«Die UBS muss Gewinn machen, nicht Stellen erhalten»
2 Mrd. Franken Verlust, 23 Mrd. Geldabflüsse und Abbau von 8700 Stellen - das sind die neuesten Hiobsbotschaften der UBS. swissinfo sprach mit dem Bankenexperten Martin Janssen über Entlassungen, Boni, die Zukunft der UBS und die Rolle des Staates.
swissinfo: Die UBS präsentierte an der Generalversammlung vom Mittwoch erneut düstere Zahlen. Ist damit nun das Gröbste vorbei?
Martin Janssen: Es hängt davon ab, was mit der Finanzkrise weltweit und mit dem Finanzplatz Schweiz passiert. Wenn die schweizerische Politik weiterhin so zögerlich und unentschlossen agiert wie in den letzten Monaten, dann wird sich die Situation des Schweizer Finanzplatzes und damit auch jene der UBS relativ verschlechtern.
Dazu kommen die Aufräumarbeiten in der UBS selber, was ihre Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt. Der Personalabbau impliziert auch den Verzicht auf die Wahrnehmung zukünftiger Chancen. Ich glaube aber, dass die UBS in der heutigen Situation keine andere Wahl hat.
swissinfo: UBS-Konzernchef Oswald Grübel will bis Ende 2010 mit Stellenabbau 4 Mrd. Franken einsparen. Andererseits werden Boni in Milliardenhöhe ausbezahlt. Könnte man nicht einfach weniger Boni auszahlen und dafür Stellen erhalten?
M.J.: So hart es auch tönen mag, Ziel der UBS muss es sein, Gewinn zu erzielen und nicht Stellen zu erhalten.
Um Gewinn zu erzielen, braucht die UBS die richtigen Leute. Und um an diese zu kommen, muss sie sich mindestens teilweise dem branchenüblichen Bonussystem unterziehen. Dieses wird sich jedoch in den kommenden Jahren sicher massiv verändern.
Aus Sicht der UBS und der Volkswirtschaft sind Boni nicht per se etwas Gutes oder Schlechtes. Wichtig ist, wie sie bemessen werden und welche Anreize sie auslösen und dass auch beim Management die Interessen der Aktionäre zum Tragen kommen.
swissinfo: Vor der Finanzkrise wurden auch hohe Boni bezahlt. Trotzdem hat die frühere UBS-Garde die Bank in den Schlamassel geritten.
M.J.: Ich verteidige das Verhalten dieser Leute sicher nicht; es sind gravierende Fehler passiert. Aber wir müssen auch bedenken, dass der Staat der UBS praktisch eine Überlebensgarantie gegeben hat, wie viele Risiken auch immer eingegangen werden – dieses Spiel mit dem Staat respektive mit dem Steuerzahler muss ein Ende haben.
Es ist kein Zufall, dass weltweit nur jene Banken mit Steuergeldern gerettet wurden oder gerettet werden mussten, die eine implizite oder explizite Staatsgarantie hatten. Wir müssen uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass wir es mit einem massiven Staatsversagen und nicht mit einem Marktversagen zu tun haben.
Man sagte den Banken fast weltweit, geht Risiken ein, so viel ihr wollt – die UBS hatte vor der Krise gerade noch etwa 1,5% eigene Mittel -, wenn es schief geht, dann retten wir euch mit Steuergeldern. Dass das nicht gut herauskommen kann, ist offensichtlich.
Die Aufsicht war zu schwach, um das Desaster zu verhindern. Aber hinter der Aufsicht steht der Gesetzgeber, der das nicht anders gewollt hat.
Man macht es sich heute oft etwas sehr leicht, wenn man einfach «dem Management» die Schuld gibt. Vieles – die Übernahme unglaublicher Risiken, die Bonusmechanismen, die faktische Staatsgarantie – ist coram publico passiert. Die Sicht, dass das Parlament und damit die Aufsicht das so gewollt haben, kann nicht einfach von der Hand gewiesen werden. Insgesamt hatten wir also zu viel Staat und zu wenig Markt.
swissinfo: Laut Finanzminister Hans-Rudolf Merz werden eventuell die Aufsichtsbehörden eingreifen, falls sie den Eindruck erhalten, dass bei der UBS marktwidrig vorgegangen sei. Kann der Bundesrat jetzt überhaupt noch Einfluss auf die UBS-Politik nehmen?
M.J.: Das glaube ich eher nicht. Das Parlament hat entschieden, dass der Bundesrat in Sachen UBS nicht direkten Einfluss nehmen soll. Zudem finde ich es unfair, jetzt wieder die Aufsichtsbehörden zu belangen.
swissinfo: Bei der UBS sind im 1. Quartal 2009 rund 23 Mrd. Franken abgeflossen. Werden weitere Gelder abfliessen?
