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Die Eismassen schmelzen weg

Gletscherschwund am Beispiel Steingletscher. imagepoint

Die Schweizer Gletscher haben im letzten Sommer 3 bis 4% ihrer Masse gegenüber dem Vorsommer verloren. Dieser Verlust ist vergleichbar mit jenem im Hitzejahr 2003.

Setzt sich diese Entwicklung fort, werden innerhalb eines Jahrhunderts fast alle Gletscher verschwunden sein, schätzt der Zürcher Glaziologe Martin Funk.

Der Sommer 2006 war zu heiss für die Schweizer Gletscher. Sie haben bis zweieinhalb Meter an Dicke verloren.

Und eine Wende in dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.

«In zirka zehn Jahren werden rund 20% der Schweizer Gletscher geschmolzen sein», sagte Martin Funk, Glaziologe der ETH Zürich.

Er bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der Nachrichtensendung «10 vor 10» im Schweizer Fernsehen vom Donnerstag.

Bis in 100 Jahren seien sie fast ganz verschwunden oder nur noch oberhalb von 4000 Meter Höhe zu finden.

Alle Gletscher verloren an Masse

Welcher der etwas mehr als 100 beobachteten Schweizer Gletscher am meisten geschmolzen ist, kann Funk noch nicht sagen.

Die zwischen August und Oktober erhobenen Daten sind erst im Januar fertig ausgewertet. «Sicher ist aber, dass alle Schweizer Gletscher an Masse verloren haben.»

Gletscherabdeckungen: grossflächig nicht umsetzbar

Und noch etwas kann Funk mit Sicherheit sagen. Während der Triftgletscher im Kanton Bern in den letzten Jahren immer am meisten an Länge verloren hat – in der Messperiode 2003/2004 waren es 134 Meter, 2005/2006 waren es gar 216 Meter -, ist der Rückgang dieses Jahr nicht mehr so gross gewesen.

Grund zur Freude gibt diese Nachricht jedoch nicht. Denn: «Der Rückzug der Zunge wurde vom See, der diese umgab, noch verstärkt.» Mittlerweile habe sich der Gletscher jedoch so weit zurückgezogen, dass die Zunge nicht mehr im See liege, sagt Funk.

Aufhalten lasse sich diese Entwicklung kaum. Gletscherabdeckungen, wie sie beispielsweise im Wallis gemacht würden, seien zwar sehr wirkungsvoll, aber grossflächig nicht umsetzbar.

Wirksam: Reduktion der Treibhausgase

Als einzig realistische Massnahme bezeichnete Funk die Reduktion der Treibhausgasemissionen. «Aber auch wenn heute damit begonnen wird, wirkt das nicht schon morgen», gab er zu bedenken.

Gemäss Funk hat der kontinuierliche Gletscherschwund im Moment noch keinen grossen Einfluss auf die Tier- und Pflanzenwelt der Schweizer Bergwelt. Mit dem Weitergang der Entwicklung wird sich dies jedoch ändern. «Die Gletscher machen Platz frei für neue Fauna und Flora.»

Sorgen macht dem Glaziologen aber vor allem der Verlust der Wasserspendung durch die Gletscher, die zur heutigen Zeit noch grosszügig ist. «Fällt diese weg, könnte vermehrte Trockenheit in den Tälern negative Folgen haben.»

Ein Vulkanausbruch könnte den Trend wenden

Allerdings seien Langzeitprognosen auch schwierig, weil immer etwas Unvorhersehbares geschehen könne. Dabei könnte es sich etwa um einen massiven Vulkanausbruch handeln, wie Funk weiter ausführte.

Dadurch würde sehr viel Feinstaub in die Atmosphäre geschleudert werden, der wie ein Schirm wirken und so die Sonnenenergie reduzieren würde.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz gibt es rund 1800 Gletscher.
Im vergangenen Jahr sind 91 von ihnen unter Beobachtung gestanden; 84 bildeten sich zurück.
Der Hitzesommer 2003 brachte 5 bis 10% der alpinen Eis-Reserven zum Verschwinden.
Zwischen 1850 und 1975 hat das «ewige Eis» der Alpen rund die Hälfte seines Volumens eingebüsst.
In den nächsten 50 Jahren könnten sich die Temperaturen in der Schweiz um rund 2 Grad im Winter und 3 Grad im Sommer erhöhen.

Die Schweiz hat sich im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu einer Reduktion von 10% des CO2-Ausstosses bis 2010 verpflichtet.

Das Schweizer CO2-Gesetz ist seit 2000 in Kraft und sieht zusätzliche Massnahmen vor, falls dieses Ziel nicht mit freiwilligen Bestimmungen erreicht wird.

Letzten Oktober haben die Behörden der versuchsweisen Einführung eines Klimarappens auf Benzin und Diesel zugestimmt, nach Widerstand gegen eine zusätzliche CO2-Abgabe.

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