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«Die Gewinne privat, die Kosten dem Staat»

Reuters

Jetzt ist es soweit: Der Bund greift der angeschlagenen Grossbank UBS mit Steuermilliarden unter die Arme. Rudolf Strahm, der Finanzexperte und ehemalige Preisüberwacher, setzt dazu einige Fragezeichen.

Die Schweiz zahlt 54 Mrd. Dollar für UBS-Wertpapiere, die sich jetzt nicht verkaufen lassen. Macht sie damit ein gutes Geschäft, wie die Landesregierung meint?

Rudolf Strahm: Ich halte das für eine gewagte Aussage. Der Bundesrat spielt das Risiko herunter, indem er die Sache so darstellt, als ob diese Unterstützungsaktion ein gutes Geschäft für das Land sein könnte. Der Bundesrat wollte sich angesichts des Debakels wohl selber Trost spenden.

Bei der Übernahme der Ramschpapiere durch die Nationalbank, wird sich ein Teil der Wertpapiere aufwerten, aber bei den ganz schlechten, vergifteten Papieren wird der Verlustteil unwiederbringlich verloren sein.

Die schlechtesten Papiere haben heute noch zwischen 9 und 15% ihres ursprünglichen Wertes und verlieren weiter. Selbst wenn diese sich verzwei- oder verdreifachen, kommt man nicht mehr auf den bezahlten Wert. Diesen Verlust zahlt dann natürlich die Nationalbank.

swissinfo: Muss denn die UBS für die Verluste, die aus diesen Papieren hervorgehen können, nicht gerade stehen?

R.S.: Das muss sie eben nicht. Diese Verlustrisiken trägt jetzt die Nationalbank. Diese und die UBS haben jetzt eine Gewinnteilung vereinbart – wenn es denn Gewinne gibt.

Aber wenn diese Gesellschaft letztendlich im Verlust endet, zahlt die Nationalbank 9 Zehntel aus dem Volksvermögen.

Trotz allen Beteuerungen des Bundesrates läuft das nach dem System «Die Gewinne privat und die Kosten dem Staat».

swissinfo: Dann hätte die Landesregierung heute besser nicht eingegriffen?

R.S.: Der Brand ist da und muss gelöscht werden. Aber man sollte auch die Brandstifter mehr belangen und die Brandbekämpfung verbessern.

Mit höheren Eigenkapitalvorschriften für die beiden grossen Banken schon vor Jahren hätte dieser Brand verhindert werden können.

Die bisherigen Eigenkapitalvorschriften für die Banken, die unter dem Namen «Basel II» laufen, sind Schrott. Sie haben sich nicht bewährt und müssen deshalb geändert werden.

Dass die Banken ihre Risiken selber bewerten, ist darin die grösste Unsicherheit. Dies hat der Manipulation Tür und Tor geöffnet.

Ein Erfahrungsbeispiel: Die UBS hat vor Beginn der Krise ihre Risikokredite auf rund 800 Mio. Franken beziffert. Sie musste jetzt über 40 Mrd. Fr. abschreiben, also 50 Mal mehr! Mit anderen Worten: Dieses Risikoermessen ist eine Manipulationsmöglichkeit.

Man muss aber wissen: genügend Eigenmittel sind der einzige Stossdämpfer, der in einer Krise wirksam ist. Sonst muss der Staat eingreifen.

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Schweizerische Nationalbank

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Ziel ihrer Politik ist Preisstabilität, die laut ihren Angaben eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand ist. Die SNB stützt ihre geldpolitischen Entscheidungen auf eine mittelfristige Inflationsprognose ab. Der Referenz-Zinssatz ist der Dreimonats-Libor (London Interbank Offered Rate). Die Nationalbank verfügt über…

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swissinfo: Das ist jetzt ja geschehen. Hätten Sie selbst anders gehandelt?

R.S.: Ich persönlich hätte es lieber gesehen, wenn gleich umgekehrt finanziert worden wäre, wie das der britische Premier Gordon Brown vorgemacht hat: Der Staat übernimmt Aktien der maroden Banken.

Damit übernimmt er natürlich Risiken, partizipiert aber an der späteren Aufwertung. Die meisten Europäer und später selbst die USA sind auf diese Linie eingeschwenkt.

Die Schweizer Behörden machen genau das Gegenteil, indem sie zu neun Zehntel Ramschpapiere kaufen und sich zu nur einem Zehntel mit Wandelobligationen aktiv beteiligen, um damit die Chancen einer späteren Aufwertung zu beanspruchen. Das ist eine rein bankorientierte Lösung und nicht in der Optik der Staatsfinanzen.

swissinfo: Ist davon auch der einfache Mann auf der Strasse betroffen?

