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Die Zürcher Börse – Eldorado für Biotech-Firmen

Biotechnologie -auch dank den Hochschulen eine Boom-Branche. Keystone

Beliebter als Frankfurt, besser als London: Biotech-Firmen aus der ganzen Welt gehen am liebsten in Zürich an die Börse.

Der Biotech-Boom zeigt laut Börsenspezialisten, dass der Wissenstransfer von den Hochschulen in die Wirtschaft langsam in Fahrt kommt.

Die Biotech-Branche in der Schweiz gehört zu den wirtschaftlichen Gewinnern der vergangenen Jahre. Hier gibt es am meisten Biotech-Unternehmen in Relation zur Bevölkerung.

Und die Schweizer Börse (SWX) in Zürich ist der wichtigste Platz für Biotech-Unternehmen, die ihren ersten Börsengang, das «going public» oder IPO (initial public offering) wagen.

Wie das Wissenschaftsmagazin «Nature» berichtete, liegt der Grund einerseits im Know-how der hiesigen Finanzspezialisten, aber auch im wissenschaftlichen Umfeld der Schweiz, das besonders im Life-Sciences Bereich traditionell stark ist.

Laut dem Beratungsunternehmen Ernst & Young, das jedes Jahr einen speziellen Biotech-Report veröffentlicht, setzte die Schweizer Börse im Jahr 2006 mehr Geld mit Biotech-Börsengängen um als jede andere Aktienbörse in Europa.

Hochschulen als Taktgeber

«Auch für die nähere Zukunft ist die Pipeline gut gefüllt» sagt die Medizinerin Yvonne Gunsch-Wegmann, Vizedirektorin der SWX Swiss Exchange. «Wir haben Kandidaten aus dem In- und Ausland und auch aus den USA.»

Im Lebenszyklus eines Biotech-Unternehmens ist der Gang an die Börse allerdings erst die dritte Phase. Zu diesem Zeitpunkt hat das Unternehmen schon mindestens zwei Finanzierungsrunden bei privaten Investoren hinter sich.

Am Anfang steht jedoch meistens eine Idee für einen neuen Ansatz in der Entwicklung eines Medikamentes oder eines anderen Produktes. Taktgeber dieser Entwicklung sind die Hochschulen einerseits und die grossen Pharmakonzerne andererseits.

Quantensprung

Zwar ist es für Forscher immer noch sehr schwierig, an Startkapital zu gelangen. Doch die Situation ändert sich allmählich. «In Sachen Wissenstransfer ist in der Schweiz in den letzten Jahren ein wahrer Quantensprung geschehen», sagt Ulrich Steiner, Finanzanalyst bei der Bank Clariden Leu in Zürich.

Eine Umfrage der Schweizerischen Stelle für Technologietransfer (Switt) bei den Hochschulen bestätigt diesen Eindruck. Dabei zeigte sich, dass 2005 mehr als 2300 Projekte liefen, die ein innovatives Ziel im Interesse eines Wirtschaftspartners verfolgten. 360 neue Erfindungen wurden gemeldet und 300 neue Lizenzen abgeschlossen.

Für den Zeitraum von 2000 bis 2005 wurde die Gründung von knapp 280 Spinn-Off-Unternehmen gemeldet.

Heute sind neun Schweizer Biotech-Unternehmen an der Schweizer Börse kotiert, alle mit sehr gutem Erfolg. Einige gehören schon jetzt zu den Global Playern. So etwa der Roche-Spin-Off Actelion.

Andere Regeln

Andere Firmen wie Cytos, Speedel und Basilea glänzen mit einer guten Performance. Solche Erfolge bei den Investoren stärken auch den Finanzplatz und beweisen, dass an der Börse einiges richtig gemacht worden ist.

Yvonne Gunsch-Wegmann kennt die Gründe. «Praktisch jede Bank hier hat spezialisierte Analysten, die das Life-Science-Gebiet gut kennen. Auch wir an der SWX haben einen sehr starken Fokus in diesem Sektor und versuchen unsere Dienstleistungen speziell auf die Bedürfnisse dieser Branche auszurichten, beispielsweise mit der Schaffung der SXI Sektorindexfamilie, die zwei spezialisierte Indizes für Life Science Firmen beinhaltet.»

Die Biotech-Branche ist in der Tat nicht mit anderen Branchen zu vergleichen. Denn kaum eine Biotechfirma hat beim ersten Börsengang bereits ein Produkt auf dem Markt.

Allenfalls kann das Unternehmen eine gut gefüllte Pipeline mit aussichtsreichen Studienergebnissen vorweisen. In dieser Situation hängt viel davon ab, wie die Finanzanalysten und Börsenspezialisten einen Kandidaten bewerten.

Lockere Börsenregeln

Ein weiterer Vorteil der Schweizer Börse ist laut Ulrich Steiner, dass das «going public» in Zürich junge Unternehmen in den Fokus der Spezialisten stellt, und zwar sowohl bei den Investoren wie auch bei den Analysten.»In den grossen Börsen in New York oder London, wo sich jeden Tag mehrere Firmen neu listen lassen, geht diese Sichtbarkeit verloren.»

Vermehrt gehen auch ausländische Unternehmen bei sogenannten Cross-Boarder-IPO in Zürich an die Börse. Eine kleinere Rolle dürften da auch die etwas lockereren Börsenregeln spielen – gerade weil in New York nach dem Enron-Skandal schärfere und für die börsenwilligen Firmen damit auch kostspieligere Regulatorien eingeführt worden sind.

swissinfo, Matthias Meili

Ende 2006: 218 Unternehmen mit mehr als 14300 Beschäftigten.

85 % aller Unternehmen sind in der sogenannten roten Biotechnologie (Human- und Tiermedizin) tätig.

7 % sind es im Bereich Umwelt und Industrie (weisse Biotechnologie).

8 % im Bereich Landwirtschaft und Ernährung (grüne Biotechnologie).

Insgesamt erwirtschafteten die Biotech-Unternehmen 2006 einen Umsatz 6,4 Milliarden Franken

Das sind fast 8 % mehr als im Vorjahr.

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