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Die Schweiz sieht keine Krise beim IWF

Staatssekretär Jean-Daniel Gerber unterstreicht die Bedeutung des IWF. Keystone

Die Länder des Südens wollen im Internationalen Währungsfonds (IWF) besser vertreten sein, während die G7-Staaten die Finanzinstitution auffordern, ihre Ausgaben zu reduzieren.

Jean-Daniel Gerber, Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), sieht keine Krise des IWF und lobt den neuen Präsidenten der Weltbank, Robert Zoellick.

«Ich mag das Wort Krise im Zusammenhang mit dem IWF nicht, denn es ist nicht angebracht», erklärt der Direktor des SECO zum Abschluss der IWF-Jahrestagung am Montag in Washington gegenüber swissinfo.

«Eine Krise gibt es, wenn nicht genügend Geld vorhanden oder das Management schlecht ist», betont Jean-Daniel Gerber. Die Mission des IWF sei unverzichtbar. «Er ist gerade in schlechten Zeiten wichtig, wenn es konjunkturell schlecht läuft.»

Die angestrebte IWF-Reform steckt in einer Sackgasse. Mit steigendem Selbstbewusstsein wollen aufstrebende Länder wie Brasilien, China und Russland mehr zu sagen haben, auf Kosten der Industrieländer. Über Lösungen bei der Mitsprache konnte man sich in Washington (noch) nicht einigen.

«Die Schwellen- und Entwicklungsländer brauchen den IWF heute viel weniger als früher. Das heisst allerdings nicht, dass es nirgends mehr wirtschaftliche oder finanzielle Krisen gäbe. Und für diesen Fall ist der IWF da», sagt Gerber.

Die Mitgliedstaaten haben ihre Jahrestagung beendet, ohne sich auf eine bessere Vertretung der Länder des Südens im IWF zu einigen. Dagegen hat sich der Druck auf einen Sparplan des IWF verschärft. Die USA haben die Organisation aufgefordert, ihre Ausgaben zu senken und Personal abzubauen. Der Appell wird von den anderen Ländern des G-7 unterstützt.

Der amerikanische Wirtschaftsminister hat das finanzielle Ungleichgewicht des IWF als «unhaltbar» bezeichnet. Eine beispiellose Situation für eine Institution, die weltweit finanzielle Krisen verhindern und Ländern in Schwierigkeiten helfen sollte. Man spricht inzwischen offen von einem neu entflammten «Nord-Süd-Konflikt».

Loblied auf den Weltbank-Chef

Ob Krise oder nicht, mit dem Problem wird sich auch der neue IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn beschäftigen müssen, der am 1. November sein Amt antritt. «Es gibt eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Strauss-Kahn und dem Präsidenten der Weltbank, um die Programme der beiden Institutionen zu koordinieren», erklärt Gerber.

Der SECO-Chef spart nicht mit Lob für den Amerikaner Robert Zoellick, der seit dem Rücktritt von Paul Wolfowitz im Juni an der Spitze der Weltbank steht.

«Die Weltbank ist alles andere als eine Krisen-Organisation, zumindest seit Robert Zoellick sie leitet», sagt Gerber. Unter Paul Wolfowitz habe es allerdings eine Krise im Management gegeben.

Die Schweiz verteidigt ihre Sitze

Für die ersten Jahresversammlungen hat Zoellick seine Schwerpunkte gesetzt: Die Landwirtschaft soll wieder an erster Stelle der Entwicklungspolitik stehen und der private Sektor besser in diese Politik integriert werden.

Jean-Daniel Gerber sieht die Schwerpunkt etwas anders: «Die Landwirtschaft ist lediglich ein Schwerpunkt unter anderen. Die wichtigste Aufgabe der Weltbank ist der Kampf gegen die Armut.»

Die Frage der besseren Vertretung der Länder des Südens könnte sich auch bei der Weltbank stellen, meint der SECO-Chef. «Doch zuerst muss der IWF entscheiden.» Die Schweiz wolle auf jeden Fall ihre beiden Sitze im IWF und in der Weltbank verteidigen.

Allerdings müsse sich die Schweiz diesbezüglich nur im Fall einer tiefgreifenden Reform Sorgen machen. «Wenn etwa die Euro-Zone einen einzigen Sitz erhielte, dann würden die Karten neu gemischt», sagt Gerber abschliessend.

swissinfo, Marie-Christine Bonzom, Washington
(Übertragung aus dem Französischen: Susanne Schanda)

Bundesrat Hans-Rudolf Merz (Chef der Schweizer Delegation), SECO-Direktor Jean-Daniel Gerber und der Präsident der Generaldirektion der Schweizerischen Nationalbank, Jean-Pierre Roth haben diese Woche an der Jahrestagung des IWF und der Weltbank in Washington teilgenommen.

Der Auftritt der Schweizer Vertreter fiel knapper aus als üblich. Als Gründe wurden die Schweizer Wahlen und die schwindende Bedeutung von IWF und Weltbank angeführt.

Das Betriebsbudget des IWF für 2700 Angestellte beträgt eine Milliarde Dollar. In letzter Zeit haben die Einnahmen abgenommen, einerseits wegen der Schuldentilgung bei den ärmsten Ländern und andrerseits wegen der Tendenz der Schwellenländer, Finanzhilfen auf dem privaten Markt zu suchen.

Am 1. November wird Dominique Strauss-Kahn, ehemaliger Wirtschaftsminister Frankreichs, den Spanier Rodrigo de Rato als IWF-Direktor ersetzen.

Der Einfluss der Schweiz und der anderen Mitgliedstaaten gründet sich auf einen Verteilschlüssel, der zur Zeit zur Debatte steht. Weil die Entwicklungs- und Schwellenländer mehr Mitsprache fordern, reformiert der IWF das Quoten- und Stimmrecht.

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