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Die Franken-Insel im Euro-Meer

Als Zahlungsmittel in der Schweiz akzeptiert: Der Euro. Keystone

Seit fünf Jahren ist die Schweiz vollständig von der Euro-Zone umzingelt. Das Zusammenleben mit der europäischen Einheitswährung funktioniert gut.

Der Euro hat sich auch im Alltag der Schweiz breit gemacht, ohne Trauma für die einheimische Wirtschaft. Das Verhältnis zum Franken ist stabiler als in der Vergangenheit.

Viele Ökonomen hatten die Umstellung auf den Euro als «eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Ereignisse in der Geschichte Europas» bezeichnet.

Am 1. Januar 2002 hat der Euro die nationalen Währungen von 12 EU-Ländern ersetzt. Dies war ein wichtiger Moment im Bau am gemeinsamen Haus Europa.

Mit der Einführung des Euro als Währung im Alltag wurde der abstrakte europäische Einigungsprozess mit einem Schlag eine konkrete Angelegenheit. Der Euro griff als Münze und Banknote plötzlich ganz direkt ins Leben von 300 Millionen Europäern ein.

Dieser Schritt hatte auch für die Schweiz als «Insel im europäischen Meer» enorme Folgen. Die Eidgenossenschaft als Transit- und Exportland, als Touristendestination und Finanzplatz musste sich an den Euro anpassen.

Wie ist die Situation heute, fünf Jahre später? Der Gebrauch des Euro ist auch in der Schweiz weit verbreitet. Viele Geschäfte und praktisch alle Hotels akzeptieren die europäische Währung. In den Brieftaschen vieler Schweizer findet man neben Franken- häufig auch Euro-Noten – ein kleiner Grundstock für den Einkauf jenseits der Grenze oder die nächsten Ferien.

«Doch in unserem Land hat der Franken seine Vorherrschaft klar verteidigt», sagt Jérôme Schupp, Analyst bei der Bank Syz in Genf. Das heisst: Euro und Franken sind längst nicht gleichberechtigt in der Schweiz.

Damit der Euro den Franken ernsthaft in Schwierigkeiten brächte, müsste diese Währung laut Angaben der Schweizer Nationalbank (SNB) eine Referenzgrösse für wichtige Verträge oder Kreditgeschäfte sein. Doch diese Verträge werden nach wie vor fast ausschliesslich in Franken abgeschlossen.

«Auch in der Finanzwelt ist der Einfluss zwar gross, aber nicht revolutionär gewesen», sagt Schupp. «Der Euro hat an Glaubwürdigkeit gewonnen und im Prinzip die Rolle übernommen, die einst die Deutsche Mark inne hatte.»

Die Vorteile der Stabilität

In vielen europäischen Ländern (vor allem Deutschland, Frankreich und Italien) waren und sind Zweifel am Euro verbreitet, insbesondere wegen des Anstiegs der Preise im Rahmen der Umstellung und der anhaltenden Inflation. Die Schweiz hat hingegen von der Einheitswährung profitiert.

Die Stabilität des Euro hat die stark flukturierenden Währungen wie die italienische Lira, die spanische Peseta oder den französischen Franc abgelöst. Dies brachte mehr Stabilität und eine Vereinfachung für die Buchhaltung.

Insbesondere für die Schweizer Volkswirtschaft mit einem grossen Anteil an Exporten in den EU-Raum ist die neue Situation vorteilhaft. Mit der momentanen Schwäche des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro ist die Situation noch besser.

«Das Aufgehen der europäischen Währungen im Euro hat zudem die Rolle des Frankens als Diversifizierungsinstrument auf den Finanzmärkten gestärkt», ist Jérôme Schupp überzeugt. Neben Dollar, Euro, Yen und dem britischen Pfund gehört der Franken zu den fünf wichtigsten Währungen der Welt.

Ängste unbegründet

«Der Euro hat sich im Schweizer Tourismus eher als Vorteil, denn als Nachteil erwiesen», sagt Véronique Kanel, Sprecherin von Schweiz Tourismus. «Unsere Gäste kommen vorwiegend aus der Euro-Zone, und dank des momentanen Euro-Kurses wird die Bilanz von 2006 hervorragend ausfallen.»

2002 befürchteten noch viele Tourismusfachleute, europäische Kunden zu verlieren, weil durch den Schweizer Franken der direkte Preisvergleich mit Konkurrenzländern wie Österreich erschwert werde.

«In Wirklichkeit ist das Problem gar nicht aufgetreten. Denn im europäischen Ausland machen wir unserer Angebote in Euro. Und in den Feriendörfern können die Touristen praktisch überall in Euro bezahlen», bilanziert Kanel.

swissinfo, Marzio Pescia
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Der Euro ist mittlerweile in 18 europäischen Staaten in Umlauf. 13 dieser Staaten gehören der EU an: Belgien, Deutschland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien und Finnland.

Umgestellt haben zudem Andorra, Monaco, Montenegro, San Marino und Vatikanstadt.

Weitere 18 Staaten besitzen einen festen Umrechnungskurs zum Euro.

In den letzten Jahren hat der Euro gegenüber dem Franken deutlich zugelegt. Lange galt ein Umrechungskurs von zirka 1:1,50. Inzwischen kostet ein Euro rund 1,63 Franken.

Gemäss dem letzten Eurobarometer sind nur 48% der Europäer der Ansicht, dass die Einführung der Einheitswährung eine gute Entscheidung war. 2002 waren es noch 59%.

Im Gegensatz zur abnehmenden Akzeptanz steigt der Gesamtwert der in Umlauf gebrachten Euro-Noten ständig an: Von 221 Milliarden im Januar 2002 bis zu 600 Mrd. im Dezember 2006.

Während der US-Dollar für die Geldreserven von Staaten und Zentralbanken nach wie vor am wichtigsten ist, ist der Euro in bezug auf die Verbreitung von Bargeld inzwischen weltweit die Nummer 1.

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