R.S.: Im Moment gibt es keine direkten Budgetauswirkungen. Aber früher oder später werden natürlich die Verluste aus dem Volksvermögen bezahlt.

Sei es über das Nationalbankvermögen oder über die Bundeskasse.

Auch der Bürger zahlt dann, er merkt es nur nicht direkt.

swissinfo: Gleichzeitig mit der Kapitalspritze für die UBS wurde eine Erhöhung des Einlegerschutzes in Aussicht gestellt. Ist das ein Zückerchen für den kleinen Mann, damit dieser die Milliarden für die UBS besser akzeptiert?

R.S: Das ist eine wichtige Stabilisierungs-Massnahme, damit jetzt nicht noch mehr Leute ihr Vermögen von der Risikobank UBS abziehen und diese damit noch stärker entkapitalisieren.

Ich begrüsse das, bin aber der Meinung, dass es jetzt eine gesetzliche Lösung mit einem Fonds braucht, der von den Banken zu äufnen ist.

Bis jetzt war das keine echte Versicherungslösung, weil sie nur als Solidaritätszahlung auf dem Papier stand, ohne hinterlegte Sicherheiten.

Eine Erhöhung würde wohl den jetzigen Verlierenden nichts nützen. Der Bundesrat bringt ja erst mal eine neue Gesetzesvorlage ein. Das ist bestenfalls für die nächste Krise von Interesse.

swissinfo: Wer sein Konto auf einer isländischen Bank hat, der kam aber bereits zu Schaden.

R.S.: Die schweizerischen Kunden der isländischen Kaupthing-Bank, die geschlossen werden muss, werden bis zu 30’000 Franken entschädigt. Dieses Geld wird von den hiesigen Banken zusammen aufgebracht. Die EBK organisiert die Entschädigungsaktion, aber das dauert eine Weile.

swissinfo: Wird die UBS wieder auf die Beine kommen?

R.S.: Ich gehe schon davon aus, denn die Bank ist stark vom Vermögensverwaltungs-Geschäft abhängig. Ohne dieses wäre sie wahrscheinlich Konkurs gegangen, wie verschiedene amerikanische Investment-Banken.

Ich hoffe, dass UBS und Credit Suisse ihre Investmentbanking-Sparten später auslagern. Dieses Geschäft sollen dann Dollaraktionäre und Spekulationswillige finanzieren. Die Schweiz ist zu klein, um derart gigantische Banken zu halten und Sicherheiten zu bieten.

Und diese Krise zeigt ja, dass faktisch eine Staatsgarantie für die beiden grossen Finanzgebilde besteht. Der Staat kann sie gar nicht mehr fallen lassen. Diese Grossbanken sind jedoch zu gross, als dass die Schweiz sie allein retten könnte («too big to fail»).

swissinfo-Interview: Etienne Strebel

Geboren 1943 im Emmental

Laborantenlehre in der Basler Chemie

Chemiestudium Ingenieurschule Burgdorf (Dipl. Chemiker)

Arbeit als Chemiker

Studium Volks- und Betriebswirtschaft Uni Bern (Lic. rer. pol.)

Sekretär der «Erklärung von Bern» 1974-1978

Lehrauftrag Uni Zürich 1977/78

Zentralsekretär SP Schweiz 1978-1985

Nationalrat 1991-2004

Preisüberwacher 2004-Oktober 2008

Heute sind die Spareinlagen in der Schweiz bis zu 30’000 Fr. gesichert. Dafür bürgen nicht der Staat, sondern die Banken, indem sie solidarisch maximal vier Milliarden Franken bereithalten.

Keine Begrenzung gibt es bei Postfinance und den meisten Kantonalbanken, wo der Bund bzw. die Kantone die Guthaben garantieren.

Nachdem viele Kunden ihr Erspartes von den Grossbanken zu den Kantonalbanken transferiert haben, will die Landesregierung dem Parlament als Sofortmassnahme eine «angemessene» Erhöhung der geschützten Einlagen und der Systemgrenze beantragen.

Der Bundesrat will sich dabei an den erhöhten Quoten von EU-Ländern orientieren. Letzte Woche hatten sich die EU-Finanzminister darauf geeinigt, den Einlegerschutz von 20’000 auf 50’000 Euro zu erhöhen.

Die EU-Kommission schlägt sogar eine Erhöhung auf 100’000 Euro (rund 155’000 Franken) vor.

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