Die Schweiz kommt sich näher
Am 12. Dezember startet das Jahrhundertprojekt "Bahn 2000" mit teilweise neuer Strecke. Sie bringt Passagieren unter anderem fast zwanzig Minuten Zeitgewinn zwischen Bern und Zürich.
Am Mittwoch hat der erste Passagierzug mit Nationalrats-Präsident Max Binder im Führerstand die Strecke befahren.
«Wir sind schon 240 Stundenkilometer gefahren, hier auf dieser Strecke», sagt Matthias Schwendimann, Leiter der Messfahrten auf der Neubaustrecke der Bahn 2000 zwischen Mattstetten und Rothrist.
Heute allerdings hält sich der Lokführer brav an die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h, die für Fahrten mit Passagieren gilt. Schwendimann beobachtet das Verhalten von Stromabnehmern und Fahrleitung über eine Videokamera. Er ist weitgehend zufrieden.
Erfolgreiche Tests
Rund 1900 Testfahrten hat der Messwagen bereits absolviert, 1600 stehen ihm noch bevor. Dann wird die 45 Kilometer lange Strecke am 12. Dezember ihren Betrieb aufnehmen: Wenn der erste fahrplanmässige Passagierzug der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) frühmorgens zwischen Bern und Zürich verkehrt.
Auf diesen Tag freut sich Hans-Jürg Spillmann, Leiter der SBB Infrastruktur, schon seit Jahren. «Die Eröffnung dieser Neubaustrecke ist ein grosses Ereignis, weil wir schon lange keine neuen Bahnstrecken mehr eröffnet haben.»
Er vergleicht die Neubaustrecke, das eigentliche Rückgrat der Bahn 2000, denn auch mit der Eröffnung des Simplontunnels vor rund 100 Jahren. «Die Schweiz wird sicher kleiner», folgert er. «Besonders zwischen dem Raum Zürich-Ostschweiz und dem Raum Bern-Westschweiz.»
Nationalratspräsident im Führerstand
Im Führerstand mitfahren durfte der höchste Schweizer, Nationalratspräsident Max Binder von der Schweizerischen Volkspartei SVP. Er kletterte begeistert aus der Lok. «Es würde wieder Spass machen, den Bubentraum Lokführer zu erlernen.»
Die neue Strecke sei wegweisend, sowohl technisch als auch wegen der kürzeren Fahrzeiten. «Ich bin überzeugt, dass sich diese Investition mit Blick auf die weitere Entwicklung des öffentlichen Verkehrs auf jeden Fall lohnt.»
Gekostet hat das Projekt bis heute etwas über 4,5 Mrd. Franken. 1,2 Mrd. werden noch verbaut. Damit liegen die SBB im Zeitplan und zugleich deutlich unter dem Budget von 7,4 Mrd. Franken.
Bremsfaktor Zugsicherung
Das im Projekt vorgesehene Tempo von 200 Kilometern pro Stunde bleibt allerdings bis auf weiteres auf der Strecke. Schuld daran ist das europäische Zugsicherungssystem ETCS.
«Wir sind da ziemliche Pioniere bei der Einführung», erklärt Spillmann. «Und wir haben erkennen müssen, dass die Entwicklung noch nicht den Reifezustand erreicht hat, um das System auf den 12. Dezember einführen zu können.»
Daher wird die Strecke wohl frühestens 2006 mit 200 km/h befahren werden können. «Das ETCS ist Voraussetzung für Tempo 200 mit dieser dichten Zugfolge, die wir in der Schweiz haben», so Spillmann.
2. Phase unsicher
Die nun im Testbetrieb befahrenen Strecken gehören zur 1. Phase der Bahn 2000. Eine zweite Phase ist zwar vom Volk bewilligt, wird jedoch nun von den aktuellen Sparübungen überschattet.
Die Vision der Bahn 2000 ist ein dichtes Netz von Zügen mit häufigen Anschlüssen in der ganzen Schweiz, «wie ein grosses S-Bahn- oder Metro-Netz», so Spillmann.
Daher ist auch SVP-Nationalrat Binder, trotz der Forderung seiner Partei für mehr Einsparungen, prinzipiell für einen «sinnvollen» Ausbau.
«Das ganze Bahnsystem Bahn 2000 ist ein System, das am Schluss von der kompletten Ausgestaltung profitiert», betont er gegenüber swissinfo.
«Wenn wir hier Lücken hinterlassen, dann ist die Gesamtinvestition ebenfalls nicht hundertprozentig effizient.»
In den Jahren 2007/2008 soll über das weitere Vorgehen in der zweiten Etappe der Bahn 2000 entschieden werden.
swissinfo, Christian Raaflaub, Mattstetten
Kosten Bahn 2000, 1. Phase: 5,7 Mrd. Fr.
Budget Bahn 2000, 1. Phase: 7,4 Mrd. Fr.
Die Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist der Bahn 2000 wird am 23. Oktober eingeweiht.
Interessierte werden dabei die Möglichkeit haben, die Strecke mit Tempo 160 zu befahren.
Offiziell wird die Strecke mit dem Fahrplanwechsel vom 12. Dezember 2004 in Betrieb genommen.
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