Die Bahn muss auf der Langstrecke gewinnen
Im Gütertransport zwischen Rotterdam und Genua sind die europäischen Bahnen noch nicht erfolgreich genug. Die Schweizer Güterbahnen haben jedoch mehr Erfolg.
Sie steigern ihren Anteil am Güterverkehr durch die Alpen stetig. Ihre gute Position führen sie unter anderem auf die Schweizer Verkehrspolitik zurück.
Der über tausend Kilometer lange Schienen-Korridor zwischen Rotterdam und Genua ist für die Schweiz sehr wichtig. Nur wenn die Bahn hier Marktanteile beim Gütertransport gewinnt, wird die Lastwagenlawine durch die Alpen deutlich abnehmen.
Eine kürzlich in Brüssel vorgestellte Fallstudie zeigt nun aber, dass der Marktanteil der Bahnen stagniert. Obwohl die Schiene gemäss der Untersuchung des Dachverbandes der europäischen Bahnen (CER) im Jahr 2004 zwischen 5 und 10% mehr Güter auf dieser Strecke transportierte, verharrte ihr Anteil bei gut einem Fünftel des Marktes.
Enttäuschendes Resultat
Dies sei eine «böse Überraschung», kommentierte der frühere EU-Verkehrskommissar Karel Van Miert bei der Präsentation der Studie: «Wo soll die Verlagerung gelingen, wenn man es auf dem Hauptkorridor nicht schafft?», fragte er.
Die Enttäuschung ist berechtigt. Denn Dank der Liberalisierung funktionieren die Güterbahnen inzwischen sehr viel besser. Laut der CER-Studie transportiert die Bahn nicht nur schneller und pünktlicher. Auch die Preise sind um 15 bis 20% gesunken.
Bessere Resultate in der Schweiz
Bei den Schweizer Bahnen ist man über das mittelmässige Resultat der CER-Studie überrascht. «In der Schweiz erleben wir gerade den umgekehrten Trend», sagt die Sprecherin von BLS Cargo Stefanie Pfander.
Tatsächlich konnten die Bahnen ihren Anteil am Güterverkehr durch die Schweizer Alpen von 63% im Jahr 2003 auf 67% im ersten Halbjahr 2005 steigern.
Mit der Liberalisierung steigerten die Schweizer Bahnen auch ihre Gütertransporte auf der Strecke zwischen Rotterdam und Genua massiv.
Kooperationen zahlen sich aus
Dank Kooperationen mit deutschen und italienischen Bahnen wuchs die Verkehrsleistung der BLS Cargo 2004 um mehr als 60%. Die Firma schreibt seit ihrer Gründung schwarze Zahlen und wird dies laut Pfander auch im laufenden Jahr tun.
Die SBB Cargo ist mit eigenen Tochtergesellschaften in Italien und Deutschland aktiv. Seit Dezember 2004 lässt sie pro Woche über 400 zusätzliche Güterzüge in diesen Ländern rollen.
Die SBB Cargo schreibt zwar rote Zahlen, laut Sprecher Stephan Appenzeller jedoch nicht wegen des internationalen Güterverkehrs. «Die Margen sind zwar eng, aber das Geschäft rechnet sich für uns durchaus», sagt Appenzeller.
Keine neuen Güter auf der Schiene
Laut CER-Studie transportieren die Bahnen immer noch vor allem Güter wie Kohle, Stahl oder Chemikalien, die traditionellerweise auf der Schiene rollen.
«Das Wachstumspotenzial im Markt für traditionelle Bahngüter ist begrenzt», warnen die Verfasser. Es sei noch nicht geglückt, «den Strassentransport über lange Distanzen auf die Schiene zu bringen.»
Auch dieses Ergebnis gilt laut Pfander für die BLS Cargo nicht: «Der Transport von Containern, die alle möglichen Güter enthalten, wächst stark.»
BLS Cargo verschiebt zudem Lastwagen auf der rollenden Autobahn. Auch SBB Cargo transportiert laut Appenzeller «viele Waren, die früher auf der Strasse rollten».
Das Erfolgsrezept
Die im europäischen Vergleich gute Position der Schweizer Güterbahnen ist laut Pfander nicht zuletzt ein Resultat der Verkehrspolitik: «Den höheren Marktanteil bei den Gütern verdanken die Schweizer Bahnen unter anderem der Leitungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe.»
Allerdings gilt diese natürlich nur auf einem kleinen Teil der Strecke zwischen Nordsee und Mittelmeer. Die CER fordert ähnliche Abgaben auch in der EU: Nur so könne die Bahn die Langstrecken-Transporte wirklich erobern.
swissinfo, Simon Thönen in Brüssel
Die europäischen Bahnen transportierten 2004 zwischen 5 und 10% mehr Güter durch die Alpen.
Ihren Marktanteil von einem Fünftel konnten sie jedoch nicht steigern.
Eine neue Studie aus Brüssel zeigt, dass die EU bei der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene noch viel zu tun hat.
2004 haben 1’255’000 Lastwagen die Schweizer Alpen durchquert.
Das sind knapp 3% weniger als 2003 und gut 10% weniger als 2000, dem letzten Jahr vor der Einführung der leistungs-abhängigen Schwerver-kehrsabgabe und der 34-Tonnen-Limite für Lastwagen.
In der gleichen Zeitspanne verzeichnet die Schiene im Alpen querenden Verkehr ein Wachstum von mehr als 10%.
Insbesondere der kombinierte Verkehr legte 2004 beachtlich zu und verzeichnete Alpen querend ein Wachstum von 18%.
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