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«DIE ZEIT» entdeckt die Schweiz

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Die renommierte deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT lanciert anfangs Dezember eine eigene Schweiz-Ausgabe. Woche für Woche soll auf einer Doppelseite die Situation des kleinen Nachbarn Deutschlands inmitten des zusammenwachsenden Europas beleuchtet werden.

Die deutsche Wochenzeitung hat vor drei Jahren bereits mit Extra-Seiten für Österreich viel Resonanz gefunden und den Absatz steigern können. Jetzt versucht es DIE ZEIT auch in der Schweiz. Mit einem Dossier «Von der Schweiz lernen» startet am 4. Dezember eine Schweiz-Ausgabe.

«Wir glauben, dass es für uns in der Schweiz eine Lücke gibt und der Spielraum für eine liberale, unabhängige Wochenzeitung heute grösser ist als noch vor einiger Zeit», sagt Chefredaktor Giovanni di Lorenzo gegenüber swissinfo.

Die neue Ausgabe des Hamburger Blattes ist auch, aber nicht nur für die weit über 200’000 Deutschen in der Schweiz bestimmt. Denn das Interesse der Schweizer für Deutschland hat zugenommen, wohl wegen der rasant wachsenden Zahl deutscher Arbeitskräfte und der immer grösser werdenden EU.

Viele ZEIT-Abonnenten wünschten sich einen Blick von aussen auf die Schweiz: aus Deutschland, Amerika, Brüssel – «etwas, was sie bei den Inland-Medien vermissten», so di Lorenzo.

Die Schweiz findet nur marginal statt

Die Schweiz-Seiten werden vorerst dem Rest des Blattes nicht beigelegt. Trotzdem werde als Folge der neuen Ausgabe eine verstärkte Berichterstattung über die Schweiz auch in der normalen Ausgabe stattfinden. Es wird «eine konsistente, schleichende Verschweizerung der ZEIT geben», witzelt di Lorenzo.

Diese fand bislang nicht statt. Dies findet jedenfalls der Norddeutsche Jens-Rainer Wiese, der seit acht Jahren in Bülach bei Zürich lebt und DIE ZEIT regelmässig liest. Besonders schätzt er die guten Hintergrundberichte, den Gesellschafts-Teil sowie die Berichterstattung über Technik und IT.

Wiese, der seine Beobachtungen in der Schweiz seit Jahren in einem Blog kundtut, begrüsst die angekündigten Extra-Seiten: «Die Schweiz kommt in den deutschen Medien kaum vor, ausser während der Fussball-EM oder wenn ein Fels auf die Gotthardstrasse donnert und ein Hamburger Auto platt macht.» Alltagsthemen oder Berichte über Abstimmungen hätten keine Chance.

Das Schweizer Selbstverständnis

Er wünscht sich für das Schweizer Fenster keine Artikel über Klischees, sondern über «Dinge, die den Deutschen fremd sind», den System-Unterschied oder die Existenz und Bedeutung der gesprochenen Mundart, sagt Wiese.

Laut DIE ZEIT-Chefredaktor Giovanni di Lorenzo soll die Doppelseite Schweiz keineswegs mit Klischees gefüllt werden. «Das Reproduzieren von Klischees wäre etwas für Leute ausserhalb der Schweiz. Die Schweizer selbst, die wir erreichen wollen, können damit nichts anfangen.»

DIE ZEIT setzt sich zum Ziel, «über die spezielle Situation der Schweiz inmitten eines zusammenwachsenden Europas» zu berichten, darüber wie das kleine Land «mit dem wachsenden Druck von aussen umgeht».

So wird sicher über den Steuerstreit zwischen der Schweiz und Deutschland geschrieben, aber nicht nur. «Wenn die grösste Schweizer Bank ins Wanken gerät und es um Summen geht, die das Budget der gesamten Schweiz übertreffen, ist das ein Thema.» Da wollen wir wissen, was das für die Identität, das Selbstverständnis der Schweizer bedeutet, erklärt di Lorenzo.

Oder das im Vergleich zu Deutschland relativ lockere Arbeitsrecht. Was geschieht, wenn die Leute wirklich auf die Strasse gesetzt werden? «All das sind Themen, die nicht nur eine wirtschaftliche und politische, sondern auch eine grosse gesellschaftliche Bedeutung haben.»

Die Schweiz hat keinen festen Platz

Die Bayerin Maria Schürch-Stepper, die seit 22 Jahren in der Schweiz lebt und DIE ZEIT abonniert hat, ist gespannt auf den «Blick von aussen auf die Schweiz». Über die Ereignisse in der Schweiz informiert sie sich mit den Inland-Medien, in der deutschen Wochenzeitung liest sie das Feuilleton, über Reisen und Weltpolitik.

Zwar könne man über die Drohungen des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück gegenüber der Schweiz im Zusammenhang mit dem Steuerstreit lesen, aber einen «festen Platz hat die Schweiz nicht».

Das wird sich jetzt ändern. Auch wenn in der Schweiz zur Zeit pro Woche lediglich 6000 bis 7000 DIE ZEIT-Exemplare abgesetzt werden, ist Chefredaktor Giovanni di Lorenzo optimistisch: «Wir stellen nicht jede Aufgabe, die wir uns vornehmen, auf den materiellen Prüfstand. Publizistisch lohnt sich das auf jeden Fall.»

swissinfo, Gaby Ochsenbein

Gegründet 1946 in Hamburg
Druckauflage: 600’000
Erreichte Leserschaft pro Woche: 2 Mio. Personen
Bisher pro Woche in der Schweiz verkaufte Exemplare: 6000 – 7000
Druckauflage Schweiz-Ausgabe: rund 18’000
DIE ZEIT erscheint wöchentlich, jeweils am Donnerstag
DIE ZEIT ONLINE existiert seit 1996.

Die Wochenzeitung DIE ZEIT tritt mit Themen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Gesellschaft, Reisen und Geschichte nach eigenen Angaben für freiheitliche, demokratische und soziale Prinzipien ein.

Mit Hintergrundberichten, Kommentaren und Reportagen will sie nicht nur eine wichtige Informationsquelle, sondern auch ein Orientierungsmedium für ihre Leserschaft sein.

Damit vertritt sie nach wie vor die Devise der im Jahr 2002 verstorbenen Chefredaktorin und Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff: «Wir wollen dem Leser Material bieten, damit er sich selber eine Meinung bilden kann, wir wollen nicht indoktrinieren.»

Herausgeber von DIE ZEIT ist u.a. der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, Chefredaktor ist Giovanni di Lorenzo.

Seit 1996 gehört DIE ZEIT zur Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck.

Verantwortlich für die Schweiz-Ausgabe ist der ehemalige Weltwoche– und Magazin-Journalist Peer Teuwsen. Kolumnisten sind Roger de Weck, ehemaliger ZEIT-Chefredaktor u.a.

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