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Die EU ängstigt Schweizer Zucker-Bauern

In der Schweiz gibt es über 7500 Zuckerrüben-Bauern. Keystone Archive

Die Europäische Union (EU) will die Zucker-Produktion verringern und den Preis um einen Drittel senken. Eine radikale Reform, die sich auch auf die Schweiz auswirken wird.

Die Schweizer Produzenten sorgen sich. Wenn die Reform durchkommt, geraten auch die Preise in der Schweiz unter Druck.

Die EU-Kommission will den Zucker-Sektor angehen, die letzte Bastion, die bisher von der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ausgespart wurde.

Diese Woche hat der verantwortliche Kommissar Franz Fischler seine Vorschläge für einen radikalen Umbau des bisherigen Zucker-Regimes präsentiert: Die Jahres-Produktion soll um 2,8 Mio. Tonnen (16%), der garantierte Abnahmepreis um einen Drittel sinken. Zudem sollen die Export-Subventionen radikal abgebaut werden.

«Wenn wir nichts machen, verschlimmert sich die Situation nur noch weiter», erklärt EU-Kommissar Fischler. Der Preis für EU-Zucker, dreimal höher als der Weltmarktpreis, sei zu hoch. «Wir können diesen Bereich nicht weiter subventionieren.»

Die EU habe den Zucker-Produzenten bisher mit 1 Mrd. Euro (1,6 Mrd. Franken) pro Jahr unter die Arme gegriffen, eine halbe Million Arbeitsplätze hänge direkt oder indirekt davon ab, schreibt die «Schweizerische Handelszeitung» in ihrer neusten Ausgabe. In der Schweiz seien es 35 Mio. Franken pro Jahr, welche der Bund beisteuere.

Die Schweiz muss mitziehen

Die EU-Kommission will die Reform ab Juli 2005 umsetzen. Sollten die 25 EU-Staaten der neuen Zucker-Ordnung zustimmen, wird das auch auf die Schweiz Auswirkungen haben.

In Rahmen der Bilateralen Verträge II zwischen der Schweiz und der EU wurde vereinbart, dass beide Seiten die Zölle und Exportsubventionen auf verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Zucker ebenso wie Schokolade oder Biskuits, abbauen.

Gegenwärtig kostet Zucker in der Schweiz gleich viel wie in der EU. Eine Preissenkung in der EU würde sich augenblicklich auf die Schweiz auswirken.

Abhängiger Schweizer Markt

«Man müsste den Zuckerpreis senken», sagt Willy Tinner vom Staatsekretariat für Wirtschaft (seco). Er gehe davon aus, dass die Nahrungsmittel-Industrie als grösster Zucker-Käufer, nicht bereit sei, für Zucker aus der Schweiz einen höheren Preis zu bezahlen.

Denn die Binnenproduktion von rund 200’000 Tonnen jährlich deckt die Bedürfnisse der Industrie keineswegs: 178’000 Tonnen mussten im Jahre 2000 eingeführt werden. 141’000 Tonnen davon wurden in Form von verarbeiteten Produkten wieder ausgeführt.

In Bern ist man vorerst aber noch zuversichtlich. Der betreffende Vertrag der Bilateralen II sei noch nicht unterschrieben. «Und das Parlament muss die Verträge noch ratifizieren», gibt Tinner zu bedenken.

Er gesteht aber offen ein, dass eine politische Entscheidung ansteht: «Wenn man eine Zucker-Industrie in der Schweiz behalten will, muss man bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen.»

Besorgte Gesichter bei den Produzenten

Auf Seite der Produzenten ist man beunruhigt. «Wir müssen das Ausmass noch abschätzen, aber es ist sicher, dass die Preise unter Druck geraten werden», wird Roland Furrer, Pressesprecher des Bauernverbands, im Genfer «Le Temps» zitiert.

Vorerst bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen tiefere Preise auf die rund 7500 Zuckerrüben-Bauern in der Schweiz haben wird. Heute werden die Zuckerrüben-Bauern indirekt mit einem jährlichen Verarbeitungsbetrag des Bundes von 35 Mio. Franken an die Zuckerfabriken sowie durch einen hohen Zollschutz unterstützt.

Eine Preissenkung zieht für Furrer nicht zwingend eine Katastrophe nach sich. Nur die wenigsten betroffenen Bauern bauten nur Zuckerrüben an. Die grössten Auswirkungen erwartet er für die Bauern im Seeland, der Region zwischen Bern und Biel, welche sich auf Zuckerrüben spezialisiert haben.

Klage bei der WTO

Was hat die EU zur nun präsentierten Reform der Zuckerordnung gebracht? Es waren äussere Umstände, welche die Union schliesslich dazu zwangen, einen Sektor zu reformieren, der sich seit 1968 nicht mehr verändert hatte.

Konkret: Brasilien, Thailand und Australien, drei grosse Zucker-Produzenten, haben bei der Welthandels-Organisation (WTO) wegen handelsverzerrenden Folgen des EU-Zuckermarktes eine Klage eingereicht. Das Urteil wird für September erwartet.

Nun schlägt die EU also vor, den Stützungspreis des Zuckers innerhalb von drei Jahren von 632 auf 421 Euro zu senken. Das wäre immer noch doppelt so hoch wie der Weltmarktpreis.

Fischlers Reform-Vorschläge beinhalten zudem, die Jahresproduktion der EU innerhalb von vier Jahren um 2,8 Mio. Tonnen zu senken, von 17,4 Mio. auf 14,6 Mio. Tonnen pro Jahr.

Den Prinzipien der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU folgend, sollen die Zuckerrüben-Produzenten eine von der Produktion abgekoppelte Hilfe erhalten. Diese soll sich auf rund 60% der Einkommensverluste decken, welche die Reform nach sich zieht.

swissinfo, Barbara Speziali
(Aus dem Französischen von Philippe Kropf und Rita Emch)

Die Zucker-Produktion der EU wird mit ca. 1,6 Mrd. Franken subventioniert. Indirekte Subventionen in der Schweiz betragen 35 Mio. Franken.
In der EU hängen 500’000 Jobs von der Zucker-Produktion ab. In der Schweiz gibt es rund 7500 Zucker-Bauern.
Die Schweiz produziert ca. 200’000 Tonnen Zucker jährlich und importiert dazu 178’000 Tonnen.

Die EU-Kommission will den garantierten Abnahme-Preis für Zucker um einen Drittel reduzieren und die Produktion um 16% auf 14,6 Mio. Tonnen verkleinern.

Der Schweizer Zuckerpreis ist faktisch an jenen der EU gekoppelt. Die Schweiz müsste bei einer Preissenkung mitziehen. Schweizer Zuckerrüben-Bauern fürchten nun um ihr Einkommen.

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