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Die Zukunft der Post findet auch im Ausland statt

VR-Präsident Claude Béglé setzt auf eine Expansion der Post ins Ausland. Keystone

Um für künftige Herausforderungen gewappnet zu sein und weiterhin gute Dienstleistungen zu garantieren, will die Schweizerische Post vermehrt ins Ausland expandieren. Dazu gebe es zahlreiche Möglichkeiten, sagt Verwaltungsrats-Präsident Claude Béglé.

swissinfo.ch: Am Samstag haben Sie in Ihrer Rede am Auslandschweizer-Kongress die Post als eine Art «swiss miniature» bezeichnet. Wie ist das zu verstehen?
Claude Béglé: Die Post basiert wie die Schweiz auf Kompromissen.

Am Freitag sagte der abtretende Innenminister Pascal Couchepin in einer Abschiedsrede, dass er teilweise etwas Mühe gehabt habe zu akzeptieren, dass die Dinge in der Schweiz etwas langsam voran gingen, da man immer nach Kompromissen suchen müsse.

Couchepin unterstrich aber gleichzeitig, dass der Kompromiss eine gute Sache sei.

Das Gleiche gilt auch für die Post. Man muss zahlreiche entgegengesetzte Positionen vereinen: Einerseits müssen wir den Auftrag des Service public und andererseits die finanziellen Anforderungen erfüllen.

Weiter steht die Konzentration auf die wichtigsten Wirtschaftsregionen, die sich aus Effizienzgründen aufdrängt, der moralischen Verantwortung gegenüber, auch in abgelegenen Regionen präsent zu sein. Und während die Jungen auf moderne Technologien setzen, sind die älteren Generationen auf traditionelle Postämter angewiesen.

swissinfo.ch: Wie schwierig ist es, dieses Gleichgewicht zu finden?

C.B.: Es ist schwierig, da die Schweiz ein eher konservatives Land ist, wo Veränderungen nicht sehr beliebt sind. Die Post ist hingegen in einem wirtschaftlichen Bereich tätig, der sich in vollem Umbruch befindet.

Wenn wir nicht innovativ genug sind, wird jemand anderes in die Lücke springen, und wir verlieren Marktanteile. Wenn wir die Herausforderung der Innovation annehmen, zum Beispiel mit der elektronischen Post, riskieren wir gleichzeitig, den Abbau einer unserer traditionellen Dienstleistungen zu beschleunigen.

Dies käme praktisch einem Eigengoal gleich. Was würde aus unseren Sortierzentren, die uns rund 1,4 Mrd. Franken kosteten? Und was würden wir mit dem Personal machen, wenn wir Massenentlassungen verhindern wollten?

swissinfo.ch.: Was sollte die Post Ihrer Meinung nach denn machen?

C.B.: Die Post befindet sich zurzeit auf sehr unstabilem Terrain. Einerseits müssen wir versuchen, neue Geschäftsbereiche zu erschliessen, um die Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, andererseits braucht es etwas konservative Lösungen. Es ist eine Quadratur des Kreises.

swissinfo.ch: Die Post überprüft 400 Poststellen. Ist die Restrukturierung des Poststellennetzes unausweichlich?

C.B.: Angesichts des abnehmenden Postverkehrs muss man eine gewisse Flexibilität an den Tag legen. Doch aus Rücksicht auf die Landregionen dürfen wir nicht zu stark in Richtung Abbau gehen.

Es ist deshalb wichtig, einen Dialog mit den Gemeinden zu lancieren. Anstatt einfach eine Poststelle zu schliessen, müssen wir versuchen, mit den lokalen Akteuren eine Lösung für die Zukunft zu finden.

swissinfo.ch: Die Schweizer Regierung lehnte es im Mai ab, der PostFinance eine Banklizenz zu erteilen. Wird die Post einen erneuten Versuch starten?

C.B.: Ich denke, dass wir eines Tages eine Banklizenz erhalten werden. Es ist uns bisher nicht gelungen aufzuzeigen, dass eine Banklizenz für uns in erster Linie einer defensiven Strategie entspricht.