M.J.: In den USA hat die UBS im 1. Quartal einen Nettozufluss erlebt. Insoweit scheint das Vertrauen in die UBS vor allem ausserhalb der USA, insbesondere in der Schweiz, verloren gegangen zu sein.
Der Vertrauensaufbau wird Zeit und vertrauenswürdige Dienstleistungen vor allem in der Anlageberatung brauchen. Ein weiterer Kapitalabfluss kann deshalb nicht ausgeschlossen werden. Dieser wäre zweifellos mit einem weiteren Stellenabbau verbunden. Das laufende Gerichtsverfahren der UBS in den USA wird hier kaum günstige Auswirkungen haben.
swissinfo: Kaspar Villigers Rede an der Generalversammlung schien an die Ära Ospel anzuknüpfen. Kann der neue Verwaltungsrat so das Vertrauen in die UBS wieder herstellen?
M.J.: Das Vertrauen hängt nicht von Alt Bundesrat Villiger allein ab, sondern vor allem davon, was jetzt gemacht wird.
Der Bäcker im Dorf geniesst Vertrauen, wenn sein Brot bei den Leuten ankommt. Auch bei der UBS ist gute Qualität zu einem fairen Preis gefragt. Gelingt das, wird das Vertrauen zurückkehren.
swissinfo: Der neuerliche Verlust dünnt die Eigenkapitaldecke aus. Soll der Staat noch einmal zur Rettung der UBS aufkommen?
M.J.: Dass Bund und Nationalbank eingegriffen haben, war sicher richtig. Es hätte meiner Ansicht nach aber anders gemacht werden müssen.
Wenn eine normale Firma Konkurs geht, müssen die Fremdkapitalgeber den Schaden mittragen. Ich sehe nicht ein, weshalb das bei einer Grossbank grundsätzlich anders sein soll.
Der Marktwert der UBS beträgt Dutzende Milliarden von Franken. Mit einem vertrauenswürdigen Management-Team und genügend Bilanztransparenz kann eine neue Kapitalerhöhung am Markt erfolgreich vollzogen werden.
swissinfo: Die US-Grossbank Goldman Sachs hat für das 1. Quartal 2009 hervorragende Resultate veröffentlicht. Angesichts der desolaten Lage der UBS überrascht das positive Ergebnis.
M.J.: Man muss sich zuerst fragen, ob die Resultate überhaupt miteinander vergleichbar sind.
Ich schliesse nicht aus, dass Goldman Sachs unter den Buchhaltungsvorschriften, die für die UBS gelten, nicht so gut dastehen würde. Das ist aber sehr schwierig zu beurteilen.
swissinfo: Die UBS wird durch die Finanzkrise zwangsläufig redimensioniert und damit für die Schweizer Volkswirtschaft weniger systemrelevant. Inwiefern kann der ganzen Krise etwas Positives abgewonnen werden?
M.J.: Wir können mindestens drei Dinge daraus lernen: Erstens: Banken, auch grosse, müssen Konkurs gehen können; eine Staatsgarantie darf es für private Banken nicht mehr geben.
Zweitens: Wir brauchen viel mehr Transparenz gegenüber dem Kunden und der Aufsicht. Und drittens: Es braucht mehr gelebten Wettbewerb unter den Banken in der Schweiz, nicht nur Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland.
swissinfo-Interview, Corinne Buchser
Die Schwerpunkte des geplanten Abbaus von weltweit 8700 Stellen bei der UBS wird in den USA und in der Schweiz liegen.
Dies hängt damit zusammen, dass die UBS in diesen beiden Ländern auch am meisten Personal beschäftigt, wie UBS-Sprecher Serge Steiner sagte.
Vom Abbau sind vor allem Jobs im so genannten Mid- und Back-Office betroffen, also in unterstützenden Funktionen und weniger bei Positionen mit direktem Kundenkontakt.
Rund 80% des vorgesehenen Abbaus von 2500 Stellen in der Schweiz betrifft den Bereich Wealth Management & Swiss Bank.
Regional trifft der Abbau vor allem Zürich, wo rund 16’000 UBS-Angestellte beschäftigt sind. In der Schweiz zählt die Bank insgesamt noch 25’800 Mitarbeitende.
Der 1948 geborene Ökonom ist Leiter der Ecofin-Gruppe, die im Bereich Beratung und Software tätig ist.
Daneben ist Martin Janssen nebenamtlicher Professor für Finanzmarktökonomie an der Universität Zürich.
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