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Die Schweiz braucht mehr Unternehmertum

"Die technologische Innovation hängt vom Willen der Schweizerinnen und Schweizer ab", so Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. (Bild: Stefano Iori/ASO) Stefano Iori/ASO

Die Schweiz müsse eine Kultur der Risikobereitschaft erlangen, um weiterhin bei der technologischen Innovation an der Spitze zu bleiben: Dies haben die Auslandschweizer an ihrem Kongress vom Samstag gefordert.

Micheline Calmy-Rey und Bertrand Piccard zählten zu den hochkarätigen Referenten.

«Indem Sie Winterthur gewählt haben, haben Sie eine Stadt gewählt, die wie keine andere Schweizer Stadt das Thema des Kongresses repräsentiert», begrüsste Micheline Calmy-Rey die Teilnehmenden am Auslandschweizer-Kongress. Dieser befasste sich mit den Herausforderungen der Schweiz angesichts der technologischen Innovation.

«Namen wie Sulzer und Rieter haben Schweizer Industriegeschichte geschrieben», sagte die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten. «Sie stehen auch für den Übergang von der Industriegesellschaft zur Technologiegesellschaft.»

Sorge um die alte Heimat

Denn Winterthur, die ehemalige Industriestadt im Kanton Zürich, musste nach dem Niedergang der traditionellen Maschinenbau-Industrie neue Geschäftszweige erschliessen.

«Die Auslandschweizer sorgen sich um die Innovationsfähigkeit der Schweiz», erklärte Rudolf Wyder, Geschäftsführer der Auslandschweizer-Organisation (ASO), die Themenwahl des 82. Auslandschweizerkongresses. «Sie haben das Gefühl, dass die Schweiz nicht die beste Antwort auf die gestiegene Konkurrenz hat.»

Universitäten von Weltniveau

«Die Eidgenössischen Technischen Hochschulen sind Champions in der wissenschaftlichen Forschung», hielt Ulrich Suter, ehemaliger Chemieprofessor an der ETH Zürich, fest.

Und die Schweizer Universitäten können stolz sein auf Persönlichkeiten wie Albert Einstein oder Jean Hoerni, Pionier im Bereich der Mikroprozessoren. Oder auf die Entwicklung des Klett- oder des wasserdichten Reissverschlusses.

Aber: «Um unter den Besten zu bleiben, muss die Schweiz vermehrt in Bildung und Forschung investieren und dabei nicht nur wissenschaftliche Bestleistung, sondern auch berufspraktische Bestleistung anstreben», forderte Eric Fumeaux, Direktor des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT). «Der Schweiz von heute fehlt es jedoch an Unternehmertum.»

Das Land müsse sich in einem globalisierten Markt an der Spitze halten: Dazu sollten Ideen schneller umgesetzt werden – in diesem Bereich falle die Schweiz im internationalen Vergleich immer stärker zurück. Fumeaux forderte eine Abkehr von der «Vollkasko-Mentalität» und dafür eine Bereitschaft zu mehr Risiko.

Piccard und der Abenteuergeist

«Es stimmt, dass die Schweiz in einer Krise steckt», konstatierte auch Bertrand Piccard, der als erster Mensch 1999 mit einem Ballon die Welt umrundete. «Die Schweiz hat ein ausgezeichnetes Bildungswesen, aber man darf sich nicht damit begnügen, nur zu reproduzieren, was man gelernt hat.»

Er forderte, dass sich ein Abenteuergeist und eine Risiko-Kultur entwickle. «Der einzige sichere Weg, nichts zu verlieren, ist nichts zu wagen.»

Sein Votum wurde von den rund 300 Vertreterinnen und Vertretern der Fünften Schweiz im Winterthurer Stadttheater mit Beifall aufgenommen. Sein neues Projekt «Solar Eclipse», ein Solar-Flugzeug, stiess bei den Auslandschweizern auf ebenso grosses Interesse wie seine Bücher, die er signierte.

Der Ballon-Pionier bedauerte allerdings, dass er für seinen Solar-Flieger nicht genügend Schweizer Sponsoren fände. Dies illustriere, dass in der Schweiz zwar Ideen entstünden, aber im eigenen Lande nicht umgesetzt werden könnten.

Gegen das Schengen-Referendum

Innovationen umzusetzen sei die Aufgabe der Unternehmer und nicht der Politik, sagte Calmy-Rey. «Die technologische Innovation hängt vom Willen der Schweizerinnen und Schweizer ab», sagte sie.

Die Aussenministerin ging in ihrer Ansprache ausserdem detailliert auf die Beziehungen der Schweiz mit der Europäischen Union (EU) ein – über die Hälfte der rund 600’000 Auslandschweizer wohnt in der EU.

Sie beendete ihre Ansprache mit einem herzlichen Dank an den Auslandschweizerrat (ASR), der sich am Vortag mit erdrückender Mehrheit für die Ausweitung der Personenfreizügigkeit und den Bilateralen II mit der EU ausgesprochen hatte.

«Ich schätze Ihre wertvolle Unterstützung», sagte die Bundesrätin. Sie rief die 90’000 eingetragenen Wählerinnen und Wähler im Ausland auf, im Falle eines Referendums für die entsprechenden Verträge von Schengen und Dublin zu stimmen.

swissinfo, Philippe Kropf in Winterthur

Der 82. Auslandschweizer-Kongress fand vom 20. bis 22. August in Winterthur statt.

Der Kongress widmete sich dem Thema «Technologische Innovation – Herausgeforderte Schweiz».

Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen Welt fanden sich ein.

Im nächsten Jahr findet der Kongress in Interlaken statt.

Die Auslandschweizer sorgen sich um die Innovations-Fähigkeit der Schweiz.
Insgesamt 612’562 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, rund ein Zehntel der Schweizer Bevölkerung.
Über die Hälfte der Auslandschweizer wohnt in einem EU-Land.
Rund 90’000 sind in Stimm- und Wahlregistern eingetragen und haben so das Recht, aus dem Ausland an Abstimmungen in der Schweiz teilzunehmen.

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