Die Boni der UBS: «Ein falsches Zeichen»
Trotz eines Jahresverlustes von 20 Mrd. Franken sollen die Angestellten der UBS für 2008 erneut Boni in Milliardenhöhe erhalten. Im Oktober musste die Eidgenossenschaft der UBS 6 Mrd. steuerfinanzierte Eigenmittel zuschiessen. - Die Kritik eines Wirtschaftsethikers.
Und wieder sollen die Banker der UBS Boni erhalten. Und wieder herrscht in der Öffentlichkeit und bei Politikern Unverständnis bis Empörung. Viele von ihnen haben das Vertrauen in die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und deren Präsidenten, den Ex-UBSler Eugen Haltiner, verloren und fordern seinen Rücktritt. Dieser verteidigt sich.
Auch Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann von der Universität St. Gallen sieht im Gespräch mit swissinfo Handlungsbedarf: Weniger Marktgläubigkeit, eine unabhängigere Aufsichtsbehörde, Abschaffung der Boni, weniger eitle Bankers.
swissinfo: Die UBS zahlt ihren Mitarbeitern erneut Boni in Milliardenhöhe aus. Öffentlichkeit, Politiker und Medien sind empört. Sie auch?
Ulrich Thielemann: Meine erste Reaktion war, damit wird offenkundig das falsche Zeichen gesetzt. Man könnte zwar wie die Finma argumentieren, es sei schwierig, diese Boni zu kappen, weil dann die Mitarbeiter im Prinzip davonlaufen.
swissinfo: Wohin denn?
U.Th.: Auch der Headhunter fragt sich das. Ich sage deshalb ja auch «im Prinzip». Ob es zutrifft, dass die Leute zur Konkurrenz laufen würden, ist fraglich. Es wird immer gesagt, die besten Leute würden gehen. Aber: Jene, die sich nur für das Unternehmen einsetzen, wenn sie dabei Millionenvergütungen erhalten, sind ganz sicher nicht die besten Leute. Egal ob Topmanager oder Investmentbanker: Wer sich nur bei exorbitanten Boni einsetzt, hat sich damit disqualifiziert.
Dass die Bank ja offenbar gegenüber der Aufsichtsbehörde deutlich höhere Vergütungen gewollt hat, wirft ein schlechtes Licht auf die Integrität des UBS-Top-Managements, das offenbar immer noch nicht die fatalen Wirkungen von Boni verstanden hat.
swissinfo: Worin besteht diese fatale Wirkung?
U.Th.: Boni korrumpieren. Sie untergraben die Professionalität der Mitarbeiter. Seine Arbeit gut zu machen, das hat stets viele Dimensionen, nicht nur die eine der Erfüllung monetärer Leistungsvorgaben.
Die Krise konnte überhaupt nur entstehen, weil man gezielt Anreizsysteme installiert hat, mit denen man den Bankmitarbeitern ihre Integrität und Professionalität abgekauft hat. Wer der Karotte der Boni hinterherläuft, Bedenken beiseite schiebt, ist kein Professional. Erfolgsabhängige Vergütungen zerstören die Integrität der Unternehmen.
Sind sie also für die Abschaffung der Boni?
Die Anteile variabler Vergütungen müssten runtergehen, vielleicht sogar auf Null. Das funktioniert aber nicht auf der Ebene eines Unternehmens, auch nicht bei der grossen UBS, das kann auch kein Land alleine machen, das muss global passieren.
Weil sonst das Kapital jene Unternehmen hofiert, also mit Geld ausstattet, deren Mitarbeiter alles tun, damit der Shareholder Value steigt, egal mit welchen Mitteln. Die «Risiken» bzw. die Bedrohungen haben dann andere auszubaden – etwa der Steuerzahler.
swissinfo: Stark kritisiert wird Finma-Präsident und Ex-UBS-Kader Eugen Haltiner. Wer gegenüber der UBS in der heutigen Situation keine Nullrunde durchsetze, dem fehle das notwendige politische Gespür. Von linker Seite wird gar Haltiners Rücktritt gefordert. Was halten Sie von diesem Überwachungsgremium?