Ich befürchte, dass unsere Kunden ihr Geld abziehen könnten. Würden wir ihnen mehr als Zahlungsverkehr und Depositenkonten anbieten, wäre das gut für das Vertrauen. Das Verhältnis zum Kunden wäre ausgeglichener.

swissinfo.ch: Ihrer Meinung nach sollte man neue Märkte erschliessen, statt sich hauptsächlich auf Einsparungen zu konzentrieren. Wo sehen Sie Expansionsmöglichkeiten?

C.B.: Hauptsächlich im elektronischen Bereich. Wir befinden uns diesbezüglich erst am Anfang. Vielleicht fehlt uns in dieser Hinsicht auch etwas der Mut und die politische Unterstützung.

Es ist jedoch wichtig, dass wir diese Herausforderung so schnell wie möglich angehen. Denn wenn man einen neuen Dienstleistungssektor lanciert, dauert es mindestens vier bis fünf Jahre, bis man Resultate sieht.

swissinfo.ch: Wie sieht es mit der Expansion im Ausland aus?

C.B.: Im Ausland können wir uns auf sehr lukrative Märkte konzentrieren, weil wir dort keinen Service public erfüllen müssen. Alle erfolgreichen Posts funktionieren so.

Die französische Post etwa verhält sich in Frankreich selbst sehr konservativ, im Ausland betreibt sie jedoch eine ganz andere Geschäftspolitik. Ich denke, wir sollten diesen Ansatz von unseren Nachbarn übernehmen.

Wir haben grosse Expansionsmöglichkeiten. In Indien beispielsweise visiert die Post in den ländlichen Gebieten einen Ausbau der finanziellen Dienstleistungen an.

Diese Dienstleistungen beschränkten sich dort bis dahin auf die grossen Städte. Wir könnten in diesem Bereich mit unseren Technologien eine interessante Lösung bieten.

Mit einer erfolgreichen Expansion im Ausland können wir das Inlandgeschäft finanzieren.

Daniele Mariani, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Corinne Buchser)

Am Auslandschweizer-Kongress in Luzern sagte Claude Béglé, die Post prüfe ernsthaft die Möglichkeit, den in den USA lebenden Schweizern die Eröffnung eines Kontos bei der Postfinance in der Schweiz anzubieten.

Der Streit zwischen der UBS und der US-Steuerbehörde hat zahlreiche Schweizer Banken zum Abbruch der Geschäfte mit in den USA lebenden Privatkunden bewogen, darunter auch Schweizer.

Die Schweizer Bevölkerung steht laut einer Umfrage hinter dem Service public der Schweizerischen Post. Vier von fünf Befragten sprachen sich dafür aus, dass sich an der Grundversorgung nichts ändern sollte.

Durchschlagend ist das Argument, dass ein flächendeckendes Postnetz für die Wirtschaft unbedingt nötig sei. Diese Haltung äusserten 90% der Befragten, wie das Forschungsinstitut gfs.bern mitteilte. Das Institut führte die Umfrage im Hinblick auf die Revision des Postgesetzes durch.

Die geplante Liberalisierung mit einer Öffnung des Postmarktes trifft gemäss der Umfrage auf Gegenwind: 57% der Befragten halten diesen Schritt nicht oder eher nicht für sinnvoll.

Weiter erachten rund die Hälfte der Befragten einen Einstieg von PostFinance in den Schweizer Hypotheken- und Kreditmarkt als zu riskant.

Die Post übernimmt das italienische Logistik-Unternehmen Costanzia im Grossraum Turin. Damit sichert sich die Post nach eigenen Angaben einen wichtigen Stützpunkt in Norditalien.

Die Übernahme wird über die Post-Tochter Swiss Post International abgewickelt. In Italien arbeitet die Post mit der deutschen Hermes Logistik Gruppe zusammen.

Claude Béglé (59) begann seine Karriere in Nepal, Libanon und Simbabwe, wo er für das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) tätig war.

Später arbeitete er während 14 Jahren in verschiedenen Ländern für die Nestlé-Gruppe.

Danach führte Béglé als Topmanager des US-Konzerns Philip Morris in Polen eine der grössten Privatisierungs-Operationen in Osteuropa durch.

1997 begann seine «postalische» Karriere: Zuerst bei TNT Express Worldwide, dann bei GeoPost International Management und DBP GmbH. 2005 wechselte er zur Deutschen Post. Seit April 2009 ist Béglé Verwaltungsrats-Präsident der Schweizerischen Post.

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