Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Deutsche Diaspora erhält «integrative» Zeitung

Ende 2008 lancierte "Die Zeit" eine eigene Schweiz-Ausgabe, im Sommer erschien "Exgüsi", ein Knigge für Deutsche und Schweizer. Und jetzt kommt die "Deutsche WochenZeitung" auf den Schweizer Markt. Braucht es dieses Blatt?

Die Deutsche WochenZeitung Schweiz, die erstmals am 6. November in einer Auflage von 10’000 Exemplaren erscheint, will den rund 250’000 Deutschen in der Schweiz die Sitten und Tücken des Gastlandes vermitteln und die Integration erleichtern, Vertrauen schaffen und Vorurteile abbauen.

Die Null-Nummer gibt einen ersten Vorgeschmack darauf, was die Leserschaft vom neuen Medienprodukt zu erwarten hat: Das altbekannte Thema Sprachunterschiede zwischen Schweizern und Deutschen findet ebenso Platz wie die ewigen Klischees rund um den «hässlichen und arroganten Deutschen».

Zudem liefert das Blatt ein Interview mit dem in der Schweiz lebenden Deutschen Autor René Zeyer. Der Kommunikationsexperte hatte mit seinem Buch «Bank, Banker, Bankrott» jüngst einen Bestseller gelandet.

Die Idee aus der Luft

Das Projekt für die Deutsche WochenZeitung stammt vom 57-jährigen PR-Fachmann Ole Glausen, gebürtiger Däne mit Schweizer Pass, der zur Zeit in Holland lebt und als Secondo in der Schweiz selber erfahren hat, «wie schnell Missverständnisse entstehen können».

Wie er gegenüber swissinfo.ch ausführt, wurde die Idee im Flugzeug oder im Zug geboren, so genau weiss Glausen es nicht mehr, denn er ist viel unterwegs – zwischen der Schweiz, Dänemark, Holland und Deutschland. Der Mann ist aber nicht nur Reisender, er versteht sich auch als Mediator, als Motivator.

So will er etwas tun gegen Vorurteile und Ressentiments, gegen den latenten Rassismus gegenüber Deutschen, wie er sagt. «Wir wollen integrativ wirken und müssen uns um unsere Mitmenschen kümmern, da gehören die Deutschen dazu.»

Denn dass es Ressentiments gebe, zeigten die vielen Wortmeldungen, welche die Redaktion erhalten habe. «Dem Schweizer ist es lieber, wenn er am Krankenbett von einer Schweizer Pflegerin umsorgt wird und der Tramführer Schweizerdeutsch spricht», so Glausen.

Die Skepsis des Experten

Roger Blum, Direktor des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern, ist skeptisch, was den Erfolg der der neuen Zeitung betrifft.

«Will man Vorurteile abbauen, muss man dies zur Zeit bei den Schweizerinnen und Schweizern tun, denn sie sind es, die eine Abwehrfront gegen Deutsche aufbauen.» Das Blatt richte sich aber an die Deutschen und werde bei den Schweizern wohl kaum Beachtung finden.

Wenn sich das Verhalten der Schweizer gegenüber den Deutschen aber radikalisiere und sie sich «den Deutschen gegenüber so verhalten würden wie in den 1960er-Jahren gegenüber den Italienern, könnte eine solche Zeitung sehr wohl an Bedeutung gewinnen und Erfolg haben», mutmasst Roger Blum.

Es braucht sie

Initiator Glausen jedenfalls ist überzeugt, dass es seine Zeitung braucht. Dies hätten die Reaktionen auch von Seiten der deutschen Behörden gezeigt. So seien er und seine Partner vom Generalkonsulat in Zürich und der deutschen Botschaft ermuntert worden, das Projekt zu realisieren.

Dem Medienexperten Blum ist allerdings nicht ganz klar, wieso eine ausländische Gemeinschaft, welche die gleiche Sprache spricht wie die Mehrheit in der Schweiz, es nötig haben sollte, eine eigene Zeitung zu haben, bei Türken oder Russen in der Schweiz sei es nachvollziehbar.

«Deutsche können unschwer die NZZ, die Basler Zeitung oder den Tages-Anzeiger konsumieren. Dort erfahren sie viel über Deutschland, die Schweiz und alles andere auch.»

Für den Chefredaktor der Deutschen WochenZeitung gibt es aber durchaus ein Bedürfnis für sein Blatt: «Die Produkte, die auf dem Markt sind, erfüllen den Anspruch nicht, den wir an uns selber stellen: Wir wollen informieren, Ratgeber sein und unterhalten.»

Die Zeiten sind hart

Die Deutsche WochenZeitung kostet im Jahresabonnement 50 Franken. Das deckt gerade die Kosten für den Versand. So genannte Advertorials, also Publireportagen über Firmen, sollen Geld in die Kasse fliessen lassen. Und wenn man den Inserate-Eingang betrachte, gebe es im Moment keinen Grund zur Sorge, so Glausen.

Der PR-Mann weiss, dass schwierige Zeiten herrschen, die Zeitungen unter Druck stehen, die Werbeeinnahmen zurückgehen und Stellen abgebaut werden.

«Wir sind zufrieden, wenn wir Ende Jahr sagen können, dass wir nichts draufgelegt haben. Zudem haben wir einen Investoren an Bord, der uns hilft, das Budget ausgewogen zu halten.»

Medienexperte Blum sieht allenfalls eine Nische für das Blatt, sollte es eine Gruppe von Unternehmen geben, die sich besonders an die Deutschen in der Schweiz wenden möchten.

«Sonst aber könnte es schwierig sein. Die Unternehmer schauen sehr genau, wo sie Werbung machen, und ziehen in der Regel eine glaubwürdige Zeitung mit grosser Auflage einem neuen Medium vor.»

Gaby Ochsenbein, swissinfo.ch

Sie startet am 6. November 2009 im Acoma Verlag, Kopenhagen.

Ab Januar sind Ausgaben für Deutsche in den Niederlanden und Dänemark geplant.

Die Redaktion besteht aus zwei deutschen und zwei Schweizer Journalisten. Chefredaktor und Verlagsleiter ist Ole Glausen.

Wöchentlich werden 25’000 Exemplare (Startauflage 10’000) im A4 Format gedruckt.

Die Zeitung umfasst 32-60 Seiten. 40-50% sollen Inserate ausmachen.

Ein Jahres-Abonnement für 50 Ausgaben kostet 50 Franken.

Der Knigge für Deutsche und Schweizer ist im Orell Füssli Verlag Zürich erschienen. Autoren sind die in der Schweiz lebende deutsche Journalistin Sandra Willmeroth und der Schweizer Wirtschaftsjournalist Fredy Hämmerli.

Das Buch versteht sich als Ratgeber «zur Vermeidung grober Missverständnisse», vermittelt aber auch Fakten und Hintergründe über Dialekte in der Schweiz und Deutschland und sucht nach Erklärungen für gegenseitige Klischees und Vorurteile.

In der Schweiz leben rund 240’000 deutsche Staatsangehörige.

Die Deutschen sind nach den Italienern die zweitgrösste Ausländergruppe.

Die Schweiz ist in den letzten Jahren zum beliebtesten Auswanderungsziel für Deutsche geworden.

Rund 75’500 Schweizerinnen und Schweizer leben in Deutschland.

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