Die Bahn – ein sicheres Verkehrsmittel
Verglichen mit dem Auto und dem Flugzeug ist die Eisenbahn das sicherste Verkehrsmittel. Mangelnde Investitionen in die Bahninfrastruktur könnten die Sicherheit jedoch gefährden.
Das sagten Experten am Wissenschafts-Apero der Eidgenössischen Material-Prüfungs-Anstalt, EMPA.
«Wenn ich es mir einfach machen wollte, könnte ich schlicht sagen; ‹Ja, die Eisenbahn ist sicher› und wieder gehen», sagte Matthias Müller, Risikoingenieur beim Rückversicherer Swiss Re. «Aber sie wollen es vermutlich etwas detaillierter.»
Das wollten die Zuhörerinnen und Zuhörer, die mehrheitlich im Auto angereist waren, tatsächlich.
Müller definierte zu Beginn, was er unter Sicherheit versteht. Es gebe die statistische Sicherheit, aber auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen.
Dazu komme, so Müller, dass Menschen etwas als «sicher» empfänden, wenn es ihnen keinen Schaden zufüge. So gebe es eine «vergleichende» Sicherheit und eine «definierte» Sicherheit.
Eisenbahn vor Flugzeug und Strasse
Verglichen mit dem Auto und dem Flugzeug sei die Eisenbahn das sicherste Transportmittel, sagte Müller. An zweiter Stelle liege das Flugzeug, dann erst komme das Auto.
«Weltweit kommen bei Verkehrsunfällen pro Jahr rund 1,2 Mio. Menschen ums Leben, rund 50 Mio. werden verletzt.»
Die Eisenbahn schneide da rund 400 mal besser ab. «Dieses Verhältnis gilt auch für die Schweiz, wo im vergangenen Jahr im Strassenverkehr 549 Personen ums Leben kamen. Die Schweizerischen Bundesbahnen hatten im gleichen Zeitraum lediglich einen Toten zu verzeichnen.»
Bei Unfällen rund um die Bahn kamen allerdings 39 Personen ums Leben, wie SBB-Sprecher Jean-Louis Scherz ergänzte. Darin enthalten sind unbefugte Geleiseüberschreitungen, Suizide, Arbeitsunfälle und Zugsurfen.
Matthias Müller hat für Swiss Re eine Unfallstatistik über die vergangenen zehn Jahre erstellt und dabei auch die gefahrenen Kilometer berücksichtigt.
«So gesehen dürfen Sie schreiben, dass die Bahn rund sechs mal sicherer ist als der Strassenverkehr», sagte Müller im Gespräch mit swissinfo.
Subjektive Wahrnehmung
Zugsunfälle würden von den Medien und der Öffentlichkeit viel stärker wahrgenommen, als Unfälle im Strassenverkehr. «Auch dann, wenn keine Opfer zu beklagen sind, schaffen es Zugunfälle in die Tagesschau und auf die Frontseite der Zeitungen.»
Müller führte dieses Bespiel an, um zu zeigen, dass zwischen der subjektiven Wahrnehmung und der tatsächlichen Tragweite eines Zugunfalls offensichtlich Unterschiede bestehen. «Das wiederum wirkt sich auf das Sicherheitsempfinden von uns Menschen der Bahn gegenüber aus.»
Genau deshalb müsse die Bahn alles daran setzten, dass keine Unfälle geschehen, sagte Christoph Kauer von der Alp Transit Gotthard AG.
Angst vor Tunnels
Die Alp Transit baut zur Zeit den längsten Tunnel der Schweiz, den 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel der NEAT. «Wir versuchen, die maximale Sicherheit zu gewährleisten», so Kauer. «Denn vor Unfällen in Tunnels fürchten sich unsere Kunden am meisten.»
Auch entspreche das subjektive Empfinden nicht den Tatsachen. «Die letzten Unfälle mit Todesopfern in einem Tunnel der SBB ereigneten sich 1971 im Simplontunnel und 1932 im Gütschtunnel bei Luzern.»
Trotzdem versuche man alles, den längsten Tunnel der Welt sehr sicher zu machen. «Die Geleise verlaufen in getrennten Röhren, damit Zusammenstösse unmöglich sind und eine Röhre für einen allfälligen Rettungszug benutzt werden könnte.»
Im Tunnel werden zwei Notfall-Bahnhöfe gebaut. Auf Weichen – die Achillesferse der Eisenbahn – werde verzichtet.
Terror und leere Staatskassen
Die Gefahr, dass bei leeren Staatskassen weniger in die Bahn-Infrastruktur investiert werde, sei vorhanden. Das fördere weder die Sicherheit der Bahn, noch das Sicherheitsempfinden der Kunden, sagte Kauer.
Sorgen bereitet den Bahnverantwortlichen zunehmend die offenliegende Infrastruktur, welche anfällig sei für Sabotage und Terroranschläge. Zur Zeit wird gar geprüft, die Zugänge zum neuen Gotthardtunnel mit einem Sicherheitszaun zu schützen.
Nie restlos sicher
Rolf Kieselbach, Experte für Schadenfälle bei der EMPA bezeichnete die Bahnen als «sehr sicheres Verkehrsmittel, auch wenn es die totale Sicherheit nie geben wird».»
Kieselbach war an Untersuchungen der EMPA nach dem schweren Zugsunglück im Juni 1998 bei Eschede (Deutschland) beteiligt.
Dabei waren 110 Menschen ums Leben gekommen. Eine Strafuntersuchung gegen mögliche Verantwortliche wurde mittlerweile eingestellt. Es gab, so belegten die Gutachten der EMPA, keine Versäumnisse.
«Was Menschen machen, wird nie restlos sicher sein», sagte Kieselbach und entliess die Anwesenden mit dem Allerweltsausdruck «Restrisiko» in den Alltag.
swissinfo, Urs Maurer, Dübendorf
Gemäss Swiss Re werden rund 50% der weltweiten Eisenbahnunfälle durch den Strassenverkehr verursacht. 20% durch Naturereignisse und nur rund 7% durch Fehlverhalten des Bahnpersonals.
Weltweit starben 2003 bei Verkehrsunfällen rund 1,2 Mio. Menschen.
Die Zahl der Eisenbahnopfer 2003 ist nicht genau bekannt, wird aber auf rund 3000-4000 geschätzt.
In der Schweiz starben im vergangenen Jahr 549 Personen im Strassenverkehr.
Im Eisenbahnverkehr war lediglich ein Toter zu beklagen.
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