. Dabei zeigte sich, dass der deutsche Einkaufskorb nur halb so teuer war wie der schweizerische.
Die Preisunterschiede ergaben sich nicht nur bei den neu lancierten und den «No-Name»-Produkten, sondern auch bei den bekannten Marken-Artikeln. Dieser Preisunterschied dürfte schätzungsweise von 50% auf rund 20% sinken.
Für den Moment genügt es wohl zu wissen, dass die Schweizer zu viel für die Artikel bezahlen. Als Konsumenten sollten sie deshalb mit den jüngsten Entwicklungen zufrieden sein.
swissinfo: Was sind also die strategischen Optionen für die Schweizer Detailhändler?
J.B.: Falls sie es ihren deutschen Kollegen nachmachen wollen, werden sie sehr schnell belehrt, dass man sehr wohl sehr gute Qualität zu sehr tiefen Preisen einkaufen kann.
Meiner Einschätzung nach sollten die Schweizer Detaillisten deshalb die englische Strategie einschlagen. Migros und Coop haben zumindest eine Chance, die Discounter zu schlagen. Während die Kleinhandels-Riesen in Deutschland nun versuchen müssen, wenigstens die Nummer 2 hinter den Discountern bleiben zu können.
swissinfo: Hören Migros und Coop auf Sie?
J.B.: Bisher haben die beiden sehr unterschiedlich reagiert. Migros begann schon sehr früh, ihre M-Budget-Linie einzuführen. Coop hingegen positioniert sich mit sehr aggressiven Kampagnen.
Das Problem von Coop besteht darin, dass weiterhin hohe Preisunterschiede bestehen, ohne dass klar wird, ob diese Unterschiede durch bessere Qualität oder Dienstleistung wettgemacht werden.
Ein Vergleich eines typischen Artikel-Korbs zeigt, dass man bei Denner, dem derzeit führenden Tiefpreis-Discounter, 112 Franken bezahlt, was bei der Migros 117 Franken und bei Coop 137 Franken kostet.
Wobei sich im Fall von Coop die Hälfte dieser Artikel in Aktion befinden, sonst wäre der Preisunterschied noch höher. Wo würden Sie jetzt einkaufen?
swissinfo-Interview: Chris Lewis
(Aus dem Englischen von Alexander Künzle)
Bei den schweizerischen Detailhandels-Ketten steigt die Nervosität.
Es steht ein Preiskrieg mit den deutschen Discounter-Grössen Aldi und Lidl bevor.
Bei rund doppelt so hohen Detailhandels-Verkaufspreisen wie in Deutschland verwundert diese Nervosität kaum.
Doch James Bacos, Detailhandes-Experte, glaubt, die Schweizer Detaillisten-Ketten seien gut platziert für den Kampf.
Vorausgesetzt, sie reagieren jetzt schon.
Migros und Coop vereinen beide einen Marktanteil von 70% des Schweizer Lebensmittelvolumens.
Die Schweizer Detaillisten leiden unter dem Einkaufstourismus der Schweizer im naheliegenden Ausland.
Dort werden jährlich schätzungsweise 1,4 Mrd. Franken von Schweizern ausgegeben.
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