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Detailhandel: Stabile Preise – trotz Lidl

Im Lidl-Jahr 2009 gab es weniger Preisrutscher als bei Aldis Einstieg vor 4 Jahren (Bild). Keystone

Vor einem Jahr eröffnete Lidl Schweiz die ersten Filialen. Der Markteintritt dieses Harddiscounters liess vier Jahre nach Aldi auf weitere Preisnachlässe hoffen. Doch richtige Preisrutscher gab es 2009 kaum. Dafür zeigt sich der Detailhandel als krisenresistent.

Der Detailhandel in der Schweiz ist geprägt von Kontrasten: Einerseits herrscht starke Konkurrenz in einem gesättigten Markt, andererseits dominieren mit Migros und Coop zwei ganz Grosse.

Auch werden die im Vergleich zum Ausland oft immer noch höheren Preise kritisiert. Gleichzeitig schätzen die Schweizer die gute Qualität der Produkte und die gepflegte Auslage.

Und bei den Lieferanten schliesslich sorgt die Macht der beiden preisdrückenden Branchenriesen für Ärger, während preistreibende biologisch und ökologisch zertifizierte Produkte im Vormarsch sind.

Bewegte Jahre

Die vergangenen Jahre waren im Einzelhandel geprägt von Zusammenschlüssen, wirtschaftspolitischen Erleichterungen und erwarteter Marktöffnung: So übernahm Coop die Schweizer Filialen des französischen Riesen Carrefour, und Migros erstand Denner.

Gleichzeitig fiel ein jahrzehntelang aufrecht erhaltenes Marktbollwerk gegen aussen: Es muss nicht mehr obligatorisch teuer über Generalimporteure eingeführt werden, günstigere Paralleleinfuhren sind ebenfalls zulässig.

Für fast noch mehr Schlagzeilen sorgte die Ankunft der beiden Rivalen Aldi und Lidl. Mit diesen deutsch-europäischen Harddiscountern kommen für die Schweiz ungewohnte Billig-Konzepte ins Land: Allein deren Ankündigung versetzte die bestehenden Akteure in einen Zustand der Unruhe.

Nun präsentiert Lidl seinen ersten Jahresabschluss: Ein Jahr nach seinem Schweizer Markteintritt wird der deutsche Discounter Ende März 2010 über 35 Läden verfügen. Endziel sind 200 Filialen, wie bei Aldi auch. Zum Vergleich: Denner, die Nummer eins der Schweiz im Billigsegment unterhält rund 750 Filialen.

Diese Entwicklungen haben für die Schweizer Konsumenten, Lieferanten und Arbeitnehmer 2009 Folgen gehabt – wenn auch nicht die erwarteten.

2009 kein Jahr der Preisrutscher

«Leider haben sich Aldi und Lidl ziemlich stark dem vorherrschenden Preisniveau im Detailhandel angepasst», bedauert Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz. Dabei seien deren Markteintritt «mediale Preisschlachten gegen das Hochpreisimage» vorausgegangen, die bei Konsumenten Erwartungen geweckt haben.

Gerade in Kombination mit der wirtschaftspolitischen Liberalisierung, die neu Parallelimporte zulasse, gäbe es in Sachen Preisreduktion noch einiges Potenzial, sagt Stalder gegenüber swissinfo.ch. Besonders bei ausländischen Discountern, die ihre Ware dort einkaufen, wo sie am günstigsten ist.

Stalder glaubt nicht, dass sich das gepflegte Bild der Detailhandelsläden in der Schweiz in eine Schmuddelkarton-Wirklichkeit verwandle, kaum dass die deutschen Discounter einen ansehnlichen Marktanteil erobert hätten: «Der Schweizer Markt ist mit dem deutschen nicht vergleichbar. Hier sind regionale, saisonale und nachhaltig produzierte Lebensmittel wie Bio-Produkte gefragt.»

«Eintritt der Harddiscounter birgt Gefahren»

Das ist auch die Meinung von Sandra Helfenstein vom Schweizerischen Bauernverband SBV, welche die Meinung der Zulieferer aus der Landwirtschaft ausdrückt: «Im Gegensatz zum deutschen Konsumenten sind Schweizer qualitätsbewusster, was die Produkte und das Verkaufsumfeld betrifft.» Auf schöne Auslagen werde man also in der Schweiz auch in Zukunft Wert legen.

Damit hört aber die Gemeinsamkeit in den Einschätzungen von Konsumenten- und Zulieferer-Vertreter auf. Helfenstein befürchtet: «Der Eintritt der Harddiscounter birgt die Gefahr in sich, dass sich die Preisspirale schneller nach unten dreht, besonders weil sich die etablierten Detailhändler scheinbar bedroht fühlen und versuchen, sich ihrerseits gegenseitig zu unterbieten.»

Diese Entwicklung benachteilige die Schweizer Produzenten, insbesondere die Bauern, die gezwungen seien, Lebensmittel «auf Grund des hohen Kostenumfelds in der Schweiz teurer zu produzieren als das Ausland».