U.Th.: In der Aufsichtsbehörde müssten auch Vertreter sein, welche die Kundenanliegen berücksichtigen, beispielsweise Konsumenten-Vereinigungen.
Und damit sind wir beim Hauptproblem: die andere Sicht auf das gute Wirtschaften. Wenn in einer solchen Behörde Banker sitzen, ist es sehr wahrscheinlich, dass ihnen diese Sicht auf ein gutes Wirtschaften fehlt. Aus ihrer Sicht ist die Wirtschaft von ihren eigenen Interessen gesteuert, Stichwort Shareholder Value. Das gilt für die Kapitalgeber wie für die Mitarbeiter, die machen wechselseitig ein Geschäft.
swissinfo: Was macht die Bankmanager eigentlich derart unsensibel, fast blind gegenüber dem Volksempfinden? Ist ihnen die Kritik der Öffentlichkeit, der Politiker, der Medien einfach absolut egal?
U.Th.: Dass es ihnen egal ist, glaube ich nicht. Ich sage immer, wenn man nach den Ursachen der Finanzkrise fragt, dann ist das die Marktgläubigkeit. Und zwar auch auf Seiten der Regulierungsbehörden, der Zentralbanken. Die sagen, je mehr Gewinne gemacht werden, desto besser für alle. Das ist die implizite Rechtfertigung für ihr Tun. Diese Marktgläubigkeit bekommt heute ja jeder Student eingebläut, ganz besonderes im Bereich Finance.
Was motiviert die Banker?
Es ist die Eitelkeit. Warum wollen sie diese hohen Vergütungen? Ja wohl kaum wegen des Nutzwertes des Geldes, mit dem man sich viele schöne Dingen kaufen kann. Das ist ihnen einigermassen Wurst. Das sind in der Regel keine Bonvivants. Sie deuten Boni vielmehr als Status. Man fühlt sich im Olymp der «Masters of the Universe» angekommen zu sein.
Und diese Status-Orientierung übertrumpft dann meistens den schlechten Status, den man in der Öffentlichkeit hat. Schliesslich erfährt man ja tagtäglich seinen Status, etwa wenn man mit mehreren Millionen um sich schmeissen kann. Allein das Wissen, dass man es könnte, reicht aus. Von diesem Empfinden wegzukommen, ist für die Banker extrem schwierig.
swissinfo-Interview: Jean-Michel Berthoud
Geboren 1961 in Remscheid (Deutschland).
Studium der Wirtschaftswissenschaften in Wuppertal.
Ist seit 1989 an der Universität St. Gallen und war von 1990 bis 1996 persönlicher Assistent von Prof. Peter Ulrich.
1996 schloss er seine Dissertation zum Thema «Das Prinzip Markt» ab. Von September 1996 bis Dezember 1997 hielt er sich im Rahmen seines Habilitationsprojektes («Wettbewerb als Gerechtigkeitskonzept») an der American University in Washington, USA, auf.
Ulrich Thielemann ist derzeit Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen.
Der Bundesrat versteht die emotionalen Reaktionen, welche die Nachrichten über die erneuten Bonus-Zahlungen der UBS ausgelöst haben. Laut Bundesrats-Sprecher Oswald Sigg vertraut er darauf, dass die Eidg. Finanzmarktaufsicht (Finma) mit der UBS eine adäquate Lösung finden wird.
Die Landesregierung habe sich mit dem Problem der UBS-Boni befasst, sagte Sigg nach der Bundesratssitzung vom Mittwoch. Sie spreche aber nicht von Boni, sondern von «variablen Lohnkosten».
Nach Auskunft Siggs wurde der Bundesrat darüber informiert, dass die variablen Lohnkosten im Falle der UBS gegenüber dem Vorjahr um 80% gesenkt wurden. Zudem seien von diesen Zahlungen 1,3 Milliarden Franken vertraglich gebunden. Über die Details werde die UBS informieren, sagte Sigg.
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