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Die Schweiz braucht das Geheimnis

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Das Bankgeheimnis sei für ehrliche Kunden, erwidern Bankenvertreter nach den Angriffen aus den USA und der EU. Rein schweizerisch gesehen, hätten die Banker mit dieser Behauptung sogar Recht, sagt Professor Rolf Benz dazu.

Rolf Benz ist Rechtsanwalt und Dozent am Institut für Wirtschaftsrecht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (zhav).

Also, warum gibt es in der Schweiz dieses Bankgeheimnis?

Rolf Benz muss etwas ausholen, um zu erklären, warum es sich hier um eine Art Datenschutz handelt, den Schweizer und Schweizerin mehrheitlich begrüssen. Ein finanzielles Arztgeheimnis sozusagen.

«Schauen Sie, jeder von uns füllt jedes Jahr seine komplizierte Steuererklärung aus. Wir müssen über alles und jedes – vom Lohnausweis bis zu Aktiendepot – detailliert Zeugnis ablegen.»

Auch würden wir laufend direktdemokratisch über unsere eigenen Steuergesetze abstimmen. Etwas, was im Ausland nicht selten für Kopfschütteln sorgt, wenn wir gar Ja sagen zu Steuererhöhungen.

«Als Gegenleistung wollen wir, dass die Steuerbehörde uns glaubt, uns für ehrlich anschaut und nicht ständig hinter uns her schnüffelt. Das Bankgeheimnis gibt uns diese Gewissheit.»

Hinterziehung und Betrug

Aus diesem Grund werde vermutlich zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug unterschieden, sagt Rolf Benz und gibt zwei Beispiele: «Wenn Sie die Steuererklärung falsch ausfüllen, etwas weglassen – ob gezielt oder aus Nachlässigkeit – dann ist das Hinterziehung.»

Wem beim Ausfüllen der Steuererklärung Fehler unterliefen, der begehe eine mindere Straftat. Und die Steuerbehörden könnten von der Bank keine Unterlagen einfordern. «Sonst müssten die Steuerbehörden ja zum Beispiel bereits aktiv werden, wenn jemand behauptet, er habe seinen Nachbar beobachtet, wir er in einer bestimmten Bank Geld abgehoben habe.»

Anders bei Steuerbetrug. Da würde eben bewusst ein Dokument gefälscht. Beispielsweise ein Lohnausweis oder andere Belege. «Das ist Urkundenfälschung. Aktive Irreführung. Bei begründetem Verdacht wird die Staatsanwaltschaft aktiv und kann Bankdaten einsehen».

Hinterziehung und Betrug sind Delikte und werden auch in der Schweiz bestraft. Allerdings unterschiedlich. Wir wissen jetzt warum.

Ehrlichkeit wird angenommen

Die direktdemokratische Schweizer Mentalität spiele eben bei dieser Unterscheidung eine Rolle. Auch das Steueramt gehe nämlich davon aus, dass die Angaben, die es erhalte, stimmen. So eine Art gegenseitiges Vertrauen.

Und tatsächlich, die Schweizer Bevölkerung sei recht ehrlich. Das habe sicher auch mit dem gewissen Schutz vor den Behörden zu tun, sagt Benz. Wer nicht ständig als potentieller Betrüger angesehen wird, müsse wohl auch nicht ständig mogeln.

So gesehen, sagt Benz, führe das Bankgeheimnis zu einer Art Vertrauensverhältnis zwischen Behörde und Steuerzahler, so unter dem Motto: «Ich bin ehrlich, will aber, dass du mir das auch glaubst.»

Unterschiedliches Recht?

Wenn dem so ist, profitieren Leute, die ihr Geld im Ausland am Fiskus vorbei schleusen und auf Schweizer Banken deponieren, dann das Bankgeheimnis anrufen, von der Schweizer Mentalität?

«Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen», sagt Benz und fragt zurück, ob wir deswegen eine Schweizer Eigenart abschaffen müssten, nur weil sie missbraucht werden könne?

Möglich wäre doch, dass das Bankgeheimnis nur für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz zählt.

Das sei denkbar, sagt Benz, fragt sich jedoch, welches Recht zusätzlich für Bankkunden aus dem Ausland gelten solle. Das aus dem Herkunftsland des Geldes?

Das würde bedeuten, dass deutsche Steuerfahnder ständig in Schweizer Banken nach angeblichen deutschen Steuersündern suchen würden?

«Ich bin der Meinung, in der Schweiz soll Schweizer Recht gelten», sagt Rolf Benz. Das sei ja auch bei der Kopftuch- oder Schwimmunterrichtsfrage für Muslime so. «Soll die Scharia oder unser Recht hier gelten?»

Volksabstimmung

So erscheint, was einfach schien – nämlich das Bankgeheimnis abschaffen – als knifflige Angelegenheit. Selbst bei Ausklammerung der Frage, ob im Gegenzug die andern Finanzplätze ihre Eigenheiten auch abschaffen.

Rolf Benz sieht – wie er sagt – das Gesamtpaket der Schweiz (politische Stabilität, harte Währung, Rechtssicherheit, geringe Korruption etc.) als Grund, dass viel Geld aus dem Ausland in der Schweiz auf Banken landet. Ob das Bankgeheimnis eine so grosse Rolle spielt, kann er nicht beantworten.

Beantwortet hat diese Frage der Genfer Privatbanker Yvan Pictet in der Zeitung «Le Temps». Pictet rechnet damit, dass sich die Wertschöpfung des Finanzsektors in der Schweiz um die Hälfte reduzieren würde, sollte das Bankgeheimnis abgeschafft werden.

Und, dass das Volk in einer Abstimmung das Geheimnis beerdigt, scheint nach den Ausführungen von Professor Benz und Privatbanker Pictet sehr unwahrscheinlich.

swissinfo, Urs Maurer

Als Bankgeheimnis wird in der Schweiz die Pflicht der Banken bezeichnet, die geschäftlichen Angelegenheiten ihrer Kunden zu bewahren.

Als Geheimnisherr gilt der Kunde.

Das Bankgeheimnis gilt nicht absolut. Es hat gesetzlich definierte Grenzen.

Das Bankgeheimnis kann auf Anordnung einer richterlichen Behörde (Zum Beispiel bei begründetem Verdacht auf Steuerbetrug) auch gegen den Willen des Kunden aufgehoben werden.

Die Schweizer Steuerbehörden haben die Möglichkeit, bei vermuteten Steuerbetrugsdelikten Bankinformationen zu beschaffen. Bankinformationen können auch auf dem Rechtshilfeweg an andere Staaten weitergegeben werden. So wie es in den Doppelbesteuerungs-Abkommen geregelt ist.

Das Bankgeheimnis gilt nicht gegenüber der Eidgenössischen Finanzaufsicht FINMA.

Gemäss Finanzdepartement hat die Schweiz kein Interesse an «Geldern deliktischer Herkunft» und verfügt über ein «umfassendes Dispositiv» zur Abwehr solcher Gelder. Beispielsweise das Geldwäschereigesetz.

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