Helfenstein relativiert den häufigen Vorwurf an die Schweizer Bauern, «Kostenverursacher» zu sein, auch aus einem anderem Grund: Früher hätten Migros oder Coop die Kartoffeln und Rüebli direkt verkauft, heute werden Kartoffeln und Rüebli zunehmend in Form von vorgekochten Convenience-Produkten angeboten. Dies vermindere die Wertschöpfung des Bauern am Produkt und vergrössere diejenige der Verarbeiter.

«Der Anteil des Rohstoffs am Endpreis der Ware verringert sich stark», sagt Helfenstein. Die Preisverläufe driften auseinander: «Während in den letzten 20 Jahren die Rohstoff- sprich Produzentenpreise um 20 Prozent sanken, stiegen die Konsumentenpreise um 15 Prozent.»

Auch das Bundesamt für Landwirtschaft hat letzte Woche mitgeteilt, dass die Preissenkungen nicht vollständig an die Konsumenten weiter gegeben werden – Harddiscounter hin oder her. Es sieht also danach aus, dass sich die Preisrutscher, die es beim Markteintritt von Aldi vor vier Jahren gab, 2009 beim Eintritt von Lidl nicht wiederholt haben.

Arbeitsmarkt: Eher Umverteilung als Wachstum

Lidl Schweiz will bis Ende dieses Jahres 500 neue Stellen schaffen, Aldi Schweiz braucht wohl ähnlich viele. Denner beschäftigt zur Zeit rund 3600 Personen. Absolventen- und Nachwuchssuche ist also im Detailhandel-Arbeitsmarkt angesagt. Auf den ersten Blick dürfte dies zumindest vorderhand für steigende Löhne sorgen.

Doch Carlo Mathieu von der Gewerkschaft Syna relativiert: «Es trifft zwar zu, dass die Discounter höhere Anfangsgehälter haben als die Konkurrenz.» Allerdings haben Mitarbeitende bei Migros und Coop kürzere Arbeitszeiten und werden für Wochenend- und Abendeinsätze zusätzlich entschädigt.

«Zusätzlich unterstehen Migros- und Coop-Angestellte einem Gesamtarbeitsvertrag, jene von Lidl und Aldi dagegen nicht.»

Auch beim erhofften Wachstum der Branche hat Mathieu Bedenken: Zwar schafften Harddiscounter zur Zeit Arbeitsplätze, weil sie auf Expansionskurs seien. Nur: «Der Gesamtumsatz im Schweizer Detailhandel bleibt fast gleich gross.»

Deshalb, so Mathieu, finde nur eine Umverteilung statt: «Aldi und Lidl schaffen derzeit Stellen, bei Migros und Coop sinkt die Zahl der Arbeitsplätze tendenziell.»

Alexander Künzle, swissinfo.ch

Einzelhandel (Retailing): In dieser Branche beschaffen Unternehmen, die ab einer gewissen Grösse über ein Filialnetz verfügen, Waren verschiedener Hersteller und verkaufen sie an nichtgewerbliche Kunden, an Konsumenten (Letztverwender).

Vollsortimenter wie Migros und Coop führen das volle Sortiment der Branche (Food, Non-Food, Gastronomie, Reisen, etc.); Fachgeschäfte oder Discounter führen ein selektives Sortiment und können die Vollsortimenter damit in Teilbereichen preislich unterbieten; Waren-/Kaufhäuser führen ein umfangreiches Warenangebot.

Migros und Coop haben den Schweizer Detailhandel während Jahrzehnten dominiert. Zusammen erreichen sie rund einen Drittel des Marktvolumens, bei Lebensmitteln und Getränken bis zu 70%.

Der Schweizer Detailhandel ist erfolgreich ins neue Jahr gestartet: Im Januar nahmen die Detailhandelsumsätze im Vergleich zum Vorjahr wertmässig (nominal) um 4% zu.

Unter Berücksichtigung der Teuerung ergab sich laut dem Bundesamt für Statistik ein Plus von (real) 4,4%.

Die Umsätze mit Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren stiegen im Januar um 1% (nominal: +1,1%).

Ohne Nahrungsmittel ergab sich ein Wachstum von 0,5% (nominal: +0,2%).

Im Jahresvergleich stiegen die teuerungsbereinigten Umsätze um 5,4% (nominal: +4,6%).

Der Handel mit Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren nahm um 5,5% zu (nominal: +4,3%).

Migros
Coop
Denner
Aldi
Lidl
Spar
Manor
Volg
Valora

Zurzeit hat der deutsche Discounter Lidl in der Schweiz 30 Filialen.

Bis Ende 2010 sollen es doppelt so viele sein.

Im Herbst soll die erste Westschweizer Filiale eröffnet werden.

Lidl-Chef Andreas Pohl spricht von rund 200 Filialen, die es brauche, um «flächendeckender Nahversorger» für die Schweiz zu sein.

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